Kohärente Kontrolle

Kohärente Kontrolle ist eine Form der Quantenkontrolle, die die Welleneigenschaften von Materie benutzt, um die zeitliche Entwicklung eines Quantensystems auf die gewünschte Art und Weise zu steuern.

Typischerweise werden dabei die relativen Phasen zwischen verschiedenen Teilen der Wellenfunktion eines Quantensystems mit Hilfe äußerer elektromagnetischer Felder so beeinflusst, dass konstruktive bzw. destruktive Interferenz der Materiewellen erzeugt wird. Aus welchem Teil des elektromagnetischen Spektrums die Felder stammen, ist nur insofern relevant, als in der Regel resonante Übergänge getrieben werden. Dies kann beispielsweise mit Hilfe von geformten Femtosekundenlaserpulsen, die elektronische Übergänge in Atomen oder Molekülen treiben, geschehen, aber auch mit Mikrowellenpulsen, die Übergänge zwischen Rotationsniveaus in Molekülen treiben oder an supraleitende Qubits koppeln.

Entwicklung

Das Forschungsfeld der kohärenten Kontrolle entwickelte sich ab Mitte der 1980er Jahre im Bereich der physikalischen Chemie, als Möglichkeiten zur Steuerung chemischer Reaktionen gesucht wurden, zunächst über eine Reihe von theoretischen Vorschlägen.[1][2][3] Erste experimentelle Realisierungen dieser Vorschläge erfolgten in den 1990er Jahren mittels des elektrischen Feldes von Femtosekundenlasern, die in ihrer Amplitude, Phase und auch Polarisation gezielt beeinflusst werden können.[4] Mittlerweile finden Ideen der kohärenten Kontrolle in zahlreichen Gebieten der Physik, z. B. Festkörperphysik oder Quanteninformation, Anwendung.

Kohärente Kontrolle als zeitabhängiger Prozess

In Anregungs-Abfrage-Experimenten erzeugt ein erster elektrischer Feld-Puls ein Wellenpaket. Das sich zeitlich verändernde Wellenpaket wird durch einen zweiten, mit einer zeitlichen Verzögerung eingestrahlten Puls spektroskopisch abgefragt. Dabei ist die Dauer der zeitlichen Verzögerung proportional zur relativen Phase der durch den ersten und zweiten Puls erzeugten Wellenpakete.[5] Zum Einsatz kommt diese Technik insbesondere in der Photoelektronenspektroskopie.

Kohärente Kontrolle als Interferenz zwischen „Quantenpfaden“

Wenn der Übergang von einem in einen anderen quantenmechanischen Zustand über zwei verschiedene Anregungsmöglichkeiten, z. B. durch die Absorption von einem bzw. drei Photonen, erfolgt, dann ist die Besetzung des Zielzustands abhängig von der relativen Phase der elektrischen Felder, die den Übergang treiben.[3]

Weitere Formen kohärenter Kontrolle

Eine weitere Möglichkeit, die Zeitentwicklung eines Quantensystems durch Phasenmanipulation zu steuern, liefert die sogenannte STIRAP-Methode (STIRAP= Stimulated Raman adiabatic passage)[6][7] bzw. allgemeiner die dynamische Erzeugung von Dunkelzuständen mit Hilfe von Interferenz.

Literatur

  • Rice, Stuart Alan, and Meishan Zhao. Optical control of molecular dynamics. New York: John Wiley, 2000.
  • Moshe Shapiro and Paul Brumer: Quantum control of molecular processes. 2. ed. Weinheim 2012, ISBN 978-3-527-40904-4.
  • Paul Brumer, Moshe Shapiro: Steuerung chemischer Reaktionen mit Lasern. In: Spektrum der Wissenschaft. Nr. 5, 1995, S. 70 (online [abgerufen am 19. Juli 2019]).

Einzelnachweise

  1. Tannor, David J., and Stuart A. Rice. "Control of selectivity of chemical reaction via control of wave packet evolution." The Journal of Chemical Physics 83, no. 10 (1985): 5013-5018.
  2. Tannor, David J., Ronnie Kosloff, and Stuart A. Rice. "Coherent pulse sequence induced control of selectivity of reactions: Exact quantum mechanical calculations." The Journal of Chemical Physics 85, no. 10 (1986): 5805-5820.
  3. Brumer, Paul, and Moshe Shapiro. "Control of unimolecular reactions using coherent light." Chemical Physics Letters 126, no. 6 (1986): 541-546.
  4. A. M. Weiner: Femtosecond pulse shaping using spatial light modulators. In: Review of Scientific Instruments. Band 71, Nr. 5, 2000, S. 1929–1960, doi:10.1063/1.1150614, bibcode:2000RScI...71.1929W.
  5. Introduction to Quantum Mechanics, A Time Dependent Perspective, David Tannor. In: www.uscibooks.com. Archiviert vom Original am 19. November 2002; abgerufen am 8. April 2022.
  6. Nikolay V. Vitanov, Andon A. Rangelov, Bruce W. Shore & Klaas Bergmann: Stimulated Raman adiabatic passage in physics, chemistry, and beyond. In: Reviews of Modern Physics. Band 89, Nr. 1, 2017, ISSN 0034-6861, doi:10.1103/RevModPhys.89.015006, arxiv:1605.00224, bibcode:2017RvMP...89a5006V.
  7. Klass Bergmann, Nikolay V. Vitanov & Bruce W. Shore: Perspective: Stimulated Raman adiabatic passage: The status after 25 years. In: The Journal of Chemical Physics. Band 142, Nr. 17, 2015, ISSN 0021-9606, S. 170901, doi:10.1063/1.4916903, bibcode:2015JChPh.142q0901B.
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