Längstwelle
Als Längstwellen (englisch very low frequency, kurz VLF) bezeichnet man elektromagnetische Wellen im Frequenzbereich von 3 bis 30 kHz (nicht zu verwechseln mit Niederfrequenz (< 3 kHz); siehe Frequenzband).[1][2][3]
Der Frequenzbereich unter 9 kHz unterliegt von Seiten der internationalen Fernmeldeorganisation (ITU) keiner Regulierung.
Geschichte
In der Anfangszeit der Funktechnik wurde im Bereich ab 20 kHz wiederholt Telefonie mit Hilfe der Amplituden- oder Einseitenbandmodulation versucht, doch war wegen der geringen Übertragungsbandbreite das Ergebnis unbefriedigend. Der historische Längstwellensender SAQ in Grimeton (bei Varberg in Schweden) ist zu besonderen Anlässen jeweils für etwa eine halbe Stunde in Betrieb und kann zu diesen Zeiten sogar in Aktion besichtigt werden, wie etwa am Alexanderson-Tag.
Anwendung
Längstwellen werden wegen der in diesem Bereich nur geringen möglichen Bandbreite von wenigen Hertz fast nur für die Kommunikation mit getauchten U-Booten genutzt, da Funkwellen in diesem Frequenzband etwa 10 bis 30 Meter ins Meerwasser eindringen können. Im Zweiten Weltkrieg betrieb die deutsche Kriegsmarine von 1943 bis 1945 auf 16,55 kHz (Hauptfrequenz)[4] die Sendeanlage Goliath bei Kalbe an der Milde. Die Deutsche Marine nutzt seit 1982 die Marinefunksendestelle Rhauderfehn (Rufzeichen DHO38). Bei einer Sendefrequenz von 15 kHz beträgt die Eindringtiefe in Meerwasser etwa 20 Meter. Bei 82 Hz (noch unterhalb der Längstwellen, dann SLF genannt) sind es etwa 300 Meter. So benutzt der russische Sender ZEVS 82 Hz; der US-amerikanische Sender Sanguine benutzte 76 Hz für die U-Boot-Kommunikation.
Die Grenzen der Eindringtiefe sind beim Skineffekt fließend, da die Eindringtiefe auch von der Sendeleistung, der Größe der Empfangsantenne, der Empfindlichkeit des Empfängers und den Eigenschaften des Meerwassers (Salzgehalt, Temperatur) abhängt.
Ein anderes Einsatzgebiet ist der Bergwerksfunk. Hier werden die Antennendrähte im Schacht verlegt, der Abstand zu den Empfängern ist also nie besonders groß.
Daneben werden sie auch für die Funknavigation (Alpha) und zur Übermittlung von Zeitzeichen (Beta) eingesetzt.
Ein Nebeneffekt der Sender ist die Untersuchung des Reflexionsverhaltens in oberen Erdschichten mittels VLF-Verfahren der Geophysik. Damit lassen sich geologische Strukturen auffinden, wenn sie sich durch ihre elektrische Leitfähigkeit von der Umgebung unterscheiden.
Antennenanlage
Längstwellensender erfordern große Antennen-Anlagen, die aus mehreren Masten von über 100 m Höhe bestehen, und beanspruchen ein Areal von einigen Quadratkilometern. Im Unterschied zu anderen technischen Großanlagen, wie Flughäfen, wird allerdings die Natur auf dem Areal eines Längstwellensenders nur unwesentlich beeinträchtigt. Es gibt auch mobile Längstwellensender auf Flugzeugen wie der Boeing E-6 im Rahmen von TACAMO, wo ein bis zu 7 km langer Draht als Sendeantenne vom Flugzeug nachgeschleppt wird.
Wellenausbreitung
Längstwellen breiten sich im Wellenleiter zwischen Erdoberfläche und ionosphärischer D-Schicht im Höhenbereich zwischen etwa 70 km und 90 km aus (ionosphärischer Wellenleiter). Eine Ausnahme ist die Whistler-Ausbreitung. Da ihre Wellenlängen (10 km bis 100 km) bereits die Dimensionen des Wellenleiters besitzen, lässt sich ihre Ausbreitung nur noch bedingt durch die Strahlenoptik (Interferenz zwischen Bodenwelle und ein- oder zweimal an der Ionosphäre reflektierter Wellen) beschreiben. Dies ist nur für relativ kurze Entfernungen zwischen Sender und Empfänger möglich; z. B. bei einer Frequenz von 15 kHz bis ca. 1000 km. Bei größeren Entfernungen ist eine wellenoptische Betrachtungsweise notwendig. Im Niederfrequenzbereich schließlich (Frequenz kleiner als 3 kHz) ist nur noch die wellenoptische Lösung möglich. Ein extremer Fall sind die Schumann-Resonanzen. Dies sind die Eigenschwingungen im Hohlraum zwischen Erdoberfläche und Ionosphäre mit einer Wellenlänge der Größe des Erdumfangs und einer Frequenz von ca. 7,5 Hz sowie Oberwellen.
