Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 2020

Bei den am 13. September 2020 abgehaltenen Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen wurden die Vertretungen aller Städte, Gemeinden und Kreise sowie die meisten Landräte, Oberbürgermeister und Bürgermeister gewählt. Mit dem ersten Zusammentritt der neu gewählten Kommunalvertretungen läuft eine Wahlperiode für die nordrhein-westfälischen Kommunen ab, die ausnahmsweise 77 Monate betrug.

Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 2020
Landesergebnis, Wahlbeteiligung 51,9 %
 %
40
30
20
10
0
34,3
24,3
20,0
5,6
5,0
4,4
3,8
2,6
Gewinne und Verluste
im Vergleich zu 2014
 %p
 10
   8
   6
   4
   2
   0
  -2
  -4
  -6
  -8
−3,2
−7,1
+8,3
+0,9
+2,4
−0,1
−0,9
−0,3

Außerdem wurde erstmals das Ruhrparlament, die regionale Vertretung der elf kreisfreien Städte und vier Kreise des Ruhrgebietes, von den mehr als zwei Millionen wahlberechtigten Bürgern im Bereich der Ruhrmetropole direkt gewählt.

Die teilweise nötigen Stichwahlen fanden am 27. September 2020 statt.

Allgemeines

Wahlrecht

Stimmzettel zur Kommunalwahl (hier für Bonn, v. l. n. r. Oberbürgermeisterwahl, Stadtratswahl, Bezirksvertretungswahl)

Die Zahl der zu wählenden Mitglieder der Stadt- und Gemeinderäte beträgt (ohne mögliche Überhang- und Ausgleichsmandate) zwischen 20 und 90, in den Kreistagen bis zu 72. Die Kommune kann die für ihre Größenkategorie im Kommunalwahlgesetz festgelegte Mitgliederzahl der Vertretung durch Satzung um bis zu 10 verringern, aber nicht auf unter 20 Mitglieder.[1] Die Zahl der Wahlbezirke, in denen jeweils ein Bewerber direkt gewählt wird, beträgt stets die Hälfte der festgelegten Mitgliederzahl. Eine Fünf-Prozent-Hürde gibt es seit 1999 nicht mehr.[2] Die Mandate werden nach dem Divisorverfahren mit Standardrundung nach André Sainte-Laguë verteilt.[2]

Erhält eine Partei oder Wählergruppe mehr Sitze in den Wahlbezirken, als ihr aufgrund ihres Stimmenanteils zustehen, werden den übrigen Listen Ausgleichsmandate zugeteilt. Als stimmberechtigtes Mitglied und Vorsitzender tritt im Rat der Bürgermeister oder Oberbürgermeister, im Kreistag der Landrat hinzu.

Das Mindestalter für das aktive Wahlrecht beträgt 16 Jahre, für das passive Wahlrecht 18 Jahre.[2] Wahlberechtigt bei Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen sind Deutsche sowie Staatsangehörige der 26 anderen EU-Mitgliedstaaten, die am Wahltag das 16. Lebensjahr vollendet haben, mindestens seit dem 16. Tag vor der Wahl im Wahlgebiet (in der Gemeinde/Stadt bzw. im Kreis) wohnen oder sich sonst gewöhnlich aufhalten und nicht vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Wer die Bezirksvertretung in einer kreisfreien Stadt wählen will, muss für den Rat in dem betreffenden Stadtbezirk wahlberechtigt sein. Bei der Wahl der kommunalen Vertretung – des Gemeinde- bzw. Stadtrats oder des Kreistags – hat jeder Wähler nur eine Stimme, mit der gleichzeitig ein Wahlbezirksbewerber und die Reserveliste der Partei oder Wählergruppe gewählt wird, für die der Wahlbezirksbewerber aufgestellt ist.

