Kleine (Orgelbauerfamilie)

Die Familie Kleine aus Freckhausen im Bergischen Land war eine Orgelbauerfamilie, die im 18. Jahrhundert in zwei Generationen im Rheinland, in Westfalen und auch in Nordhessen tätig war. Ihre Erben und Nachfolger waren Georg Wilhelm Christian Roetzel und dessen Nachfahren.[1]

Familie

Ältester als Orgelbauer nachweisbarer Vertreter der Familie war der um 1693 in Freckhausen geborene und dort im November 1773 verstorbene Johann Henrich Klein(e). Er erlernte den Beruf des Orgelbauers in den Jahren 1713 bis 1721 bei Peter Weidtmann d. Ä. (1647–1715) und dessen Sohn Thomas Weidtmann (1675–1745) in Ratingen, den ersten evangelischen Orgelbauern im Rheinland. Dort kam er auch mit dem niederländischen Orgelbau indirekt und direkt in Berührung; er war wahrscheinlich 1719 beim Aufbau der Orgel in der Remonstrantse Kerk[2] von Amsterdam beteiligt und betrieb dort eigene Studien.[3] 1721 oder 1722 eröffnete er eine eigene Werkstatt in Freckhausen. Seiner in den 1730er Jahren geschlossenen Ehe mit Gertraud (Gerdraut) Veltgen († 1788) aus Sotterbach entstammten fünf Kinder: Anna Katharina, Johann Christian, Johann Gerhard, Wilhelm und eine bereits früh verstorbene weitere Tochter.

Anna Katharina Kleine (1744–1807) heiratete 1770 den aus Altenkirchen im Westerwald stammenden Sigismund Andreas Ernst Roetzel (1728–1807), der ebenfalls Orgelbauer wurde. Bei der Erbteilung 1784/1785 erhielt sie das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts von den Kleines erworbene Gut Sotterbach. Wilhelm Kleine, der jüngste Sohn, überließ seinen Anteil am Freckhausener Anwesen der Familie gegen eine Zahlung von 1425 Reichstalern seinen Brüdern und verzog nach Solingen.

Johann Christian Kleine (1737–1805), verheiratet seit etwa 1768 mit Regina Wilhelmina geb. Schoelers (1747–1784), und Johann Gerhard Kleine (1741–1787), verheiratet seit 1783 mit Maria Margareta geb. Dümpelmann, übernahmen 1768 die väterliche Werkstatt und führten sie nach dem Tod ihres Vaters weiter. Die Werkstatt sollte 1786/1787 zwischen den beiden geteilt werden, wozu es aber wegen des 28. Juli 1787 erfolgten Todes von Johann Gerhard Kleine nicht mehr kam. Johann Christian Kleine, der am 2. April 1805 verstarb, hinterließ eine von ihm angelegte umfangreiche Dispositionssammlung,[4] in der die bis 1787 gelieferten Werke die Gebrüder Kleine als Erbauer erscheinen, während danach nur Johann Christian Kleine genannt wird. Dieser hatte ein für seine Zeit ungewöhnlich ausgeprägtes Interesse an der Theorie seines Handwerks; davon zeugen seine zahlreichen Aufzeichnungen und seine einschlägige Büchersammlung, die einen Großteil der damals bekannten Werke zum Thema Orgelbau umfasste.

Sein Nachfolger wurde sein Neffe Georg Wilhelm Christian Roetzel (1776–1867). Dieser war 1793–1798 Lehrling bei seinem Onkel und arbeitete danach als Geselle in Kassel, Hannover und Leipzig. Er kehrte im Jahre 1800 nach Freckhausen zurück, übernahm 1803 die Werkstatt des Onkels und verlegte diese 1806 nach Alpe.

Werke (Auswahl)

Kursivschreibung gibt an, dass die Orgel nicht oder nur noch das historische Gehäuse erhalten ist. In der fünften Spalte bezeichnet die römische Zahl die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal. Die arabische Zahl gibt die Anzahl der klingenden Register an. Die letzte Spalte bietet Angaben zum Erhaltungszustand oder zu Besonderheiten.

