Kleinkastell Henchir Rjijila
Das Kleinkastell Henchir Rjijila, auch als Henschir Rjijila oder Rgigila bekannt, ist ein kleines spätrömisches Militärlager, das für Sicherungs- und Überwachungsaufgaben am rückwärtigen Limes Tripolitanus, einem tiefgestaffelten System von Kastellen und Militärposten,[1] in der römischen Provinz Tripolitania zuständig war. Die Anlage befindet sich auf dem Djebel Rjijila, einem Berg am westlichen Aufstieg zu den Höhenzügen des Hochlandes von Dahar in Südtunesien, Gouvernement Tataouine.
Kleinkastell Henchir Rjijila | |
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Alternativname | Henchir Sidi Rjijila, Hennchir Sidi Rjyila, Hanshir Sidi Rujayjilah |
Limes | Limes Tripolitanus (rückwärtige Linie) |
Abschnitt | Djebel Dahar |
Datierung (Belegung) | 4. Jahrhundert |
Typ | Kleinkastell, Quadriburgus |
Größe | ohne Türme: 17/18 × 21 m (= 0,04 ha); mit Türmen: 32 × 26 m |
Bauweise | Stein |
Erhaltungszustand | verfallene Reste der Umfassungsmauer, im Inneren stark zerstört |
Ort | Henchir Rjijila |
Geographische Lage | 33° 0′ 33,1″ N, 10° 43′ 3″ O |
Vorgelagert | Kastell Talalati (rückwärtige Limeslinie) (westlich) |
Lage
Die Römer errichteten das Kleinkastell östlich von Tatahouine[2] auf einer rund 50 Meter über dem Wadi Fessi, einem der bedeutenderen Wadis in Südtunesien, gelegenen schichtkammartigen Hochebene, die den Eingang zum Djebel Dahar bildet. An dieser strategisch gut gewählten Stelle war ein fast unbegrenzter Blick über die weite Ebene des Wadis Fessi gewährleistet.[3] Lediglich nach Süden ist die Aussicht durch einen kleinen, dort ansteigenden Zeugenberg stark eingeschränkt. Die Besatzung konnte von ihrer Befestigung aus alle Bewegungen kontrollieren, die von den durch Sperrwerke geschützten Pässen der Gebirgsgruppe des Djebel Demmer,[4] über die Jurahauptstufe des Dahar in die flach zur Küste hin einfallende fruchtbare Djeffara-Ebene erfolgten.[5] Das Wadi Ghomrassen durchbricht westlich des Kleinkastells bei Ghomrassen in einer Schlucht die Jurastufe des Dahar,[6] mündet in das Wadi Fessi das wiederum über die weite Ebene in Richtung Osten verläuft.[7]
Forschungsgeschichte
Die verschiedenen, am Djebel Rjijila gelegenen Baureste wurden erstmals von dem französischen Artillerieleutnant Henri Lecoy de La Marche erkannt. Am Fuße des kleinen, nordwestlich orientierten Zeugenbergs, der einen Grat bildet, fand er nördlich und westlich noch etliche Gebäudereste. Unter diesen stach dem Offizier besonders ein großes Bauwerk mit rechteckigen Strukturen ins Auge, das einen Innenhof besaß, in dem in islamischer Zeit Gräber angelegt worden waren. Am 6. März 1894 führte er eine kleinere Ausgrabung an diesem Wehrbau durch.[8] Lecoy de La Marche bemerkte, dass dieses Gebäude „mächtige Mauern“ besaß, die immer noch aufrecht standen. Er konnte bei seinen Grabungen, die er am 12. März 1894 abschloss, jedoch keinen Eingang feststellen.[3] Unterhalb des Berggrats fand Lecoy de La Marche vier Bruchstücke eines antiken Säulenschafts, die 0,75 Meter durchmaßen. Er nahm daher an, dass diese Säule von der Spitze des Berges herabgerollt war. Aus diesem Grund glaubte er in den Bauresten, die sich auf dem höchsten Punkt des Zeugenbergs befanden, ebenfalls römische Ruinen zu erkennen.[8] Der französische Archäologe Pol Trousset, erklärte nach einer Begehung des Djebel Rjijila im Jahr 1974, dass es keinerlei Hinweis darauf gäbe, die unmittelbar auf dem Plateau des Zeugenbergs gelegenen Ruinen als römisch anzusprechen.[3] Im Jahr 1909 schlug der französische Major Raymond Donau (1862–1930) ein Programm für künftige Grabungen in Südtunesien vor, wobei er unter anderem auch eine umfangreiche Ausgrabung am Rjijila als notwendig ansah,[9] die jedoch bis heute nicht stattfand.