Bei der Wahl der Bezirksvertretung in einer kreisfreien Stadt handelt es sich dagegen um eine reine Listenwahl, bei der jeder Wähler ebenfalls nur eine Stimme hat; hier gilt abweichend eine 2,5-%-Sperrklausel.[3] (Ober-)Bürgermeister bzw. Landrat werden durch Mehrheitswahl bestimmt; auch hier besitzt jeder Wähler eine Stimme.[4]

Stichwahl

Die Stichwahl für den Fall, dass kein Kandidat die absolute Mehrheit erreicht bei der Wahl des Bürgermeisters oder Landrats, wurde im April 2019 durch den Landtag auf Vorschlag der Regierung unter Ministerpräsident Armin Laschet abgeschafft.[5] Gewählt wäre demnach der Bewerber mit der relativen Mehrheit der Stimmen gewesen, eine Regelung, die bereits von 2007 bis 2011 gegolten hatte.[6]

Die Abschaffung der Stichwahl wurde mit einem am 20. Dezember 2019 verkündeten Urteil des Landesverfassungsgerichts mit vier zu drei Richterstimmen für verfassungswidrig erklärt. Somit waren bei den Kommunalwahlen 2020 in Nordrhein-Westfalen weiterhin Stichwahlen möglich.[7]

Auswirkungen der COVID-19-Pandemie

Erleichterungen für Bewerber

Aufgrund der COVID-19-Pandemie in Deutschland wurden die Voraussetzungen für die Teilnahme an der Kommunalwahl erleichtert. Damit erhielten z. B. die Parteien, Wählergruppen und Einzelbewerber angesichts der widrigen Umstände mehr Zeit, ihre Vorschläge einzureichen. Diese Frist endete, elf Tage später als ursprünglich vorgesehen, am 27. Juli um 18:00 Uhr. Außerdem wurden für Parteien und Wählergruppen, die bisher nicht in den Parlamenten vertreten sind, die Zahl der erforderlichen Unterstützungsunterschriften um 40 Prozent verringert.[8] Gemeinden erhielten die Möglichkeit, die Stimmbezirke zu vergrößern.

Der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen wies am 30. Juni 2020 eine Verfassungsbeschwerde und einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung gegen die Durchführung der Kommunalwahlen am 13. September ab.[9]

Hohe Beteiligung per Briefwahl

Viele Städte und Kommunen meldeten Rekordwerte bei der Beteiligung an der Kommunalwahl der Bürger per Briefwahl. Die Städte Köln, Düsseldorf und Bonn meldeten rund zwei Wochen vor dem Wahltermin, dass bereits rund jeder vierte Wahlberechtigte Briefwahlunterlagen angefordert habe.[10][11] Die Anzahl der Briefwahlbezirke wurden daher im Vergleich zur Europawahl 2019 vielerorts deutlich erhöht, in Köln beispielsweise von 279 auf 431.[12] Allerdings war auch unabhängig von der COVID-19-Pandemie in den letzten Jahren ein stetiger Anstieg der Briefwahl-Teilnahme, unabhängig von der Art der Wahl, erkennbar.

Umfragen

Am 2. September 2020 publizierten der WDR und diverse Lokalzeitungen eine Umfrage von Infratest dimap, bei der Einwohner von elf Großstädten, die insgesamt rund 30 Prozent der Bevölkerung Nordrhein-Westfalens darstellen, befragt wurden. Der Partei Bündnis 90/Die Grünen wurde dabei in allen an der Umfrage beteiligten Städten ein deutlicher Stimmenzuwachs für die Wahl der Stadträte prognostiziert, teilweise mit der Chance, stimmenstärkste Partei zu werden. Der SPD hingegen wurden flächendeckende deutliche Verluste prognostiziert, die CDU hielte laut der Umfrage ihre Stimmen großteils oder würde leicht verlieren. Diese drei Parteien sollten demnach in allen abgefragten Städten die ersten drei Plätze unter sich ausmachen. Alle anderen Parteien, wie etwa FDP, AfD oder Die Linke, sollten nach der Prognose in den elf Großstädten (deutlich) unter 10 Prozent der Stimmen erreichen. In Städten wie Aachen oder Düsseldorf wurden bei der Wahl der Oberbürgermeister enge Zwei- oder Dreikämpfe um einen Platz in der Stichwahl erwartet. In anderen Städten wie Köln oder Münster gingen die Meinungsforscher von Siegen der Amtsinhaber im ersten Wahlgang aus.

