Kurator
Das Wort Kurator stammt ab vom lateinischen Wort curator („Pfleger“, „Vertreter“ oder „Vormund“) sowie von curare („Sorge tragen“, „sorgen um“). Das verwandte Wort Kuratorium (ein Kurator ist das Mitglied eines Kuratoriums) kann auch eine Aufsichtsbehörde, einen Verwaltungsrat, einen Hochschulrat oder (i. d. R.) einen Stiftungsrat bezeichnen.
Bedeutungen
Im altrömischen Recht entstand die cura (auch: curatio)[1] als Pflegegewalt über Geisteskranke (furiosi). Es handelte sich damit um Personen, die geschäfts- sowie deliktsunfähig waren. Aufgrund ihrer Handlungsunfähigkeit standen sie zur Zwölftafelzeit unter dergesetzlich angeordneten Vollgewalt eines Kurators (XII Tafeln, 5, 7a). Dieser wurde regelmäßig aus dem Kreis der nächsten Agnaten bestimmt, und soweit nicht vorhanden, aus dem Kreis der entfernteren Gentilen. Neben dem Tatbestand der Geisteskrankheit, kannte die Kodifikation auch den der Verschwendungssucht (XII Tafeln, 5, 7c). Ein Kurator wurde dem prodigus zur Seite gestellt, der ererbtes Familienvermögen verschleuderte. Allerdings war eine magistratische Entscheidung notwendig, damit der curator prodigi tätig werden konnte.[2] Das antike römische Recht unterschied zwei Fremdbestimmungsformen, denn neben der Pflegesorge (cura) gab es die echte Vormundschaft (tutela). Letztere hatte aber den Charakter einer Ausnahmeregelung, denn sie durfte nur bedarfsbezogen und grundsätzlich temporär eingesetzt werden.[3]
Historisch war der Curator rei publicae (so beispielsweise der Prokurator) im Römischen Reich ein außerordentlicher (weltlicher oder geistlicher) Amtsträger. „Massekurator“ war eine historische Bezeichnung für einen Konkursverwalter.[4] Seit dem 18. Jahrhundert wurde der Begriff des Kurators für einen Verwalter einer privaten Kunstsammlung gebraucht. Mit dem Aufkommen großer Museen wie dem Louvre kam Museumskuratoren die Aufgabe zu, die unkommentierte, ungeordnete oder rein chronologische Aufstellung oder Aufhängung der Kunstwerke zu ordnen und die Werke zu katalogisieren. Durch den Wandel des Ausstellungswesens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden auch technische und Handelsmessen sowie Weltausstellungen immer häufiger von Generalbevollmächtigten kuratiert, die sich von den wirtschaftlichen Zwecken abkoppelten und zur Ikonisierung und „Selbsttheatralisierung“ neigten.[5]
Aktuell wird der Begriff des Kurators (und der seiner Tätigkeit, des Kuratierens) auf immer mehr Bereiche ausgedehnt. Das entspricht einer gesellschaftlichen Tendenz oder Notwendigkeit zum Vermitteln und Erklären des nicht mehr Selbstverständlichen und der Vorherrschaft des Diskursiven gegenüber der unmittelbaren ästhetischen Erfahrung.[6]
- Im Museumsbetrieb wird der Verantwortliche einer Sammlung oder Ausstellung als Kurator oder Kustos bezeichnet. Der Begriff wird zunehmend auch im Bibliothekswesen[7] und in Archiven verwendet.
- In der zeitgenössischen Kunst ist der Kurator ein Ausstellungsmacher, der außerhalb einer wissenschaftlichen Sammlung Ausstellungen (im Kunstverein, auf der Biennalen oder documenta usw.) organisiert, oder jemand, der Kunst vermittelt, analysiert und transdisziplinär und transkulturell begleitet. Für diesen Bereich gibt es Studienangebote, die mit (oft unbezahlten) Praktika verbunden sind.[8][9]
- Ein Filmkurator zeichnet verantwortlich für die künstlerische Zusammenstellung von anspruchsvollen Filmprogrammen zu bestimmten Themenkomplexen. Meist werden diese auf Filmfestivals präsentiert.
