Winterzwiebel

Die Winterzwiebel (Allium fistulosum, Syn.: A. altaicum, A. ceratophyllum, Cepa sissilis, C. ventricosa) ist eine Pflanzenart aus der Unterfamilie der Lauchgewächse (Allioideae). Sie wird auch Frühlings- oder Frühzwiebel, Lauchzwiebel, Jungzwiebel, Frühlingslauch, Zwiebelröhrl, Zwiebelröhrchen, Röhrenlauch, Schluppenzwiebel, Schlottenzwiebel, Schnittzwiebel, Ewige Zwiebel, Winterheckenzwiebel, Winterhecke, Winterheckzwiebel, Weiße Florentiner, Grober Schnittlauch, Jakobslauch, Johannislauch, Fleischlauch, Hohllauch oder Schnattra genannt. Die grünen Blätter der Winterzwiebel werden Schlotten genannt, manchmal wird auch die ganze Winterzwiebel so bezeichnet[1][2][3] (nicht zu verwechseln mit Schalotten).

Winterzwiebel

Allium fistulosum

Systematik
Ordnung: Spargelartige (Asparagales)
Familie: Amaryllisgewächse (Amaryllidaceae)
Unterfamilie: Lauchgewächse (Allioideae)
Tribus: Allieae
Gattung: Lauch (Allium)
Art: Winterzwiebel
Wissenschaftlicher Name
Allium fistulosum
L.
Allium fistulosum

Als Winterzwiebeln werden auch Herbstaussaaten der Speisezwiebel (Allium cepa) bezeichnet, die eine normale Zwiebel bilden, aber weder schalenfest noch gut lagerbar sind.

Beschreibung

Winterzwiebeln sind ausdauernde krautige Pflanzen und erreichen eine Wuchshöhe von 30 bis 100 Zentimeter.[3] Die Laubblätter sind rund und hohl, der Stängel aufgeblasen und im Querschnitt rund.[4]

Die zwischen Juni und August gebildeten Blüten sind weiß, die Blütenhüllblätter kürzer als die Blütenstiele, die Staubblätter ragen weit über die Blütenhülle hinaus, die Staubfäden sind einfach und ungezähnt. Die Einzelblüte ist 1 cm groß.[5]

Die Winterzwiebel blüht im Sommer. Sie bildet leicht Samen.[6] Reifezeit des Samens ist Juli bis August, teilweise September.[7] Die gebildeten Samen sind 1 mm dick, 1 bis 2 mm breit und 2 bis 3 mm lang. Das Tausendkorngewicht beträgt 2,1 bis 2,4 g.

Die Pflanze ist horstbildend und entwickelt lange zylindrische Zwiebeln.[8] Die Zwiebel ist weiß.[9] Es sind auch rote und andere Färbungen bekannt.[4] Sie bildet keine Zwiebel im Sinne der Speisezwiebel.[10] Die Form ähnelt der von Porree.[11] Zum Herbst hin bilden sich fast gleichzeitig mit der Hauptzwiebel die Nebenzwiebeln aus, die zur vegetativen Vermehrung dienen.[3] Im Herbst zieht die Pflanze vollständig ein.[12] In Asien sind sehr viele Typen in Kultur, die mehr oder weniger horstbildend sind. Es existieren Typen mit weißer und purpurner Haut. Besonders im asiatischen und afrikanischen Raum sind viele Typen bekannt. So ist in Brazzaville und Kinshasa eine horstbildende Winterzwiebel mit sehr feinen Blättern gebräuchlich, die blüht und Samen bildet. Im Gegensatz dazu bildet die Japanische Winterzwiebel keine Samen aus, wenn sie in den Tropen kultiviert wird.[13] Wild kommt die Winterzwiebel in Deutschland nicht vor.

Chromosomenzahl

Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 16.[14]

Herkunft und Geschichte

Ihr Ursprung ist der Orient.[10] Offenbar existierte schon 2000 vor unserer Zeitrechnung ein Anbau in China, wo bis zur Entwicklung der modernen Sorten der letzten Jahrzehnte keine Speisezwiebel angebaut wurde.[15] Wild wachsen Winterzwiebeln in Sibirien am Altai und am Baikalsee,[3][5] von wo sie im 17. Jahrhundert wohl via Russland nach Europa kam.[15] 1629 wurde sie jedenfalls in England eingeführt.[16] Ende des 18. Jahrhunderts wurden Winterzwiebeln im Raum München in großen Mengen angebaut.[6] Direkt nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Anbau in der Fruchtfolge nach Kartoffeln bevorzugt.[17]