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1733 Olpe katholische Pfarrkirche St. Martinus Johann Henrich Kleine; nicht erhalten
1736–1739 Oberkirchen (Schmallenberg) St.-Gertrudis-Kirche
II/P 19 Johann Henrich Kleine; erhalten
1745 Kohlhagen Pfarr- und Wallfahrtskirche St. Mariä Heimsuchung I/P 15 Johann Heinrich Kleine zugeschrieben. 1825 Verlegung des Spieltisches von der Rückseite an die Nordseite des Gehäuses und Erweiterung der Klaviatur durch Anbau zweier seitlicher Flachfelder von Orgelbauer Gerhard Nohl.[5]
1756 Irmgarteichen St. Cäcilia I/p 13 Johann Henrich und Johann Christian Kleine; nicht erhalten
1764 Altena Lutherkirche
II/P 30 Johann Henrich und Johann Christian Kleine; Prospekt erhalten
1765 Lieberhausen evangelische Kirche
Johann Henrich Kleine; Gehäuse erhalten
1768 Ohle evangelische Kirche I 8 Johann Henrich Kleine; erhalten
1770 Oberorke evangelische Kirche
I/P 6 Gebr. Kleine; erhalten, → Orgel
1775 Neunkirchen (Siegerland) evangelische Kirche Gebr. Kleine; Gehäuse erhalten[6]
1778/1779 Lennep evangelische Stadtkirche
II/P 33 Gebr. Kleine; 1890 wurde sie im Zusammenhang mit dem Kauf einer neuen Sauer-Orgel in Lennep ausgebaut und der evangelischen Kirche in Hausen (Hunsrück) gestiftet, wo sie 1903 platziert wurde. 1966 erfolgte ihre Rückkehr nach Lennep.[7]
1779 Bergneustadt evangelische Kirche
Gebr. Kleine; Gehäuse erhalten
1780 Burbach evangelisch-reformierte Kirche I/P 15 Gebr. Kleine; Gehäuse und acht Register erhalten[8]
1783 Hagen Johanniskirche II/P 40 Gebr. Kleine; nicht erhalten
1785 Gummersbach evangelische Kirche II/P 35 Gebr. Kleine; Gehäuse erhalten
1786 Rönsahl Servatiuskirche
Die Kleine-Orgel in Rönsahl
Die Kleine-Orgel in Rönsahl
Gebr. Kleine; 1892 erweitert durch Richard Bach; erhalten[9]
1787 Drolshagen katholische Stadtkirche St. Clemens
I/P 19 Gebr. Kleine; Gehäuse erhalten
1791 Mülheim am Rhein Friedenskirche II/P 27 Johann Christian Kleine; nicht erhalten[10][11]
1792 Lüdenscheid Erlöserkirche II/P 34 Johann Christian Kleine; nicht erhalten. Lt. seiner eigenen Dispositionsaufzeichnungen (Lutherische Kirche zu Lüdenscheid) gebaut 1790, Schnarrwerke 1792 ergänzt und vollendet (vgl. Literatur bei Bullmann s.u.).
1793 Attendorn Franziskaner Kloster-Kirche
I/P 8 Johann Christian Kleine; 1829 Verkauf nach Wissen, katholische Pfarrkirche Kreuzerhöhung[12]
1787/1788, 1794/1795 Eckenhagen evangelische Kirche
II/P 32 Johann Christian Kleine; 2008 restauriert; in umgebauter und erweiterter Form erhalten[13][14][15]

