Klinoptilolith

Klinoptilolith ist die Sammelbezeichnung für eine Gruppe nicht näher spezifizierter Minerale aus der Gruppe der Zeolithe innerhalb der Mineralklasse der „Silikate und Germanate“. Es handelt sich um die Endglieder einer lückenlosen Mischreihe mit folgenden idealisierten Zusammensetzungen:

  • Klinoptilolith-Ca: Ca3(Si30Al6)O72·20H2O[1]
  • Klinoptilolith-K: K6(Si30Al6)O72·20H2O[1]
  • Klinoptilolith-Na: Na6(Si30Al6)O72·20H2O[1]
Klinoptilolith
Radialstrahlige Klinoptilolithkristalle von der Seiser Alm, Südtirol
(Größe: 4,3 × 2,2 × 2,0 cm)
Allgemeines und Klassifikation
Andere Namen

englisch Clinoptilolite[1]

Chemische Formel
  • Klinoptilolith-K: K6(Si30Al6)O72·20H2O[1]
  • Klinoptilolith-Na: Na6(Si30Al6)O72·20H2O[1]
  • Klinoptilolith-Ca: Ca3(Si30Al6)O72·20H2O[1]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Gerüstsilikate (Tektosilikate) – Zeolithgruppe – Blätterzeolith
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

VIII/F.12
9.GE.05
77.01.04.02 (K), 77.01.04.02a (Na) und 77.01.04.02b (Ca)
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe C2/m (Nr. 12)Vorlage:Raumgruppe/12[2]
Gitterparameter siehe Kristallstruktur
Formeleinheiten Z = 1[2]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 3,5 bis 4
Dichte (g/cm3) 2,1 bis 2,2
Spaltbarkeit vollkommen nach {110}
Bruch; Tenazität uneben
Farbe farblos, weiß
Strichfarbe weiß
Transparenz durchsichtig bis durchscheinend
Glanz Glasglanz
Kristalloptik
Brechungsindizes nα = 1,476 bis 1,491
nβ = 1,479 bis 1,493
nγ = 1,479 bis 1,497[3]
Doppelbrechung δ = 0,003 bis 0,006[3]
Optischer Charakter zweiachsig wechselnd
Achsenwinkel 2V = 31 bis 48° (gemessen)[3]
Weitere Eigenschaften
Besondere Merkmale Molekularsieb

Chemisch gesehen handelt es sich also um wasserhaltige Alumosilikate mit Calcium, Kalium bzw. Natrium als verbindenden Kationen. Alle Klinoptilolithe kristallisieren im monoklinen Kristallsystem und gehören strukturell zu den Gerüstsilikaten.

Klinoptilolithe entwickeln meist tafelige Kristalle, kommen aber auch in Form feinkörniger bis massiger Mineral-Aggregate vor. In reiner Form sind Klinoptilolithe farblos und durchsichtig. Durch vielfache Lichtbrechung aufgrund von Gitterbaufehlern oder polykristalliner Ausbildung können sie aber auch weiß erscheinen und durch Fremdbeimengungen eine gelblichweiße bis rötlichweiße Farbe annehmen, wobei die Transparenz entsprechend abnimmt.

Die Gruppe der Klinoptilolithe zählt zu den am häufigsten vorkommenden Zeolithen und spielt industriell eine große Rolle.

Etymologie und Geschichte

Benannt wurde Klinoptilolith in Anlehnung zu dem verwandten Mineral Ptilolith (Mordenit) und seiner im Gegensatz zu diesem schiefen bzw. geneigten Achsenstellung nach dem griechischen Wort κλίνειν [klinein] für neigen.

Erstmals entdeckt wurde Klinoptilolith am Hoodoo Mountain im Park County (Wyoming) in den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) und beschrieben 1923 durch Waldemar Theodore Schaller.[4] Da bei späteren, genaueren Analysen festgestellt wurde, dass es sich beim Klinoptilolith nicht um ein einzelnes Mineral, sondern um eine Mischreihe mit sehr eng verwandten Endgliedern handelte, wurde diese 1997/98 neu definiert und im Zuge einer allgemeinen Überarbeitung der Zeolith-Nomenklatur durch Douglas S. Coombs et al. als Klinoptilolith-Ca, Klinoptilolith-K und Klinoptilolith-Na bezeichnet.[5]

Klassifikation

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der noch als ein Mineral geltende Klinoptilolith zur Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort zur Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate)“, wo er zusammen mit dem ebenfalls noch als ein Mineral geltenden Brewsterit, Heulandit und Stilbit sowie mit Epistilbit und Stellerit die „Heulandit-Stilbit-Gruppe“ mit der System-Nr. VIII/F.12 bildete.

Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) bis 2009 aktualisierte[6] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet Klinoptilolith-Ca, Klinoptilolith-K und Klinoptilolith-Na in die bereits feiner unterteilte Abteilung der „Gerüstsilikate (Tektosilikate) mit zeolithischem H2O; Familie der Zeolithe“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Art der Gerüstbildung, sodass die Minerale entsprechend ihrem Aufbau in der Unterabteilung „Tafeln mit 4-4-1-1 Struktureinheiten“ zu finden sind, wo sie nur noch zusammen mit den Heulanditen die unbenannte Gruppe 9.GE.05 bildet.

Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet Klinoptilolith-Ca, Klinoptilolith-K und Klinoptilolith-Na in die Klasse der „Silikate und Germanate“ und dort in die Abteilung der „Gerüstsilikate: Zeolith-Gruppe“ ein. Hier sind sie zusammen mit den Heulanditen, den Stilbiten sowie Barrerit und Stellerit in der Gruppe „Heulandit und verwandte Arten“ mit der System-Nr. 77.01.04 innerhalb der Unterabteilung der „Echten Zeolithe“ zu finden.

Kristallstruktur

Alle Endglieder der Klinoptiolith-Reihe kristallisieren monoklin in der Raumgruppe C2/m (Raumgruppen-Nr. 12)Vorlage:Raumgruppe/12, unterscheiden sich jedoch geringfügig in ihren Gitterparametern:

  • Klinoptilolith-Ca: a = 17,66 Å; b = 17,96 Å; c = 7,40 Å und β = 116,5°[2]
  • Klinoptilolith-K: a = 17,69 Å; b = 17,90 Å; c = 7,41 Å und β = 116,5°[2]
  • Klinoptilolith-Na: a = 17,63 Å; b = 17,95 Å; c = 7,40 Å und β = 116,3°[2]

bei jeweils einer Formeleinheit pro Elementarzelle.

Bildung und Fundorte

Klinoptilolith ist sedimentären Ursprungs und bildet sich vorrangig aus vulkanischen Ablagerungen wie Tuffen oder vulkanischen Gläsern. Seltener wird Klinoptilolith auch in Hohlräumen anderer vulkanischer Gesteine beobachtet, u. a. Basalte, Andesite oder Rhyolithe.

Bedeutende Fundorte von Klinoptilolith finden sich in der Ukraine, Australien, China sowie den USA, wo sie auch wirtschaftlich von großem Interesse sind. Lokale Vorkommen von Klinoptilolith finden sich u. a. am Vogelsberg, in Franken und in der Steiermark.

Verwendung

Klinoptilolith hat auf Grund seiner Wirkung als Molekularsieb viele Anwendungsgebiete, unter anderem als Additiv für Baustoffe, als Zuschlagstoff im Gartenbau, als Zusatz zu Viehfutter, als Zusatzstoff in Haushaltsmitteln, als Trockenmittel und in der Umwelttechnik.

Großflächen-Anwendung fand Klinoptilolith bei der Nuklearkatastrophe von Tschernobyl. Dort wurde das Mineral einerseits als Ionentauscher in Reinigungsanlagen verwendet, mit denen radioaktiv verseuchte Abwässer behandelt wurden. Andererseits wurde Klinoptilolith dem Viehfutter beigemengt, um als Ionentauscher im Verdauungsbereich radioaktive Kationen wie 137Caesium zu binden und auszuscheiden.[7]

Klinoptilolith wird innerhalb der EU als Medizinprodukt vertrieben und mit wissenschaftlich unbelegten Heilwirkungen verknüpft. Als Nahrungsergänzungsmittel ist er aufgrund der Novel-Food-Verordnung nicht zugelassen. Klinoptilolith wurde daher im Dezember 2011 vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) unter der Schnellwarnungsnummer „2011/1849“ als nicht zugelassene neuartige Lebensmittelzutat in Nahrungsergänzungsmitteln erfasst.[8]

Siehe auch

Literatur

  • Clinoptilolite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 85 kB; abgerufen am 10. März 2022]).
Commons: Clinoptilolite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: March 2022. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, März 2022, abgerufen am 10. März 2022 (englisch).
  2. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 707 (englisch).
  3. Clinoptiolite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 10. März 2022 (englisch).
  4. Waldemar T. Schaller: The Mordenite-Ptilolite group; Clinoptilolite, a new species. In: American Mineralogist. Band 17, Nr. 4, 1932, S. 128–134 (englisch, minsocam.org [PDF; 375 kB; abgerufen am 10. März 2022]).
  5. Douglas S. Coombs, Alberto Alberti, Thomas Armbruster, Gilberto Artioli, Carmine Colella, Ermanno Galli, Joel D. Grice, Friedrich Liebau, Joseph A. Mandarino, Hideo Minato, Ernest H. Nickel, Elio Passaglia, Donald R. Peacor, Simona Quartieri, Romano Rinaldi, Malcolm Ross, Richard A. Sheppard, Ekkehart Tillmanns, Giovanna Vezzalini: Recommended nomenclature for zeolite minerals: Report of the Subcommittee on Zeolites of the International Mineralogical Association, Commission on New Minerals and Mineral Names. In: The Canadian Mineralogist. Band 35, 1997, S. 1571–1606 (englisch, minsocam.org [PDF; 339 kB; abgerufen am 10. März 2022]).
  6. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 10. März 2022 (englisch).
  7. Anna Malsy, Nicola Doebelin: Zeolithe – Entstehung und Vorkommen. Fallbeispiel Tschernobyl. Institut für Geologie der Uni Bern, Bern 18. August 2004, S. 1–12, doi:10.7892/BORIS.86523 (doebelin.org [PDF; 4,6 MB; abgerufen am 10. März 2022]).
  8. Pharmazeutische Zeitung online: Klinoptilolith. Heilmittel oder Humbug?
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