Baugeschichte
Umwehrung und Innenbebauung
Nach Meinung des britischen Archäologen David Mattingly könnte es sich bei diesem Kleinkastell um einen Außenposten des Kastells Talalati handeln.[10][11] Die fast quadratische Anlage wurde in der spätantiken Bauart eines Quadriburgus (Vier[türme]burg) errichtet. Sie umfasst ohne die weit aus der Umfassungsmauer hervorkragenden Wehrtürme 17[12] beziehungsweise 18[2] × 21 Meter (= 0,04 Hektar). Werden die rechteckigen Türme dazugerechnet, besitzt die Fortifikation einen Umfang von 32 × 26 Metern.[2] Die vier Ecken der Umfassungsmauer sind ebenso von je einem Turm bewehrt wie möglicherweise auch die vier Flanken. Damit besaß das Bauwerk mindestens sieben Wehrtürme, denn an der westlichen Wehrmauer könnte laut Trousset anstelle eines Turms auch der Eingang bestanden haben. Hier befindet sich auch eine natürliche Esplanade. Lecoy de La Marche glaubte, dass der gesuchte Eingang in den verstürzten Trümmern an der Ostseite zu suchen sei.[8] Das Bruchsteinmauerwerk der Umfassungsmauer ist aus dem anstehendem Sandstein gesetzt, wobei die Kanten der Ecktürme verstärkt sind, da sie aus wesentlich größeren Ecksteinen gemauert wurden. Mit etwas kleineren Werksteinen derselben Art sind zumindest an der Nord- und Ostseite auch die mittleren Partien der Türme bestückt. Trousset fand im Inneren des Quadriburgus einige Bogensteine und das Fragment einer Säulentrommel, doch konnte er keine Spuren einer dazugehörigen Konstruktion mehr erkennen,[3] da die römischen Strukturen des Innenraums nach der islamischen Eroberung des Maghreb durch die Grabeinbauten zerstört worden waren.
Zeitliche Einordnung
Am Djebel Rjijila hat sich bisher keine Inschrift gefunden, jedoch kamen einige wenige kleine spätrömische Münzen und Lampenfragmente des vierten Jahrhunderts n. Chr. aus dem Boden.[2] Zu den untersuchten Keramikproben gehörten gewöhnliche Ware und Sigillaten des spätantiken nordafrikanischen Typs Chiara D,[3] die noch zu Beginn des 5. Jahrhunderts hergestellt wurden.[13] Diese Scherben las Trousset um das Castellum herum sowie nördlich in den Gebäuderesten auf. Zu diesen Funden gehörte auch das Fragment einer mit Palmen verzierten Öllampe des vierten Jahrhunderts n. Chr.[3] Lecoy de la Marche erwähnt bei den von ihm aufgelesenen Münzen ein Stück aus der Regierungszeit des britischen Königs Georg III. (1760–1801). Ein weiteres Stück glaubte er der Regierungszeit des oströmischen Kaisers Konstantin IV. (668–685) zuordnen zu können.[8] Dem widersprach Trousset, da laut seiner Analyse die von Lecoy de la Marche antik datierten Münzen nicht so alt sein konnten.[3] Trousset machte in Zusammenhang mit der Datierung und dem flächenmäßig klein dimensionierten Henchir Rjijila darauf aufmerksam, dass das Kleinkastell Gasr Bularkan in Libyen ein ähnlicher Bau mit herauskragenden Wachtürmen ist, wobei Henchir Rjijila noch kleiner als der Gasr Bularkan (0,05 Hektar) ausfällt.[14]
Literatur
- Néji Djelloul: Les fortifications en Tunisie. Ministère de la Culture, Agence de mise en valeur du Patrimoine et de Promotion Culturelle, Tunis 1999, ISBN 9973-917-33-2, S. 24.
- David Mattingly: Tripolitania. Batsford, London 1995, ISBN 0-7134-5742-2, S. 193–194.
- Olwen Brogan: Some ancient sites in Eastern Tripolitania. In: Libya Antiqua. Annual of the Department of Antiquities of Libya. Band 13–14, 1976–1977. S. 93–129; hier: S. 124.
