Trockeneis
Trockeneis ist festes Kohlenstoffdioxid (CO2) und schmilzt bei einem Luftdruck von ca. 1013 mbar (1 Atmosphäre) nicht, sondern geht direkt in gasförmiges Kohlenstoffdioxid über, es sublimiert.[1]
Unter Normaldruck kann Trockeneis nicht wärmer als −78,4 Grad Celsius werden. Liegt der Luftdruck unterhalb von 1.013 Bar, ergibt sich damit beim Sublimieren auch eine Erniedrigung der Temperatur des Eises. Es gilt die Analogie von isobar siedenden Flüssigkeiten. Trockeneis ist weiß und geruchlos. Atmet man die entstehenden Dämpfe ein, so kribbelt es, da sich bei Kontakt mit dem Wasser der Schleimhäute Kohlensäure bildet.
Auf der Erde kommt Trockeneis aufgrund der äußerst niedrigen Resublimationstemperatur praktisch nicht natürlich vor. Die 1983 an der Wostok-Station gemessene Temperatur von −89,2° C liegt unterhalb des Sublimationspunktes von CO2, jedoch ist nicht bekannt, ob zu jenem Zeitpunkt tatsächlich Trockeneis aus der Luft resublimiert ist. In der CO2-reichen Atmosphäre des Mars friert es jedoch im Winter in höheren Breiten aus und bildet die bekannten Polkappen. Auch einige Meteoroiden enthalten größere Mengen davon.
Als Entdecker gilt Adrien Thilorier (1835).[2]
Eigenschaften
Trockeneis ist ein weißer, wassereisähnlicher und geruchloser Feststoff. Bei Normaldruck sublimiert Trockeneis bei −78,48 °C (194,67 K)[1] und benötigt für diesen Phasenübergang 571,1 kJ/kg (bzw. 25,1 kJ/mol)[3]. Die Kühlwirkung von Trockeneis beträgt bei isobarer Sublimierung von −78,5° C (194,65 K) Feststoff auf 0° C grad Gas (273,15 K) zirka 640 kJ/kg.
Dies entspricht fast der doppelten Kühlleistung von herkömmlichem Eis (333 kJ/kg)[4].
Da der Tripelpunkt Pt von Kohlenstoffdioxid bei Tt = 216,58 K (−56,57 °C) und pt = 5,185 bar liegt,[5][6] kann Kohlenstoffdioxid erst oberhalb von 5,185 bar schmelzen. Damit es im Druckbehälter (auch) als Flüssigkeit vorliegt, darf zudem die kritische Temperatur nicht überschritten werden (30,9° C).
Wird nun der Druck langsam erniedrigt, erniedrigt sich zunächst die Temperatur des Systems, so lange bis der Tripelpunkt erreicht ist. Dort bleibt die Temperatur zunächst konstant, der Quotient von Flüssigkeit zu Feststoff (Trockeneis) verändert sich. Erst nachdem die Flüssigkeit verdampft bzw. zu Eis erstarrt ist, vermindert sich die Temperatur des Trockeneises weiter.
Die Schmelzenthalpie beträgt hierbei 196,7 kJ/kg. Die Dichte der Flüssigkeit beträgt am Tripelpunkt 1,1785g·cm−3[7], die des Trockeneises beträgt ungefähr 1,56 g·cm−3.
Trockeneis schwimmt also nicht wie Wassereis auf der Oberfläche.
Der kritische Punkt Pc von Kohlenstoffdioxid liegt bei einer Temperatur von Tc = 304,13 K (30,98° C) und einem Druck von pc = 73,75 bar.[8]
1 m3 gasförmiges Kohlenstoffdioxid bei 0° C und 1013 hPa hat nur eine Masse von 1,98 kg.[9] Das bedeutet bei der Sublimation eine Volumenänderung auf das 760-fache.
