Léonor Serraille

Léonor Serraille (* 1986 in Lyon[1]) ist eine französische Filmregisseurin und Drehbuchautorin. Internationale Bekanntheit erlangte sie durch ihr preisgekröntes Spielfilmdebüt Bonjour Paris (2017).

Léonor Serraille (2023)

Leben

Léonor Serraille ist die Tochter einer Theaterschauspielerin und eines Pädagogen, der in seiner Freizeit Gedichte verfasst.[2] Als Kind war sie eigenen Angaben zufolge unfähig, sich selbst zu projizieren.[3] Sie studierte Literaturwissenschaft in ihrer Heimatstadt Lyon, Paris (Universität Paris III, Master 2) und Barcelona (Erasmus-Programm), ehe sie für den Drehbuch-Studiengang an der La Fémis angenommen wurde.[2][3] Den Kurs an der renommierten Pariser Filmhochschule begann sie im Jahr 2009[4] und hatte diesen nach eigenem Bekunden nur durch Zufall entdeckt.[3]

Während der Postproduktion von Bonjour Paris wurden Léonor Serraille und ihr Lebensgefährte Eltern einer Tochter und zogen von Paris nach Lille.[2] Sie zählt u. a. Werke von Barbara Loden (Wanda), John Cassavetes (Eine Frau unter Einfluß), Amos Kollek (Sue – Eine Frau in New York) und Lodge Kerrigan (Claire Dolan) zu ihren Lieblingsfilmen.[5]

Werk

Erste Drehbücher und Regiedebüt

Während ihres Studiums an der La Fémis wandte sich die Drehbuchautorin der Regie zu. Eigenen Angaben zufolge hatte Serraille Probleme damit, „ihre Figuren“ anderen Regisseuren zu überlassen.[2] Zuvor hatte sie u. a. gemeinsam mit dem japanischen Filmemacher Akihiro Hata das Drehbuch zu seinem Kurzfilm Küsten (2011) verfasst. Die neunminütige Produktion handelt von einer jungen Frau, die mit ihrem Vater mehr schlecht als recht einen Bauernhof bewirtschaftet.[6]

Im Jahr 2016 gab Serraille mit dem 42-minütigen Kurzfilm Body ihr Debüt als Filmregisseurin, für den sie auch das Drehbuch schrieb. Das Drama um eine einsame Krankenschwester (dargestellt von Nathalie Richard), die unerwartet einen Anruf von ihrer Schwester erhält,[7] wurde in die Programme der Filmfestivals von Brive, Créteil und Osnabrück aufgenommen.[8]

Erfolge mit »Bonjour Paris« und »Un petit frère« 

Den internationalen Durchbruch als Filmemacherin ebnete Serraille ihr autobiografisch gefärbtes[9] Spielfilmdebüt Bonjour Paris (2017) mit Lætitia Dosch in der Hauptrolle. Die Tragikomödie um eine unangepasste 30-jährige Frau, die in Paris um einen selbstbestimmten Lebensweg kämpft, war ihr Abschlussdrehbuch an der La Fémis.[10] Das Werk stand in der Gunst der französischen und ausländischen Filmkritik, die es mit Noah Baumbachs Film Frances Ha (2012) verglich[10][11] und als „intensive poetische Emanzipationsgeschichte“ pries.[12] Serraille erhielt für Bonjour Paris u. a. den Nachwuchspreis Caméra d’Or des 70. Filmfestivals von Cannes und Nominierungen für die wichtigen französischen Filmpreise César, Prix Louis Delluc und Prix Lumière jeweils in der Kategorie Bester Debütfilm zuerkannt.[13] Ursprünglich hatte sie den Film auf 16-mm-Format drehen wollen[10] und vertraute auf eine rein weibliche Hauptcrew. Serraille zufolge sei dies keine „absichtliche Entscheidung“ gewesen, sondern habe sich aus einer gemeinsamen „kollektiven Energie“ heraus ergeben.[14]

Nach dem Erfolg von Bonjour Paris wurde Serraille zur jüngsten Vertreterin einer neuen Generation französischer Filmemacherinnen um Céline Sciamma, Julia Ducournau und Deniz Gamze Ergüven gezählt, die alle ihre Ausbildung an der La Fémis absolvierten und eigenwillige Porträts rebellischer junger Frauen schufen, wenn auch mit Unterscheidungen im Ton und Genre.[10] Ursprünglich plante sie als nachfolgendes Projekt ein Drehbuch über eine männliche Figur oder einen Thriller. Auch half Serraille ihrer Stamm-Kamerafrau Émilie Noblet bei der Entwicklung eines Skripts für ihr Regiedebüt.[11] Fünf Jahre später stellte sie ihren zweiten Spielfilm Un petit frère (2022) fertig. Für das Familiendrama wurde sie erstmals in den Wettbewerb um die Goldene Palme des Filmfestivals von Cannes eingeladen.[15]

Filmografie

  • 2011: Küsten (Rivages, Kurzfilm – nur Drehbuch)
  • 2013: Tenir la nuit (Kurzfilm – nur Drehbuch)
  • 2016: Body (Kurzfilm)
  • 2017: Bonjour Paris (Jeune femme)
  • 2022: Un petit frère

Auszeichnungen (Auswahl)

Einzelnachweise

  1. Montparnasse Bienvenüe. Jeune Femme. In: artekinofestival.com. Arte, archiviert vom Original am 18. Januar 2021; abgerufen am 26. April 2022 (englisch).
  2. Florence Vierron: Léonor Serraille, la réalisatrice qui voulait être invisible. In: Le Figaro, 24. Mai 2017, Nr. 22639, S. 31.
  3. Etienne Sorin: Jeune Femme : premier film 100% féminin. In: lefigaro.fr, 31. Oktober 2017 (abgerufen am 25. April 2022 via lizenzpflichtiger Pressedatenbank Nexis Uni).
  4. Les Cramés de la bobine. In: LEclaireur du Gâtinais (abgerufen am 26. April 2022).
  5. Etienne Sorin: « Jeune femme », Paula perdue dans Paris. In: Le Figaro, 27. Mai 2020, Nr. 23569, S. 36.
  6. Kurzschluss - Das Magazin. In: programm.ard.de (abgerufen am 26. April 2022).
  7. Body. In: filmfest-osnabrueck.de (abgerufen am 26. April 2022).
  8. Léonor Serraille. In: bluemonday.fr (abgerufen am 26. April 2022).
  9. Etienne Sorin: Paula, notre dame de Paris. In: Le Figaro, 1. November 2017, Nr. 22776, S. 24.
  10. Isabel Stevens: Hard Knocks, High Spirits. In: Financial Times, 21. April 2018, S. 14.
  11. Jonathan Romney: Meet the new double act of French cinema. In: theguardian.com, 5. Mai 2018 (abgerufen am 25. April 2022).
  12. Marius Nobach: Bonjour Paris. In: film-dienst 19/2018 (abgerufen via Munzinger Online).
  13. Léonor Serraille – Awards. In: imdb.com (abgerufen am 26. April 2022).
  14. Kermode, Mark: Young Woman : Review. In: The Observer, 20. Mai 2018, Film (abgerufen via lizenzpflichtige Datenbank Nexis Uni).
  15. The films of the Official Selection 2022. In: festival-cannes.com, 14. April 2022 (abgerufen am 14. April 2022).
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