Trivialnamen

Weitere zum Teil auch nur regional gebräuchliche Bezeichnungen für die Winterzwiebel sind oder waren: dume Porrum, Fleisslauch, Hackezwiebel (Magdeburg), Jakobszwiebel (Ostfriesland), Johannislauch (Ostfriesland), Narr, Narren und Somzwiebel (Siebenbürgen).[18]

Nutzung

Anbau und Ernte

Die Winterzwiebel ist eine verbreitete Kulturpflanze. Sie wird besonders in tropischen Klimagebieten angebaut, weil dort die Speisezwiebel (Allium cepa) nicht oder nicht so gut gedeiht.[8][5] Sie ist frosthart, kann schon im Vorjahr ausgesät und im Zwei- bis Dreiblattstadium überwintert werden. In Asien wird die Winterzwiebel meist als zweite Kultur nach Reis angebaut.[19] In der Schweiz war der Anbau um 1945 in der Fruchtfolge nach Kartoffeln üblich. Im Hausgarten erfolgt der Anbau nach Bohnen und Erbsen.[17] Durch die Aussaat im Treibhaus oder im Folientunnel kann die Winterzwiebel zum Übergang zwischen der Treibkultur von Schnittlauch dienen, bevor der erste durch Vlies verfrühte Schnittlauch im Freiland austreibt. Winterzwiebeln sind nach dem Winter schneller in der Entwicklung als Schnittlauch.[9] Nicht zu nährstoffreiche, leichte bis mittelschwere Böden an warmer Stelle sind ideal.[17] An einem vollsonnigen Standort angebaut, entwickelt die Pflanze ein stärkeres Aroma, als wenn sie im Schatten von Bäumen oder im Treibhaus kultiviert wird.[7] In Mitteleuropa wird von Februar bis April ausgesät.[10] Für die Produktion von Bundzwiebeln wird in mehreren Sätzen (Aussaaten) gesät, um immer die optimale Größe ernten zu können. Die optimale Keimtemperatur liegt bei 15 bis 25 °C, und das Optimum für das Wachstum bei 15 bis 20 °C.[20] Der Pflanzenabstand sollte 20 × 20 bis 25 mm betragen.[10] Die Samen werden nur leicht mit Erde bedeckt.[7] Das entspricht etwa 0,5 cm.[15] Der Samen keimt bereits nach 3 bis 4 Tagen,[21] unter ungünstigen Bedingungen und bei geringerer Keimfähigkeit auch erst nach 14 Tagen.[12] Für ein Ar werden 150 g Saatgut oder 0,25 g pro Laufmeter benötigt. Für die Setzlingsanzucht im Juli wird breitwürfig gesät, wobei für 1 m² 10 g nötig sind. Die Pflanzung der Setzlinge erfolgt dann Anfang September.[17] Gepflanzt werden 3 bis 4 Pflanzen zusammen. Dabei können die Wurzeln und die Blätter etwas eingekürzt werden. Winterzwiebeln sind nicht sehr nährstoffbedürftig.[4] Ist der Kulturbeginn im Herbst, sollte nur mit Phosphor und Kali gedüngt werden. Dann wird im Frühjahr mit Stickstoff gedüngt, auf mehrere Gaben aufgeteilt, um Auswaschung zu verhindern.[15] Die Ernte kann etwa drei Monate nach der Saat beginnen.[7][5] Im Hausgarten kann die Winterzwiebel auch als Dauerkultur angelegt werden. Sie sollte jedoch alle zwei bis drei Jahre umgepflanzt werden, weil sonst die Horste zu dicht werden und damit die Austriebskraft und Blattdicke verringert wird. Winterzwiebeln werden auch zur Produktion von Bundzwiebeln verwendet.[8] Dann gilt sie als einjährige Kultur.[10] Sie wird dann alle zwei Wochen gesät.[15] Als Bundzwiebel, auch Silberzwiebel genannt, wird sie geerntet, wenn sie einen Durchmesser von 15 bis 35 mm hat. Im Hausgarten kann sie auch als Einfassung der Beete verwendet werden, weil sie nicht wuchert und wenig Pflege benötigt.[6] Bei der Bundzwiebelproduktion sind Erträge von 200 bis 500 dt/ha möglich – je nach Typ und Jahreszeit, in der angebaut wird.[15]

Mischkultur

Winterzwiebeln können im Hausgarten gut gemischt mit Radieschen ausgesät werden. Dabei sind die Radieschen etwa ein bis zwei Monate vorher erntereif, und man spart Platz. Es sollte aber ein bisschen mehr gedüngt werden.[5]