Herstellung
Trockeneis wird hergestellt, indem unter Druck verflüssigtes Kohlenstoffdioxid entspannt wird. Ein Teil des Kohlenstoffdioxids verdampft und entzieht dabei dem Rest des Kohlenstoffdioxids die für die Verdampfung erforderliche Wärme, dieser kühlt damit ab. Es entsteht dabei sogenannter gefrorener Kohlensäureschnee. Dieser wird dann, je nach Anwendung, in die gewünschte Form gepresst.
Kleine Mengen Trockeneis können erzeugt werden, indem man eine CO2-Flasche mit Steigrohr öffnet. Dementsprechend wird flüssiges CO2 aus der Flasche entnommen, welches zum größten Teil sofort verdampft und sich dadurch so stark abkühlt, dass ein Teil als CO2-Schnee gefriert. Nach diesem Prinzip funktionieren auch CO2-Löscher, die – neben der Verdrängung des Luftsauerstoffes – dem Feuer Wärme entziehen und die brennenden Stoffe unter den Flammpunkt abkühlen sollen.
Verwendung
Trockeneis wird überwiegend in der Industrie als Kühlmittel verwendet.
- In der chemischen Synthese wird es zur Kühlung von Reaktionsgemischen, meist als Kältemischung in Verbindung mit einem Lösungsmittel für effizienteren Wärmeaustausch; oder als Quelle für CO2 als Synthesebaustein genutzt.
- Um die Stabilität von Arzneimitteln bzw. Impfstoffen (im Speziellen Tozinameran) beim Transport zu gewährleisten, wird häufig auf eine Kühlung mit Trockeneis zurückgegriffen. Dies führte zusammen mit einer gedrosselten CO2-Produktion aus der Ammoniakherstellung im Sommer 2021 in Deutschland zu einer Trockeneisknappheit.[10][11]
- Im Motorsport wird Trockeneis zur Kühlung der Motoren verwendet. Vor dem Rennen werden Ventilatoren mit Trockeneis montiert. Wenn das gefrorene Kohlenstoffdioxid in den Motorraum gelangt, ist es ungefährlich für die Maschine, da Trockeneis sublimiert.
- In der Elektronik wird Trockeneis zur Kühlung beim Übertakten genutzt. Als Nichtleiter ist es dort ungefährlich im direkten Einsatz.
- In Kältemischungen zum Kühlen bis −78 °C.
- Verschließen von Rohrleitungen
- in Rohrleitungen wird ein Pfropfen durch Kühlen erzeugt, der diese temporär verschließt. So können Arbeiten durchgeführt werden, ohne Rohrleitungen aufwendig zu entleeren. Alternativ wird tiefkalt verflüssigter Stickstoff (−196 °C) verwendet.
- Fügen
- beim Fügen von Hartmetallhülsen auf Stahlwellen, da der Stahl bei niedriger Temperatur stärker schrumpft als Hartmetall. Bei Raumtemperatur bildet sich eine Pressung der beiden Komponenten, die vorher bei z. B. 20 °C festgelegt wird.
- Reinigung
- Feines Trockeneis-Granulat wird mit hoher Geschwindigkeit auf die zu reinigende Fläche geblasen. Verschmutzungen (Fette, Trennmittel, Beschichtungen) werden durch die Kälte hart und spröde und platzen ab. Man unterscheidet hierbei das Trockeneisstrahlen und das CO2-Schneestrahlen. Letzteres wird insb. zur Entfernung von Staubpartikeln auf Messoptiken wie den Spiegelelementen von Spiegelteleskopen eingesetzt. Rückstände von Reinigungsmitteln, die zu unerwünschter optischer Interferenz führen können, sind daher ausgeschlossen.
Medizin und Biologie
- Warzen
- Zur Entfernung von Warzen werden diese zum Teil vereist. Die Kälteverbrennung nimmt keine Rücksicht auf Gewebeschichten und breitet sich als Kegel nach innen aus. Die aufgebrachten Mengen sind so gering, dass lediglich die obersten Hautschichten absterben.