Einzelnachweise

  1. Franz-Josef Vogt: Zur Orgelgeschichte der ev. Kirche in Eckenhagen: Die Orgelbauerfamilie Kleine (Memento des Originals vom 20. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.evk-eckenhagen.de.
  2. 1630 an der Keizersgracht im Stadtteil Vrijburg erbaut und noch bis 1957 genutzt; 1932/1933 durch den Neubau der Nieuwe Kerk oder auch Tweede Remonstrantse Kerk an der Diepenbrockstraat ersetzt.
  3. Dies belegen seine Zeichnungen von Schleierbrettern, die er bei seinem Aufenthalt in Amsterdam anfertigte.
  4. „Einige Orgel-Abentheuren / welche der Orgel-Bauer Kleine / bestanden: zum Nutzen und / Frommen den künftigen / Orgelbauern vorgestellt: / damit sie in gleichen Fällen /solche greulichen Abentheuer / nachahmend tapfer / bestehen mögen.“ So betitelte er eine Sammlung von Erlebnissen, die er handschriftlich in einem Buch mit gesammelten Orgeldispositionen festhielt. (Audio-CD Eckenhagen).
  5. Gabriel Isenberg: Orgeln im Kreis Olpe, 2018.
  6. Matthias Dahlhoff: Geschichte der Grafschaft Sayn und der Bestandtheile derselben. Dillenburg 1874, S. 293, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  7. Lennep, Evangelische Stadtkirche, Disposition.
  8. Matthias Dahlhoff: Geschichte der Grafschaft Sayn und der Bestandtheile derselben. Dillenburg 1874, S. 309, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  9. Christoph Luyken: Rönsahl und seine Kleine-Orgel 1786–2012. (Hrsg.: Ev. Kirchengemeinde Rönsahl). Selbstverlag, Rönsahl 2012.
  10. Evangelische Kirchengemeinde Mülheim am Rhein
  11. Die Brücke in Mülheim am Rhein 1/2017: Geschichte der Orgeln in unserer Friedenskirche, S. 8–11.
  12. Nachdem der Wissener Stadtbrand 1788 die Kirche und deren Orgel zerstört hatte, kaufte die Pfarrgemeinde 1829 das von Johann Christian Kleine erbaute 8-registrige Orgelwerk aus der Franziskanerkirche Attendorn. Dessen Neffe Christian Roetzel errichtete sie in Wissen. 1848 vereinigte der Orgelbauer Hermann Loos aus Siegen die ehemalige Wetzlarer Domorgel mit 22 Registern mit der Orgel aus Attendorn, sodass die Pfarrkirche Kreuzerhöhung im Oktober 1849 ein 2-manualiges Instrument mit 29 Registern hatte. (Die Hauptorgel in Kreuzerhöhung, bei KirchenMuSieg, Kirchenmusik im Seelsorgebereich „Obere Sieg“).
  13. Franz-Josef Vogt: Zur Orgelgeschichte der ev. Kirche in Eckenhagen (Memento des Originals vom 20. Januar 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.evk-eckenhagen.de.
  14. Johann Christian Kleine erschuf die Barockorgel Eckenhagen, ein wichtiges Denkmal in unserer oberbergischen Heimat (Memento des Originals vom 24. Januar 2020 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.barockorgel-eckenhagen.de,
  15. Audio-CD Eckenhagen.

Literatur

  • Siegfried Hillenbach, Klaus Pampus (Hrsg.): Orgeln in oberbergischen Kirchen (Beiträge zur oberbergischen Geschichte, Sonderband 3). Gummersbach 2004.
  • Franz Gerhard Bullmann: Die Rheinischen Orgelbauer Kleine, Roetzel, Nohl. Leben und Werk einer Orgelbauerfamilie des l8. und 19. Jahrhunderts im rheinischen und südwestfälischen Raum, Teil I (= Schriften zur Musik. Band 6). Musikverlag Katzbichler, München 1969.
  • Franz Gerhard Bullmann: Die rheinischen Orgelbauer Kleine – Roetzel – Nohl. Teil II: Quellen zur Orgelbaugeschichte (= Schriften zur Musik Band 7). Musikverlag Katzbichler, München 1974, ISBN=3-87397-007-4.
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