- Den Leitern von Musikfestivals kommt eine ähnliche Stellung wie den Kuratoren zu. In der Neuen und Pop-Musik geht es immer weniger um die autonomen Qualitäten des Kunstwerks, sondern um Vermittlung und Kontextualisierung durch Kuratoren.[10] Auch Spotify-Playlists werden heute kuratiert.[11]
- Im Journalismus bezeichnet der Begriff Kurator Journalisten, die Artikel nach Relevanz ordnen und – insbesondere über soziale Netzwerke – weiterempfehlen.
- In Stiftungsorganen reichen die Aufgaben der Kuratoren in unterschiedlichen Ausprägungen von einer rein beratenden Tätigkeit, zum Beispiel für den Vorstand oder die Geschäftsführung, bis hin zur Genehmigung des Stiftungshaushalts, der Kontrolle der Stiftungstätigkeit und der Wahl von Vorstand oder Geschäftsführung.
- Im Hochschulrecht war der Kurator der Vertreter des Ministers vor Ort an Universitäten; derartige „Kuratorialverfassungen“ sind heute im Universitätsbereich nicht mehr üblich. Stattdessen werden heute Kuratoriumsmitglieder aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen berufen.
- Als Kurator bezeichnet man auch den Verwalter eines Zoos. Er entscheidet mit bei Tier-Neukäufen. Bei Tier-Verkäufen entscheidet er, in welchem Zoo das Tier unterkommen soll (EEP); er verwaltet die Finanzen und entscheidet, inwieweit die Behandlung eines erkrankten Tieres angemessen ist.
- Der Kurator vertritt in der Evangelischen Kirche A.B. in Österreich gemeinsam mit dem Pfarrer die Pfarrgemeinde nach außen. Er ist Mitglied des Presbyteriums und wird von diesem gewählt.
Kuratoren in der zeitgenössischen Kunst
Die Rolle der Kuratoren ist in den letzten Jahrzehnten immer bedeutender geworden. Die Arrangeure von Ausstellungen beschränken sich nicht mehr auf die bloße Auswahl der Künstler und die Kombination von Kunstwerken, sondern sehen ihre Tätigkeit als ebenso kreativ an wie diejenige der von ihnen Kuratierten. Indem sie „innovative“ Ausstellungsformate schaffen, laden sie die Kunstwerke durch diese neue Form der „Rahmung“ mit zusätzlichem Kontext und mit Konzepten auf, die aus den Werken selbst nicht hervorgehen. Zu diesem äußerlichen Rahmen gehört z. B. auch die Biographie des Künstlers.[12]
Dieser Trend wird von dem kanadischen Kunstkritiker David Balzer als Curationism („Kurationismus“) kritisiert und mit dem Aufstieg der abstrakten Kunst, vor allem aber der Concept Art sowie mit dem wachsenden Einfluss der Hochfinanz auf die Kunst in Verbindung gebracht. Der Kurationismus werde begünstigt durch den Trend zu einer immer kontextärmeren Kunst, die Tom Wolfe 1975 in seinem Buch The Painted Word beschrieben hat: Zuerst verschwand der erzählende Realismus des 19. Jahrhunderts, dann verschwanden nacheinander die Aussagekraft des Bildgegenstands, die dritte Dimension des Bildes (im Abstrakten Expressionismus), der Pinselduktus, die Sichtbarkeit der Pigmente und die Vielfalt der Farben, schließlich die Komplexität des Bildaufbaus. Am Ende stand die Konzeptkunst mit ihren rein theoretischen und daher erklärungsbedürftigen Kunstwerken.