Als wichtigstes politisches Problem wurde in neun der elf Städte das Thema Verkehr angesehen, dahinter folgten Wohnen, Bildung und Infrastruktur. Eine Ausnahme unter den abgefragten Städten stellte Duisburg dar, wo Einwanderung als wichtigstes Thema angesehen wurde. Mit dem „Corona-Krisenmanagement“ waren zwischen 60 und 80 Prozent mehrheitlich die Befragten aller Städte zufrieden. Am ehesten unzufrieden waren die Befragten aus Duisburg und Köln.[13]

Ergebnisse

Landesergebnis (Kreistage und Räte der kreisfreien Städte)

Partei Stimmen Vertreter
Anzahl  % +/−
zu 2014
Anzahl +/−
zu 2014
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU) 2.495.743 34,3 −3,2 1.213 −96
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) 1.766.181 24,3 −7,1 912 −197
Bündnis 90/Die Grünen (GRÜNE) 1.452.571 20,0 +8,3 705 +309
Freie Demokratische Partei (FDP) 405.139 5,6 +0,8 198 +39
Alternative für Deutschland (AfD) 367.433 5,0 +2,5 185 +96
Die Linke (DIE LINKE) 277.781 3,8 −0,8 137 −27
Die PARTEI (Die PARTEI) 76.317 1,0 +1,0 34 +31
Volt Deutschland (Volt) 37.590 0,5 neu 13 neu
Piratenpartei Deutschland (PIRATEN) 24.815 0,3 −1,3 10 −46
Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP) 6.990 0,1 ±0 3 −1
Partei Mensch Umwelt Tierschutz (Tierschutzpartei) 6.751 0,1 +0,1 3 +2
Aktion Partei für Tierschutz (Tierschutz hier!) 5.172 0,1 neu 3 neu
Familien-Partei Deutschlands (FAMILIE) 4.907 0,1 +0,1 2 +1
Aufbruch C (Aufbruch C) 3.967 0,1 neu 2 neu
Bündnis für Innovation und Gerechtigkeit (BIG) 3.553 0,0 −0,1 2 +1
Deutsche Kommunistische Partei (DKP) 2.886 0,0 ±0 2 ±0
Ab jetzt … Demokratie durch Volksabstimmung (Volksabstimmung) 3.021 0,0 ±0 1 ±0
Die Rechte (DIE RECHTE) 2.582 0,0 ±0 1 −1
Deutsche Zentrumspartei (ZENTRUM) 2.238 0,0 −0,1 1 ±0
Partei für Soziales und Ökologie (SO!) 1.896 0,0 ±0 1 ±0
Sonstige Parteien 5.197 0,1 −1,3 −35
Wählergruppen 323.825 4,4 −0,1 170 +10
Einzelbewerber 1.667 0,0 ±0
Gesamt 7.277.932 100,0 ±0 3.598 +104
Gültige Stimmen 7.277.932 98,5 ±0
Ungültige Stimmen 108.285 1,5 ±0
Wahlbeteiligung 7.386.217 51,9 +1,9
Wahlberechtigte 14.235.746
Quelle: Landeswahlleiter

So genannte Klimalisten gewannen landesweit in 4 Kommunen insgesamt 5 Mandate.

Übersicht

WahlvorschlagOber-
bürgermeister
LandräteGesamt
Christlich Demokratische Union Deutschlands (CDU)52025
Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)9413
Bündnis 90/Die Grünen (Grüne)22
Gemeinsame Wahlvorschläge
SPD und Grüne325
CDU und Grüne11
CDU und FDP22
CDU, Grüne und FDP11
Einzelbewerber112
Gesamt222951