- Zahnmedizin
- Zum Sensibilitätstest von Zähnen. Durch den Temperaturabfall kommt es bei vitalen gesunden Zähnen zu einem den Reiz nicht überdauernden Schmerz. Kommt es zu keiner Schmerzempfindung, müssen weitere diagnostische Maßnahmen getroffen werden. Ein negativer Sensibilitätstest kann ein Zeichen für eine Pulpanekrose sein. Bei einer Pulpitis kommt es zu einer den Reiz überdauernden verstärkten und nachziehenden Schmerzempfindung. Die Therapie der Pulpanekrose und der Pulpitis ist die Wurzelbehandlung.
- Betäuben von Bienen
- Insbesondere bei der Bienenkönigin während der instrumentellen Besamung benutzt.
- Lockmittel für blutsaugende Insekten und Vektoren
- Bei der Überwachung blutsaugender Insekten und Vektoren, die Kohlenstoffdioxid in ihrer Wirtsfindung verwenden (z. B. Stechmücken). Das Kohlenstoffdioxid wird hierbei aus isolierten Behältern mit Trockeneis freigesetzt und lockt die Insekten in die Nähe der Einsaugöffnungen spezieller Fallen.
- Bekämpfung von Ratten
- In den USA ist Trockeneis zur Rattenbekämpfung zugelassen. Es wird in die Eingänge von Rattenbauten eingebracht. Durch das freigesetzte Kohlenstoffdioxid, das aufgrund seiner Dichte in die Bauten fließt, ersticken die Tiere.[12]
Veranstaltungstechnik
- In der Veranstaltungs- und Bühnentechnik werden Bodennebeleffekte heute seltener durch Trockeneis erzeugt, auf das heißes Wasser gegossen wird, als durch Nebelmaschinen. Der Nebel, der durch Trockeneis erzeugt wird, hat aber den Vorteil, dass er aufgrund seiner Kälte in Bodennähe verbleibt und nicht wie Fluidnebel den ganzen Raum füllt. Vermehrt kommen hierbei Nebelfluide zum Einsatz.
- Weil unter Wasser befindliches Trockeneis optisch den Eindruck sprudelnd kochenden Wassers erzeugt, wird es in der Filmtechnik gelegentlich dazu verwendet. Von echtem kochendem Wasser unterscheidet sich der Vorgang durch mit Nebel und CO2 gefüllte Wasserblasen.
- In Restaurants und Hotels zur Verlangsamung des Abschmelzens von Eisskulpturen.
- Beim ambulanten Verkauf von Speiseeis.
Küche
- In einigen Ländern ist Trockeneis im Einzelhandel erhältlich und daher ein leichter verfügbares Kryogen als flüssiger Stickstoff. Dies kann zum Beispiel zur Bereitung von Speiseeis genutzt werden, wobei das Produkt zusätzlich mit Kohlensäure versetzt wird.
Gefahren
Beim Umgang mit Trockeneis sollten Handschuhe und Schutzbrille getragen werden. Bei versehentlichem Hautkontakt sublimiert es an seiner Oberfläche und bildet eine dünne schützende Gasschicht, die den direkten Kontakt zur Haut verhindert (Leidenfrost-Effekt). Bekommt Trockeneis trotzdem über mehrere Sekunden einen festen Kontakt zur Haut, wird die Sublimierung unterbrochen und das Eis bleibt, ähnlich wie beim Anfassen tiefkalter Metallgegenstände, an der Haut kleben. Um langzeitige Schädigungen der Haut und der darunter liegenden Gewebeschichten zu verhindern, muss es augenblicklich entfernt (abgerissen) werden, da es sonst zu einer Kälteverbrennung kommt, bei der das Gewebe in wenigen Sekunden abstirbt. Die Schädigung breitet sich kegelförmig nach innen aus.
Bei der Aufbewahrung in geschlossenen Räumen verdrängt das entstehende Kohlenstoffdioxidgas aufgrund seiner höheren Dichte die Luft am Boden. Bei der Sublimation dehnt sich das Gas auf das 760fache des ursprünglichen Volumens aus, weswegen auch kleine Mengen Trockeneis einen Raum völlig mit Gas füllen können. In Konzentrationen oberhalb von 5 % wirkt es auch bei noch ausreichendem Sauerstoffgehalt der Atemluft erstickend (Verminderung des reflektorischen Atemanreizes bis zum Atemstillstand). Beim Transport in geschlossenen Behältern kann sich ein gefährlicher Gasdruck aufbauen.