Vermehrung

Vermehrt wird die Winterzwiebel generativ über Samen. Dazu werden Pflanzen im Frühjahr ausgesät und angezogen wie zur Gemüseproduktion. Erst langsam wachsend, bilden sie dann im Herbst Horste und werden so überwintert.[11] Nach der Überwinterung kommt die Pflanze im Sommer zur Blüte.[6] 40 Tage nach Vollblüte werden die reifen Samenstände mit etwas Stiel abgeschnitten und nachgetrocknet. Damit wird verhindert, dass die Samen schon bei der Ernte ausfallen. Das Nachtrocknen dauert weitere 20 Tage.[20] Die Pflanzen können mehrere Jahre in Folge zur Saatgutvermehrung genutzt werden.[12][3] Im Hausgarten können Winterzwiebeln auch durch Teilung der Horste, wie bei Schnittlauch, vermehrt werden.[10][11] Die zuletzt beschriebene, vegetative Vermehrung geschieht ab August.[9][12] Bei der Teilung der Horste werden 2 bis 3 Triebe als neuer Horst gepflanzt.[21] Aus diesen Pflanzen kann bereits im nächsten Jahr wieder voll geerntet werden. Es existieren auch Kreuzungen aus Zwiebel (Allium cepa) und Winterzwiebel (Allium fistulosum), die sehr wüchsig sind.[13] Die Vermehrung via Meristemkultur aus Kallusgewebe ist ebenfalls möglich.[22]

Krankheiten und Schädlinge

An Winterhecke kommen die meisten Krankheiten vor, die auch an anderen Zwiebelgewächsen auftreten.[7] So sind dies: Falscher Mehltau (Peronospora destructor), Purpurflecken (Alternaria porri), Mehlkrankheit (Sclerotium cepivorum), Winterzwiebel-Gelbstreifen-Virus (Welsh Onion yellow Stripe Virus). Als Schädlinge treten vor allem Zwiebelthrips (Thrips tabaci), Lauchmotte und Zwiebelminierfliege auf.[23] Besonders gegenüber Falschem Mehltau ist die Winterzwiebel empfindlicher als andere Zwiebelarten, wenn andauernd feuchte und warme Bedingungen herrschen.[15] Auch die Eschalottenfliege (Anthomya platura) kommt vor. Bei sehr starken, lang andauernden Frösten können die Spitzen der Blätter gelb verfärben oder absterben[10], besonders wenn im Winter trockener Wind herrscht.[3] Manchmal entwickelt sich auch Rost (Puccinia porri) auf den Blättern.

Die Winterzwiebel ist resistent gegen den Pilz Urocystis cepulae.[24] Resistenzen gegenüber Blatt-Botrytis (Botrytis squamosa), Rosa Wurzelfäule (Pyrenocheta terrestris), Zwiebelhalsfäule (Botrytis spp.) und OYDV (Onion Yellow Dwarf Virus) sind auch bekannt. Teilresistenzen bestehen gegen Colletotrichum gloeosporioides[23] Auch wenn die Winterzwiebel weniger empfindlich gegenüber Krankheiten ist, sollte in der Fruchtfolge eine Anbaupause von 4 bis 5 Jahren eingehalten werden.[15]

Verwendung

Frühlingszwiebeln als Lebensmittel

Küche

Die Verwendung der Winterzwiebel ist der der Speisezwiebel ähnlich,[10] jedoch ist der Geschmack (bis auf die Blätter) weniger stark.[3][25][4] Die Blätter hingegen schmecken deutlich stärker als Zwiebeln oder Schnittlauch.[12] Winterzwiebeln werden frisch geschnitten als Gewürz oder gekocht gegessen.[26] Die Blätter können auch als Ersatz für Schnittlauch verwendet werden,[6] etwa in Salaten oder Suppen.[21][5] Auch die Samen lassen sich in der Küche als Gewürz einsetzen. Sie werden ungefähr im Juli aus den Samenkapseln geerntet. Man sollte sie als ganze Samen kühl und dunkel zum Beispiel in einer Gewürzmühle lagern, da das Aroma sehr flüchtig ist.[27]

Konserven

Silberzwiebeln werden gleichermaßen aus Winterzwiebeln und aus Speisezwiebeln hergestellt.[28]

Inhaltsstoffe

Bei den Inhaltsstoffen und dem Wert für die Ernährung ist die Winterzwiebel der Speisezwiebel gleichzusetzen.[15]

Lagerung

Gekühlt sind Winterzwiebeln, geerntet als Bundzwiebeln, im Kühlfach und foliert 1 bis 2 Wochen haltbar.