Oberbürgermeisterwahl in kreisfreien Städten

* Wiedergewählte farbig unterlegt

Kreisfreie StadtOberbürgermeisterWahlvorschlagStichwahl
AachenSibylle KeupenGrüneja
BielefeldPit ClausenSPDja
BochumThomas EiskirchSPD, Grüne
BonnKatja DörnerGrüneja
BottropBernd TischlerSPD
DortmundThomas WestphalSPDja
DüsseldorfStephan KellerCDUja
EssenThomas KufenCDU
GelsenkirchenKarin WelgeSPDja
HagenErik O. SchulzCDU, Grüne, FDP
HammMarc HerterSPDja
HerneFrank DuddaSPD
KölnHenriette RekerEinzelbewerberinja
KrefeldFrank MeyerSPDja
LeverkusenUwe RichrathSPDja
MönchengladbachFelix HeinrichsSPDja
Mülheim an der RuhrMarc BuchholzCDUja
MünsterMarkus LeweCDUja
OberhausenDaniel SchranzCDUja
RemscheidBurkhard Mast-WeiszSPD, Grüne
SolingenTim KurzbachSPD, Grüne
WuppertalUwe SchneidewindCDU, Grüneja

Landratswahl

* Wiedergewählte farbig unterlegt

KreisLandratWahlvorschlagStichwahl
BorkenKai ZwickerCDU
CoesfeldChristian Schulze PellengahrCDU
DürenWolfgang SpelthahnCDU
Ennepe-RuhrOlaf SchadeSPD, Grüne
EuskirchenMarkus RamersSPDja
GüterslohSven-Georg AdenauerCDU
HeinsbergStephan PuschCDU
HerfordJürgen MüllerSPD, Grüne
HochsauerlandKarl SchneiderCDU
HöxterMichael StickelnCDU
KleveSilke GorißenCDUja
LippeAxel LehmannSPDja
Märkischer KreisMarco VogeCDUja
MettmannThomas HendeleCDU
Minden-LübbeckeAnna BöllingCDUja
Oberbergischer KreisJochen HagtCDU
OlpeTheo MelcherCDU
PaderbornChristoph RütherCDU
RecklinghausenBodo KlimpelCDU, FDPja
Rhein-ErftFrank RockCDUja
Rhein-Kreis NeussHans-Jürgen PetrauschkeCDUja
Rhein-SiegSebastian SchusterCDU
Siegen-WittgensteinAndreas MüllerSPD
SoestEva IrrgangCDU
SteinfurtMartin SommerEinzelbewerberja
UnnaMario LöhrSPDja
ViersenAndreas CoenenCDU
WarendorfOlaf GerickeCDU, FDP
WeselIngo BrohlCDUja
Commons: Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen 2020 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. § 3 Kommunalwahlgesetz
  2. Kommunalwahlrecht Nordrhein-Westfalen. wahlrecht.de, abgerufen am 31. Dezember 2019.
  3. § 46 a Kommunalwahlgesetz
  4. Kommunalwahlen. Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen, abgerufen am 31. Dezember 2019.
  5. Gesetz zur Änderung des Kommunalwahlgesetzes und weiterer wahlrechtlicher Vorschriften vom 11. April 2019
  6. Kirsten Bialdiga: Neuzuschnitt der Wahlkreise – NRW schafft Bürgermeister-Stichwahl ab. Kölnische Rundschau, 11. April 2019, abgerufen am 31. Dezember 2019.
  7. Abschaffung der Stichwahl verfassungswidrig. Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen, 20. Dezember 2019, abgerufen am 31. Dezember 2019.
  8. Landtag erleichtert Voraussetzungen zur Kommunalwahl in NRW. Aachener Zeitung, 31. Mai 2020, abgerufen am 2. September 2020.
  9. Keine Verschiebung der Kommunalwahlen. Verfassungsgerichtshof NRW, 6. Juli 2020, abgerufen am 2. September 2020.
  10. Viele Wähler stimmen per Briefwahl ab. Radio Bonn, 1. September 2020, abgerufen am 2. September 2020.
  11. Düsseldorf verzeichnet Rekord-Ansturm auf die Briefwahl. Rheinische Post, 28. August 2020, abgerufen am 2. September 2020.
  12. Köln steuert auf Briefwahl-Rekord zu. Stadt Köln, 1. September 2020, abgerufen am 2. September 2020.
  13. NRW Städtetrend: Die große WDR-Umfrage vor den Kommunalwahlen. WDR, 2. September 2020, abgerufen am 2. September 2020.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.