Latö Lho
Latö Lho (tib.: la stod lho; „Südliches Latö“) war der Name einer der dreizehn tibetischen Zehntausendschaften (tib.: khri skor bcu gsum) der Sakyapa im Tibet des 13.–14. Jahrhunderts. Sie war im Großraum Dingri (tib.: ding ri) – Shelkar (tib.: shel dkar) im Westen von Sakya und des Passes Lamo Talala (tib.: la mo ta la la) bis in etwa zur Region des Sees Pelkhü Tsho (tib.: dpal khud mtsho) angesiedelt. Die Zehntausendschaft, die gleichzeitig auf der gegenüberliegenden nördlichen Seite des Tsangpo (tib.: gtsang po) im Großraum Ngamring (tib.: ngam ring) lag, wurde als Latö Chang (tib.: la stod byang; „Nördliches Latö“) bezeichnet.
Quellenlage
Die maßgebliche, allerdings erst später entstandene Quelle für die Geschichte der Zehntausendschaft Latö Lho ist die 1732 fertiggestellte Chronik Shelkar Chöchung (tib.: shel dkar chos 'byung), die einen Gesamtumfang von 118 tibetischen Folien besitzt. Sie wurde von Ngawang Kelden Gyatsho (tib.: ngag dbang skal ldan rgya mtsho), einem ehemaligen Abt der „Shelkar Chöde“ (tib.: shel dkar chos sde) verfasst. Dokumentarische Quellen aus der Zeit des Fürstentums sind nicht erhalten.
Geschichte
Latö Lho wurde um 1265 zur Zeit des 7. Sakya Thridzin Chögyel Phagpa gegründet, indem kleinräumige Herrschaftsbereiche zusammengefasst und der Herrschaft des Gangkarwa Chugpo Thripel (tib.: gangs dkar ba phyug po khri dpal) unterstellt wurden. Gangkarwa Chugpo Thripel stammte aus der Adelsfamilie Shethrug (tib.: shes phrug) die in Dingri ansässig war. Sitz der Dynastie wurde die gegen Mitte des 13. Jahrhunderts von Situ Chökyi Rinchen (tib.: si tu chos kyi rin chen) gegründete Festung „Shelkar Dzong“ (tib.: shel dkar rdzong; „Festung Weißer Kristall“), deren Ruinen noch heute in Shelkar bzw. „New Dingri“ zu sehen sind.
Da Gangkarwa Chugpo Thripel kinderlos blieb adoptierte er ein Kind aus einer Adelsfamilie der nördlich von Lhasa gelegenen Region Phenpo (tib.: 'phan po), das unter dem Namen Masang Shakyabum (tib.: ma sangs shakya 'bum) nachfolgender Zehntausendschaftsführer (tib.: khri-dpon) von Latö Lho wurde.
Ihm folgten in leiblicher Nachfolge die Zehntausendschaftsführer Shönnu Wangchug (tib.: gzhon nu dbang phyug) und Öser Sengge (tib.: 'od zer seng ge), die auch den Titel Sakya Pönchen (tib.: sa skya dpon chen) trugen und vom Yüan-Kaiser hoch dekoriert wurden.
Die von Situ Chökyi Rinchen (tib.: si tu chos kyi rin chen) gegründete Festung Shelkar Dzong beherbergte im unteren Bereich das berühmte Kloster „Shelkar Chöde“, eine der ersten großen Klosterschulen Tibets.
Nachdem die Sakyapa ihre beherrschende Stellung in Tibet verloren hatten, geriet Latö Lho ab der Zeit des Situ Chökyi Rinchen immer stärker unter den Einfluss der Herrscher von Latö Chang. Um 1620 wurde Latö Lho – so wie die übrigen Regionen des westlichen Zentraltibet (tib.: gtsang) – dann vom „Tsangpa Desi“ vereinnahmt. Zur Zeit des 5. Dalai Lama (1617–1682) wurde die Zehntausendschaft der Regierung Ganden Phodrang (tib.: dga' ldan pho brang) unterstellt. Die Klosterschule Shelkar Chöde wurde in eines der großen Gelug-Klöster umgewandelt.
Siehe auch
Literatur
- Karl-Heinz Everding & Dawa Dargyay Dzongphugpa: Das tibetische Fürstentum La stod lHo (um 1265–1642). Die Geschichte der Herrschaftsbildung neben einer Edition der Chronik Shel dkar chos ’byung. Wiesbaden 2006.
- Alfonsa Ferrari: ’mKhyen brtse’s Guide to the Holy Places of Central Tibet. Rom 1958.
- Luciano Petech: Central Tibet and the Mongols. Rom 1990.
- Pasang Wandu, Hildegard Diemberger: Shel dkar chos ’byung. The History of the „White Chrystal“. Religion and politics of Southern La stod. Wien 1996.