Herd
Ein Herd, Küchenherd oder Kochherd ist ein Haushaltsgerät zum Kochen, Braten und Backen von Speisen und in seiner ursprünglichen Bedeutung die Feuer- oder Kochstelle eines Wohngebäudes oder Zeltes.
Begriffsgeschichte
Herd bedeutete ursprünglich Erde oder Erdreich, später Feuerstelle und (Opfer-)Altar, schließlich, in Öfen und Kaminen, auch Feuerraum.[1] Diese Bedeutung hat sich in anderen Sprachen erhalten: Das englische hearth und das französische foyer bezeichnen eine offene Feuerstelle oder einen Kamin, bisweilen auch das Heim (vgl. Foyer). Das Haushaltsgerät wird als kitchen stove (Küchenofen) bzw. cuisinière (Köchin) bezeichnet. Herdplatte bezeichnete im Spessart noch im 20. Jahrhundert im ursprünglichen Sinne einen Erbhof.[2]
Geschichte und Bauformen
siehe auch: Küche#Geschichtliche Entwicklung
Ursprünglich befanden sich offene Herdstellen im Freien oder in Gebäuden oder Zelten, als flache Gruben, zwischen Steinen oder auf einer Lehm- oder Steinplatte. In der Ausgrabungsstätte um die Klissoura-Höhle 1 in der Ebene von Argos im nordwestlichen Peloponnes haben Archäologen 23.000 bis 34.000 Jahre alte Tonherde der Aurignac-Kultur gefunden.[3] Die Entdeckung hilft, den Übergang von den ältesten bekannten Herden aus Stein zu den Tonkonstruktionen, wie jenen von Dolní Věstonice in Tschechien, zu erklären. Viel später kamen aufgemauerte Sockel hinzu, die im Mittelalter etwa Tischhöhe erreichten. Gebraten wurde auf Rosten oder an Spießen, gekocht mit Kesseln, die an Kesselhaken über dem offenen Feuer hingen oder auf Dreibeinen standen. Mit Einführung des Rauchfangs rückte die Herdstelle an die Wand. Eine wesentliche Weiterentwicklung des ausgehenden Mittelalters stellte der gemauerte Potager dar.
Im Jahr 1735 entwickelte François de Cuvilliés der Ältere für die Amalienburg im Schlosspark Nymphenburg mit dem Castrol-Herd (oder Topfherd, von frz. Casserole, Kochtopf) den ersten vollummauerten Kochherd mit durchlöcherter Eisenplatte, auf der die Töpfe standen, und einem Rauchfang. Das tägliche Löschen des Herd- und Ofenfeuers wurde im 18. Jahrhundert in vielen deutschen Kurfürsten- und Fürstentümern zur bestimmten Abendstunde vorgeschrieben.[4]
Seit dem Ende des 18. Jahrhunderts gibt es echte Kochherde mit vollständig geschlossenem Feuerraum und eisernen oder kupfernen Herdplatten mit Öffnungen über dem Feuer, in die Töpfe und Kessel eingesetzt wurden. Durch den Einbau von Rosten für die Feuerung und Klappen zum Verschließen der Feuerkammer entwickelten sie sich zu Sparherden, die das Brennmaterial, in der Regel Steinkohle, wesentlich besser ausnutzten. Für verschiedene Topfgrößen konnten die Löcher der Herdplatte mit verschiedenen Ofenringen angepasst werden. Sparherde verfügten meist auch über einen Backofen, einen Tank für Warmwasser – Wasserschiff genannt – und einen Wärmeschrank. Die Entwicklung des Sparherds geht maßgeblich auf den Physiker Benjamin Thompson zurück, der mehrere Modelle nach seinen Anleitungen bauen ließ. Diese Herde wurden zunächst vorwiegend in Volksküchen eingesetzt.
Waren diese Herde noch gemauert, so kamen Mitte des 19. Jahrhunderts die ersten Herde aus Metall auf den Markt. Eine Entwicklungsstufe dieser Zeit war die sogenannte Kochmaschine („Küchenhexe“), ebenfalls eine Herdversion mit verschiedenen innenliegenden Feuerrosten, durch Wärmezüge zu den Kochstellen geleitete Hitze, Heißwasserbereitern, verschiedenen Backröhren und Backöfen und durch Herdringe in der Größe verstellbare Feuerstellen. Durch ihre hohen Kosten waren nur wohlhabende Leute in der Lage, sich derartige Herde zu leisten; in Deutschland setzten diese sich ab 1860 durch. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten Puppenherde gebaut; diese verkleinerten Nachbildungen eiserner Feuerherde waren in wohlhabenden Familien ein beliebtes Spielzeug. Einfachere Versionen gehörten seither zur Normalausstattung in Mietskasernen (z. B. in Berlin).
Schon zu Anfang des 19. Jahrhunderts gab es erste Versuche mit gasbefeuerten Herden, allerdings war eine sinnvolle Verwendung an die Verbreitung eines ausreichenden Gasnetzes in den Städten gekoppelt. Auf der Industrieausstellung in London wurde 1851 der erste transportable eiserne Herd gezeigt, der seit den 1860er Jahren in Deutschland serienmäßig hergestellt wurde. Die Herdplatte hatte mehrere herausnehmbare Ringe, die Töpfe wurden in die Öffnung eingehängt. Im ländlichen Raum blieben diese Herde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein in Gebrauch. Auf der Weltausstellung 1893 in Chicago wurde der erste Elektroherd vorgestellt, allerdings dauerte es bis 1930, bis dieser sich allgemein verbreiten konnte, was auch seinen Grund in der für derartige Herde notwendigen Infrastruktur hatte.