Liste der Längstwellensender
Die folgende Liste enthält in Deutschland empfangbare Super-Low-Frequency- und Längstwellensender bzw. Längstwellen-Quellen. Sender mit Frequenzen über 24 kHz sind nicht mit gängigen PC-Soundkarten zu empfangen, da diese eine max. Samplingrate von 48 kHz haben.
Rufzeichen | Frequenz | Standort | Bemerkungen |
---|---|---|---|
— | 76 Hz | Clam Lake (Wisconsin), Escanaba River State Forest (Michigan) | Sanguine |
— | 82 Hz | Kola-Halbinsel (Russland) | ZEVS |
— | 11,905 kHz | Russland (verschiedene Standorte) | Alpha-Navigation |
— | 12,649 kHz | Russland (verschiedene Standorte) | Alpha-Navigation |
— | 14,881 kHz | Russland (verschiedene Standorte) | Alpha-Navigation |
— | 15,625 kHz | — | horizontale Zeilenablenkfrequenz von ehemaligen Röhren TV-Geräten ohne 100 Hz-Technik (Länder mit 50-Hz-Stromnetz) |
— | 15,734 kHz | — | horizontale Zeilenablenkfrequenz von Röhren-TV-Geräten ohne 120 Hz-Technik (Länder mit 60-Hz-Stromnetz und Farbfernsehen) |
— | 15,750 kHz | — | ehemalige horizontale Zeilenablenkfrequenz vor Einführung des Farbfernsehens (Länder mit 60-Hz-Stromnetz und Schwarzweißfernsehen) |
? | 15,8 kHz | ? | |
JXN | 16,4 kHz | Helgeland (Norwegen) | |
SAQ | 17,2 kHz | Grimeton (Schweden) | nur zu besonderen Anlässen aktiv (Alexanderson Day) |
— | ca. 17,5 kHz | ? | Zwanzigsekundenpulse |
NAA | 17,8 kHz | Cutler (USA) | U-Boot-Sender der US-Marine |
RDL/UPD/UFQE/ UPP/UPD8 | 18,1 kHz | Russland (verschiedene Standorte) | |
HWU | 18,3 kHz | Le Blanc (Frankreich) | häufig längere Zeit inaktiv |
RKS | 18,9 kHz | Russland (verschiedene Standorte) | selten und nur kurzzeitig aktiv |
GBZ | 19,6 kHz | Anthorn (Großbritannien) | großes Repertoire an Betriebsarten auch Impulse |
ICV | 20,27 kHz | Tavolara (Italien) | |
RJH63, RJH66, RJH69 RJH77, RJH99 | 20,5 kHz | Russland (verschiedene Standorte) | Zeitzeichensystem Beta |
ICV | 20,76 kHz | Tavolara (Italien) | |
HWU | 20,9 kHz | Le Blanc (Frankreich) | |
RDL | 21,1 kHz | Russland (verschiedene Standorte) | selten aktiv |
HWU | 21,75 kHz | Le Blanc (Frankreich) | |
JJI | 22,1 kHz | Marinefunkstelle Ebino (Japan) | |
? | 22,1 kHz | Skelton (Großbritannien) | |
? | 22,3 kHz | Russland? | nur am 2. eines Monats von 11–13 Uhr bzw. 10–12 Uhr im Winter, jedoch nicht sonntags. |
RJH63, RJH66, RJH69 RJH77, RJH99 | 23 kHz | Russland (verschiedene Standorte) | Zeitzeichensystem Beta |
DHO38 | 23,4 kHz | Saterland (Deutschland) | Aktiver Sender der Deutschen Marine |
NAA | 24 kHz | Cutler (USA) | U-Boot-Sender der US-Marine |
TBB | 26,7 kHz | Bafa (Türkei) | Sendeanlage für die Längstwelle des US-Militärs (NATO) |
Der bekannte Längstwellensender GBR in Rugby (Sendefrequenz: 15,95 kHz) hat am 1. April 2003 seine Sendeaktivität eingestellt.
Siehe auch
- Extremely Low Frequency (Extrem niedrige Frequenz; Frequenzen, die unter den Längstwellen liegen: 3 bis 30 Hz)
- Omega-Navigationsverfahren
- Ionosphärischer Wellenleiter
- Atmosphärische Störungen
Weblinks
- Längstwellen-Empfang mit Ferritantennen (PDF, 437 KiB)
Einzelnachweise
- Davies, K., „Ionospheric Radio“, Peregrinus Ltd, London, 1990.
- Rawer, K., „Wave Propagation in the Ionosphere“, Kluwer Publ., Dordrecht, 1993.
- Budden, K.G., „The Propagation of Radiowaves“, Cambridge, University Press, Cambridge, 1985.
- Der Längstwellensender Goliath bei Kalbe an der Milde von 1941 bis 1945, Auf: cdvandt.org (PDF; 1,8 MB).