Commons: Allium fistulosum – Album mit Bildern
Wiktionary: Frühlingszwiebel – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. K.F. Dobel, Synonymisches Wörterbuch der in der Arzneikunde und im Handel vorkommenden Gewächse, 1830, S. 11–12.
  2. J. Becker-Dillingen, Handbuch des gesamten Gemüsebaues, einschliesslich der Küchenkräuter., 6. Auflage, P. Parey, 1956, S. 686.
  3. J. Becker-Dillingen, Handbuch des gesamten Gemüsebaues,5. Auflage, Verlag Paul Parey, 1950, S. 802–804.
  4. Combles, Der wohlbestellte Küchengarten, Ausgabe 2, Verlag B.F. Voigt, 1841, S. 298
  5. A. Leroy: Culture des Alliacées Potagères – Chapitre VI - La Ciboule. Librarie Hachette, 1941, S. 57–62.
  6. H. Settegast et al.: Illustriertes Handbuch des Gartenbaues. Verlag J.J. Arnd, Leipzig, 1909, S. 386.
  7. E. Stapperts: Cours Pratique de Culture maraichère. Druck: Soc. an. M. Weissenbruch, Belgien, 1923, S. 555–556.
  8. M. Busch-Stockfisch, Lebensmittellexikon. Behr's Verlag DE, ISBN 3-89947-165-2, 2005, S. 2067–2068.
  9. L. Müller: Gemüse - Fachbücherei des Gärtners. Zweiter Band, Verlagsgesellschaft mbH H. Rillinger, Nordhausen am Harz, 1937?, S. 386.
  10. H.L. Vilmorin: Ciboule, In: Les Plantes Potagères; Description et culture des Proncipaux Légumes des climats tempéré., Troisième Édition, 1904, S. 177.
  11. K. Reichelt und N. Nicolaisen: Die Praxis des Gemüsebaues. Verlagsbuchhandlung Paul Parey, 1931, S. 235–236.
  12. P. Miller, F. Hermann und H. Lueder: Vollständige Anleitung zur Wartung aller in Europa bekannten Küchengartengewächse. Verlag C.G. Donatius, 1780, S. 881–882.
  13. Charles-Marie Messian, Le Potager Tropical, 3ème édition refondue, Édition CILF, Paris 1997, ISBN 2-85319-273-3, S. 390.
  14. Allium fistulosum L. IPCN Chromosome Reports. In: tropicos.org. Tropicos, abgerufen am 12. November 2021 (englisch): „Published In: Species Plantarum 1: 301. 1753. (1 May 1753)“
  15. G. Vogel et al.: Handbuch des speziellen Gemüsebaus - 94 Winterzwiebel, 1996, Ulmer Verlag, ISBN 3-8001-5285-1, S. 731–736.
  16. H.C. Thompsen: Jerusalem Artichoke, In: Vegetable Crops. Fourth edition, McBraw-Hill Book Company Inc., London, 1949, S. 373–374.
  17. O. Rhiner et al.: Der Schweizer Gemüsebau. Druck: Huber & Co. AG, Frauenfeld, 1945, S. 151–152.
  18. Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen, Verlag von Philipp Cohen Hannover 1882, Seite 18.
  19. J.J. Ochse et al., Vegetables of the Dutch East Indies (edible tubers, bulbs rhizomes and spices included): Survey of the indigencus and foreign plants serving as pot-herbs and side-dishes, Archipel drukkerij, 1931, S. 446–449.
  20. H.D. Rabinowitch und J.L. Brewster: Onions and Allied Crops - Biochemistry Food Science Minor Crops, Volume 3, CRC Press, 1989, S. 159–176.
  21. H. Truet, Traité pratique de Culture Potagère pour l'Afrique du Nord, La Maison des Livres, Algier, 1941, S. 88–90.
  22. Z.P. Linz und Q.L. Cui, Regeneration of plants from callus of Alliumfistulosum. Acta Botanica Sinica No. 24-6, 1982, S. 586–587.
  23. G. J. H. Grubben, O. A. Denton, Plant Resources of Tropical Africa (Program), PORTA Foundation, Wageningen; Backhuys, Leiden; CTA, Wageningen, 2004, ISBN 90-5782-147-8, S. 52–56.
  24. American Phytopathological Society: Phythopathology, American Phytopathological Society, Ausgabe 23, 1933, S. 109–110.
  25. W. Franke, Nutzpflanzenkunde, 1997, Thieme Verlag, ISBN 3-13-530406-X, S. 390
  26. J.J. Rein, Japan: nach reisen und studien im auftrage der königlich preussischen regierung dargestellt. Ausgabe 2, Verlag W. Engelmann, 1886, S. 90.
  27. BR-Sendung Querbeet vom 18. März 2013.
  28. P. Nehring, H. Krause und H. Serger, Konserventechnisches Taschenbuch der Obst- und Gemüseverwertungsindustrie. Ausgabe 13, Serger & Hempel, 1958, S. 363.
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