In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen verschiedene Kombinationen aus Heizofen und Kochherd auf den Markt, teilweise mit seitlich eingebauten Backröhren, mit Aufsätzen zum Backen und Braten, mit einem Wärmekasten für das Essgeschirr.
Moderne Herde werden fast ausschließlich mit Gas oder elektrisch betrieben. Gasherde wurden Mitte des 19. Jahrhunderts eingeführt und setzten sich um 1900 in den Städten allgemein durch. Auch Kombinationsherde, die ein Kochen auf Feuer oder mit Gas bzw. Strom erlaubten, waren bis in die 1960er Jahre verbreitet. Da der mit Holz oder Kohle befeuerte Herd im Winter auch zur Beheizung der Küche diente, kochte man in der kalten Jahreszeit auf Feuer, im Sommer wurde elektrisch oder mit Gas gekocht, da eine Erwärmung der Küche dann nicht nötig und sogar unangenehm war. Durch die zunehmende Verbreitung von Zentralheizungen verschwanden solche Geräte vom Markt.
Neuere Entwicklungen neben Gasherd und Elektroherd sind der Mikrowellenherd und der Induktionsherd. Neben Standgeräten, die Kochfeld oben und Backofen unten verbinden, gibt es heute vielfach getrennte Geräte zum Einbau in Arbeitsplatten und Küchenschränke, die eine größere Flexibilität bei der Kücheneinrichtung und eine bessere Ergonomie ermöglichen.
Soziale und religiöse Bedeutung
In den Gemeinschaftshäusern früherer Zeiten (vergleiche Langhäuser) war die Herdstelle das Zentrum des sozialen Zusammenlebens und in vielen Fällen das religiöse Zentrum des Hauses. In vorgeschichtlicher Zeit wurden die Toten häufig in der Nähe der Herdstelle begraben. Die Bedeutung des Herdfeuers zeigt sich an den Göttinnen, die für das Herdfeuer zuständig sind; die meisten vorchristlichen Kulturen kannten solche Göttinnen, teilweise werden sie heute noch verehrt. Im europäischen Kulturraum sind als Göttin von Heim, Herd und heiligem Feuer die griechische Hestia und die römische Vesta bekannt. In Raum des antiken Griechenlands haben bis heute Zeremonien überlebt, die sich um das heilige Herdfeuer ranken: So wird beispielsweise in Ionien ein Weihnachtsbrauch gefeiert, bei dem feierlich Wein und Öl ins Herdfeuer gegossen werden. Auch in den romanischen Sprachen hat das Herdfeuer als Zentrum des familiären Lebens überlebt: So steht das französische Wort foyer sowohl für Feuerstelle, Heim oder Zuhause, aber auch für den Ursprung von etwas. In der Mongolei gilt traditionell der jüngste Sohn als Erbe und Bewahrer des „heiligen Herdfeuers“ seiner Familie (vergleiche Ultimogenitur: Erbfolge des Jüngsten).
Im Rahmen der UN-Millenniums-Entwicklungsziele wurde im Jahr 2010 ein Gutachten zur Energiearmut vorgelegt, nach dem weltweit 2,7 Milliarden Menschen ihr Essen über Holz- oder Dungfeuern kochten, wodurch sie hohen Gesundheitsrisiken ausgesetzt waren; 1,4 Milliarden Menschen hatten keinen Zugang zu Elektrizität und waren auf das Sammeln von Brennmaterial angewiesen, hauptsächlich durch Frauen und Kinder, die auch beim Kochen der giftigen Rauchentwicklung ausgesetzt waren.[5]
Sonstiges
Das Phänomen eines auf einer heißen Herdplatte „tanzenden“ Wassertropfens ist als Leidenfrost-Effekt bekannt.
Siehe auch
Literatur
- Herd. Meyers Großes Konversations-Lexikon. Band 20. Leipzig 1989 (zeno.org).
- Gertrud Benker: In alten Küchen. Einrichtung – Gerät – Kochkunst. Callwey, München 1987, ISBN 3-7667-0815-5.
- Joachim Schaier: Kochmaschine und Turbogrill. Haushaltstechnik im 19. Jahrhundert und neue Energien. In: Technikgeschichte, Bd. 60, (1993), H. 4, S. 331–346, ISSN 0040-117X
Weblinks
Einzelnachweise
- Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21. Band 10, Sp. 1074–1076 (woerterbuchnetz.de [abgerufen am 6. April 2022]).
- Karl Erbach: Die bäuerliche Erbsitte im rechtsrheinischen Bayern. Würzburg: Triltsch, 1934. – V, 70 S. 7.
- Panagiotis Karkanas et al.: The earliest evidence for clay hearths: Aurignacian features in Klisoura Cave 1, southern Greece. In: Antiquity. Band 78, Nr. 301. Antiquity Publications, September 2004, ISSN 0003-598X, S. 513–525, doi:10.1017/S0003598X00113195 (englisch, researchgate.net [abgerufen am 8. Dezember 2018]).
- Franz-Josef Sehr: Das Feuerlöschwesen in Obertiefenbach aus früherer Zeit. In: Jahrbuch für den Kreis Limburg-Weilburg 1994. Der Kreisausschuss des Landkreises Limburg-Weilburg, Limburg 1993, S. 151–153.
- Christopher Schrader: UN-Millenniumsziele – Energie für die Armen. In: Süddeutsche Zeitung. 23. September 2010 (Volltext [abgerufen am 2. Dezember 2021]).