[13] Erst durch das Kuratieren – das Verb To curate erscheint 2011 erstmals im Oxford English Dictionary – werden heute die Bedeutung und der (auch monetäre) Wert dieser Kunstwerke deutlich. Es handele sich um eine Form des supercharging, der „Über-Aufladung“ mit Bedeutsamkeit von außen. Der Aufstieg von Star-Kuratoren wie Hans Ulrich Obrist und das Anheuern von prominenten Gastkuratoren für Veranstaltungen zeige, wie weit sich deren Tätigkeit von der des früher eher passiven Kurators, der sammelte, ordnete und katalogisierte, entfernt hat; die heutige Tätigkeit habe eher mit Projektmanagement, Branding und den Einsatz kreativer kuratorischer Vermittlungsmethoden im medialen Wettbewerb um Aufmerksamkeit zu tun. Freiberufliche Kuratoren werden immer häufiger, was dem kreativen und einmaligen Veranstaltungscharakter der Ausstellungen Rechnung tragen soll.[14]
Auch die menschliche Alltagswelt werde immer stärker kuratiert, was durch die Übertragung der sehr speziellen Positionsbezeichnung auf das immer häufiger verwendete Verb deutlich wird. Durch das Internet könne jeder heute zum Kurator seines Blogs, seiner Playlist oder seiner Fotos werden, wobei er immer stärker dem Zwang einer perfekten Außendarstellung unterliege. So näherten sich Kunstwelten und Alltag einander an.[15]
Weblinks
Einzelnachweise
- Vermutung nach Ulpian, Digesten 26, 10, 1, 5.
- Max Kaser: Das Römische Privatrecht. (= Handbuch der Altertumswissenschaft. Abteilung 10: Rechtsgeschichte des Altertums. Band 3.3.1: Das altrömische, das vorklassische und klassische Recht). C.H.Beck, München 1955, 2. Auflage 1971. Erster Abschnitt. § 20, S. 74–81 (hier 75 und 80 f.)
- Vgl. hierzu Ernst Levy, Studi in onore di Silvio Perozzi nel XL anno del suo insegnamento, in Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte (Romanistische Abteilung), Band 46, Heft 1, 1926. S. 413–424 (423).
- Kurator, in: Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 13. Leipzig 1908, S. 406.
- Ulrike Felber Rapp, Elke Krasny, Christian Rapp: smart exports: Österreich auf den Weltausstellungen 1851-2000. Wien 2000, ISBN 978-3-85498-068-1.
- Florian Neuner: Der Siegeszug des Diskursiven in der Neuen Musik: Alle wollen Kuratoren sein auf deutschlandfunkkultur.de, 30. Juli 2019
- Jan-Tillmann Rierl: Erweiterter Kuratierungsbegriff und bibliothekarische Praxis. In: Ders.: Bibliotheken als Orte kuratorischer Praxis. De Gruyter Saur, Berlin/ Boston 2020, S. 7–40. DOI:10.1515/9783110673722-002
- https://www.hgb-leipzig.de/lehre/kulturendeskuratorischen/ Beschreibung des Studienganges Kulturen des Kuratierens an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, abgerufen am 21. Nov. 2020
- https://www.uni-due.de/kunst-kuwiss/d20_kuk_praktikum.php Praktika im Studiengang Kunstwissenschaften der Universität Duisburg-Essen, abgerufen am 7. Juli 2022
- F. Neuner 2019
- Wie du die richtigen Spotify Playlist Kuratoren für deine Musik findest auf imusician.pro, abgerufen am 7. Juli 2022
- Alexander Estis: Kunst und Kuratieren: Der endgültige Sieg des Rahmens über das Werk auf deutschlandfunkkultur.de, 7. Juli 2022
- Tom Wolfe: The Painted Word. Farrar, Straus & Giroux, 1975. ISBN 0-553-27379-5.
- Siehe die Kuratoren-Datenbank kuratoren.org
- David Balzer: Curationism: How Curating Took Over the Art World and Everything Else. Pluto Press 2015, ISBN 978-0-745-33597-1.