Konvergenztheorie (Evolution)

Die Konvergenztheorie der Evolution beschäftigt sich mit den langfristigen erdgeschichtlichen Formen der Entstehung des Lebens. Sie besagt, dass das Leben auf der Erde so entstehen musste, wie es ist. Der Hauptvertreter der Konvergenztheorie ist der britische Paläontologe und Evolutionsbiologe Simon Conway Morris.[1] Die Konvergenztheorie geht von der Annahme aus, dass viele Funktionalitäten in der Evolution unabhängig entstanden sind. Beispiele sind die Flügel von Vögeln, Fledermäusen oder Hautflüglern oder das Auge. Selbst innerhalb bestimmter Taxa wird konvergente Evolution angenommen, etwa bei den Flügelmustern von Schmetterlingen oder den Mundwerkzeugen von Insekten. Hier ist es von ursprünglich beißend-kauenden Mundwerkzeugen zu verschiedenen abgeleiteten Funktionstypen gekommen, einerseits bei blütenbesuchenden Insekten die Ausbildung von Saugrüsseln, die sehr effizient Nektar aufnehmen können, andererseits die Ausbildung unterschiedlicher stechend-saugender Mundwerkzeuge.

Heliconius Arten. Die Flügelmuster sind konvergent entstanden. Sie sind keine Variation eines gemeinsamen Vorfahren

Flügel mussten entstehen, weil Luft existiert, Flossen mussten entstehen, weil Wasser existiert. Conway Morris spricht hier auf Grund der physikalischen Bedingungen auf der Erde von funktionalen Zwängen.[2] Das Leben entwickelt sich stabil, weil die Natur den Rahmen dafür bereitstellt. Die Richtung, die das Leben nimmt, ist damit auch zu einem bestimmten Grad voraussagbar, da sie unvermeidlich den selektiv-adaptiven Regeln folgt. Die Konvergenztheorie leugnet nicht den Einfluss von Kontingenzereignissen auf die Entwicklung des Lebens, wie etwa durch den Meteoriteneinschlag an der Kreide-Tertiär-Grenze, argumentiert aber, dass solche Zufallsereignisse allenfalls aufschiebende Wirkung haben.

Bezüglich der Entstehung des Menschen geht Conway Morris so weit zu sagen, dass der Mensch bereits mit dem Urknall angelegt war. Früher oder später musste die Evolution zwangsläufig bei einer intelligenten Spezies ankommen. Die Entwicklung zu Komplexität und Intelligenz ist Programm.[3]

Kritik

Die Konvergenztheorie steht im Widerspruch zur Kontingenztheorie. Da sie streng adaptionistisch argumentiert (Evolutionäre Anpassung), wird sie von solchen Evolutionstheoretikern negiert, die eine durchgängig adaptionistische Argumentation in der Evolution ablehnen, wie sie hauptsächlich in den USA vorherrscht (Synthetische Evolutionstheorie). Ein entschiedener Gegner der Theorie war Stephen Jay Gould, der sich streng gegen jeden immanenten Fortschritt in der Evolution aussprach.[4]

Die Konvergenztheorie muss ferner die Analogie, also Unabhängigkeit in der evolutionären Entwicklung von Merkmalen, nachweisen bzw. sie muss nachweisen, dass solchen makroevolutionären Merkmalen keine nahen, gemeinsamen, homologen, sondern vielmehr analoge Entwicklungspfade zugrunde liegen.[5] Je besser ihr das empirisch gelingt, desto überzeugender schafft sie die Grundlage für ihre adaptionistische Argumentation.

Einzelnachweise

  1. Conway Morris, Simon: Jenseits des Zufalls. Wir Menschen im einsamen Universum. Berlin University Press 2008.
  2. Conway Morris, Simon: Die Konvergenz des Lebens. In Fischer, Ernst Peter& Wiegandt, Klaus: Evolution. Geschichte und Zukunft des Lebens. Fischer TB 2003
  3. Conway Morris, Simon: Aliens wie du und ich. In DIE ZEIT, 19. August 2004
  4. Gould, Stephen J.: Illusion Fortschritt. Die vielfältigen Wege der Evolution. Fischer TB 3. Aufl. 2004
  5. Powell, Russel: Reading the book of life: Contingency and Convergence in Macroevolution. (Diss. Duke University) 2008
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