Handelsübliches Trockeneis für den industriellen Einsatz kann unter Umständen Verunreinigungen enthalten und sollte daher nicht zum Kühlen von Nahrungsmitteln (Getränken) verwendet werden. Das Verschlucken von Trockeneis ist aufgrund von Erstickungsgefahr und Kälteverbrennungen lebensgefährlich.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist in Bezug auf das Risiko einer Vergiftung darauf hin, dass Trockeneis nur in geeigneten, gut isolierten Behältern aufbewahrt und transportiert werden sollte. Dieser Behälter sollten wegen der Explosionsgefahr durch den Gasdruck jedoch nicht gasdicht verschlossen sein. Sowohl bei Transport, Lagerung und Verwendung in geschlossenen Räumen und Fahrzeugen muss daher auf eine ausreichende Belüftung geachtet werden.[13]
Zwischenfälle
Am 28. Februar 2020 starben drei Menschen in Russland bei einer Party – einer der Veranstalter hatte Trockeneis in den Swimmingpool gegeben, um Showeffekte zu generieren. Die drei Personen, darunter der Veranstalter, schwammen zu dem Zeitpunkt in dem Pool und erstickten an dem sich bildenden gasförmigen Kohlendioxid.[14]
Quellen
- A. F. Holleman, E. Wiberg, N. Wiberg: Lehrbuch der Anorganischen Chemie. 91.–100., verbesserte und stark erweiterte Auflage. Walter de Gruyter, Berlin 1985, ISBN 3-11-007511-3.
- Joost Mertens, Du côté d’un chimiste nommé Thilorier. Balthazar Claës modèle d’Adrien Thilorier, L'Année balzacienne, 1, 2003, Nr. 4
- Gaseumrechner. Linde Gas, abgerufen am 6. April 2012 (Flash; 41 kB)
- Trockeneis Eigenschaften. Linde AG, abgerufen am 24. Mai 2023.
- S. Angus, B. Armstrong, K. M. de Reuck (Hrsg.): International Thermodynamic Tables of the Fluid State. Band 3: Carbon Dioxide. Pergamon Press u. a., Oxford u. a. 1976, ISBN 0-08-020924-6.
- Kenneth N. Marsh (Hrsg.): Recommended Reference Materials for the Realization of Physicochemical Properties. Blackwell Scientific Publications, Oxford u. a. 1987, ISBN 0-632-01718-X.
- Thermophysical Properties of Fluid Systems. Abgerufen am 5. März 2023.
- David R. Lide (Hrsg.): CRC Handbook of Chemistry and Physics. 85. Auflage. CRC Press, Boca Raton FL u. a. 2004, ISBN 0-8493-0485-7, S. 6–53 (Google Books [abgerufen am 10. Februar 2010]).
- Eintrag zu Kohlenstoffdioxid in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 31. August 2007. (JavaScript erforderlich)
- Florian Rinke: Erhöhte Nachfrage durch Impfstoffe & Co.: „Nationaler Notstand bei Trockeneis“. 27. Juni 2021, abgerufen am 29. November 2021.
- Leere Supermarktregale weil CO2 fehlt. Abgerufen am 29. November 2021.
- Trockeneis gegen Nager - New York bekämpft Ratten mit Trockeneis, Artikel auf tagesspiegel.de vom 24. Juni 2018, abgerufen am 25. Juni 2018
- Bundesinstitut für Risikobewertung: Trockeneis: Kohlendioxid-Vergiftungen sind möglich: Stellungnahme Nr. 047/2020 des BfR vom 07. Oktober 2020. 7. Oktober 2020, doi:10.17590/20201007-120505 (openagrar.de [abgerufen am 3. Februar 2021]).
- Tragödie bei Saunaparty: Drei Menschen tot. In: tag24.de. 29. Februar 2020, abgerufen am 1. März 2020.