- Pol Trousset: Recherches sur le limes Tripolitanus, du Chott el-Djerid à la frontière tuniso-libyenne. (Etudes d’Antiquites africaines). Éditions du Centre national de la recherche scientifique, Paris 1974, ISBN 2-222-01589-8. S. 105–106.
- Raymond Donau: Recherches archéologiques effectuées par MM. les officiers des territoires du Sud Tunisien en 1907 et pendant le 1er Semestre de 1908. In: Bulletin archéologique du Comité des travaux historiques et scientifiques 1909, S. 30–50; hier: S. 39, 49–50.
- Paul M. Toussaint: Résumé des reconnaissances archéologiques exécutées par les officiers des brigades topographiques d 'Algérie et de Tunisie pendant la campagne de 1903–1904. In: Bulletin archéologique du Comité des travaux historiques et scientifiques. Paris 1905/1906, S. 234.
- Henri Marie Albert Lecoy de La Marche: Recherche d’unevoie romaine du golfe de Gabès vers Ghadamès, par M. le lieutenant Lecoy de La Marche. In: Bulletin archéologique du Comité des travaux historiques et scientifiques 1894, S. 409–410.
Anmerkungen
- Michael Mackensen: Kastelle und Militärposten des späten 2. und 3. Jahrhunderts am „Limes Tripolitanus“. In: Der Limes 2 (2010), S. 20–24; hier: S. 22.
- Olwen Brogan: Some ancient sites in Eastern Tripolitania. In: Libya Antiqua. Annual of the Department of Antiquities of Libya. Band 13–14, 1976–1977. S. 93–129; hier: S. 124.
- Pol Trousset: Recherches sur le limes Tripolitanus, du Chott el-Djerid à la frontière tuniso-libyenne. (Etudes d’Antiquites africaines). Éditions du Centre national de la recherche scientifique, Paris 1974, ISBN 2-222-01589-8. S. 106.
- Wadi-Skiffa-Clausura (Süd) bei 33° 0′ 32,79″ N, 10° 9′ 45,6″ O ; Wadi-Skiffa-Clausura bei 33° 2′ 16,89″ N, 10° 9′ 12,82″ O ; Chenini-Clausura bei 32° 53′ 32,92″ N, 10° 14′ 37,78″ O ; Wadi-Zraia-Clausura bei 33° 6′ 13,63″ N, 10° 9′ 17,7″ O
- Horst Mensching: Die südtunesische Schichtstufenlandschaft als Lebensraum. In: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft 10, 1963, S. 82–93; hier: S. 83.
- Horst Mensching: Die südtunesische Schichtstufenlandschaft als Lebensraum. In: Mitteilungen der Fränkischen Geographischen Gesellschaft 10, 1963, S. 82–93; hier: S. 86.
- Wadi Ghomrassen bei 33° 3′ 34,11″ N, 10° 20′ 59,85″ O ; Wadi Fessi bei 33° 4′ 31,85″ N, 10° 51′ 37,01″ O
- Henri Lecoy de La Marche: Recherche d’unevoie romaine du golfe de Gabès vers Ghadamès, par M. le lieutenant Lecoy de La Marche. In: Bulletin archéologique du Comité des travaux historiques et scientifiques 1894, S. 409–410.
- Raymond Donau: Recherches archéologiques effectuées par MM. les officiers des territoires du Sud Tunisien en 1907 et pendant le 1er Semestre de 1908. In: Bulletin archéologique du Comité des travaux historiques et scientifiques 1909, S. 30–50; hier: S. 49–50.
- David Mattingly: Tripolitania. Batsford, London 2005, ISBN 0-203-48101-1, S. 314.
- Kastell Talalati bei 32° 59′ 13,29″ N, 10° 20′ 38,75″ O
- David Mattingly: Tripolitania. Batsford, London 2005, ISBN 0-203-48101-1, S. 318.
- Dénes Gabler: Die Terra Sigillata-Forschung seit István Paulovics. In: Acta Classica Universitatis Scientiarum Debreceniensis 30, 1994 (1995), S. 83–105; hier: S. 101.
- Olwen Brogan: Some ancient sites in eastern Tripolitania. In: Libya Antiqua 13–14 (1976–1977), 1984, S. 93–129; hier S. 124.
- Néji Djelloul: Les fortifications en Tunisie. Ministère de la Culture, Agence de mise en valeur du Patrimoine et de Promotion Culturelle, Tunis 1999, ISBN 9973-917-33-2, S. 24.