Kleestadt

Kleestadt (im lokalen Dialekt: Kläscht)[3] ist ein Stadtteil von Groß-Umstadt im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg am nördlichen Rand des Odenwaldes. Das Haufendorf liegt auf einer Höhe von 175 m ü. NHN etwa 4 km nordöstlich des Stadtkerns von Groß-Umstadt.

Panorama der Untermainebene von den letzten Odenwald Ausläufern (Binselberg) auf Klein-Umstädter Gemarkung mit zentralen Blick auf Kleestadt und in die östliche Dieburger Bucht (Gersprenzniederung) bis zur Skyline von Frankfurt, begrenzt am Horizont vom Taunus
Kleestadt
Wappen der früheren Gemeinde Kleestadt
Koordinaten: 49° 54′ N,  57′ O
Höhe: 175 m ü. NHN
Fläche: 6,54 km²[1]
Einwohner: 1442 (Dez. 2019)[2]
Bevölkerungsdichte: 220 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. Januar 1977
Postleitzahl: 64823
Vorwahl: 06078
Karte
Lage von Kleestadt in Groß-Umstadt

Geschichte

Torhaus (ehem. Rathaus)
Kirche und Torhaus
Alter Brückenstein über den Kleestädter Bach oberhalb des Friedhofes

Ortsgeschichte

Die älteste bekannte Erwähnung von Cletstat datiert um 1222. In historischen Dokumenten späterer Zeit ist der Ort unter folgenden Ortsnamen belegt (in Klammern das Jahr der Erwähnung):[1] Cletestat (um 1250); Clettestat (um 1250); Clestad (1274); Cletstad (um 1290); Clepstat (1319); Clestad (1346); Cletstadt (1432); Cletstat (1482); Kletstat (1495); Cloestadt (1516); Cletstat (1544); Clettstadt (1554); Clesstatt (1616); Kleestadt (17. Jahrhundert).

Der Ort gehörte ursprünglich zur „Zent Umstadt“ und dem Kloster Fulda, wurde zusammen mit anderen Dörfern der Umgebung 1374 an die Herrschaft Hanau verpfändet und gehörte, nachdem die Kurpfalz in dieses Pfandgeschäft mit eingestiegen war, ab 1427 zum Kondominat Umstadt. Bei einem Vergleich zwischen der Landgrafschaft Hessen, der Kurpfalz und der Grafschaft Hanau-Lichtenberg gelangte der Ort schließlich 1521 insgesamt an Hanau und wurde dort dem Amt Babenhausen zugeschlagen.[4][5] Grundbesitzer im Dorf sind unter anderen die Familien derer von Eppstein und die Propstei Neuenberg des Klosters Fulda.

Mitte des 16. Jahrhunderts führte Graf Philipp IV. von Hanau-Lichtenberg die Reformation ein.

Nach dem Tod des letzten Hanauer Grafen, Johann Reinhard III., 1736, erbte Landgraf Friedrich I. von Hessen-Kassel aufgrund eines Erbvertrages aus dem Jahr 1643 die Grafschaft Hanau-Münzenberg. Aufgrund der Intestaterbfolge fiel die Grafschaft Hanau-Lichtenberg dagegen an den Sohn der einzigen Tochter von Johann Reinhard III., Landgraf Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt. Umstritten zwischen den beiden Erben war die Zugehörigkeit des Amtes Babenhausen und seiner Dörfer zu Hanau-Münzenberg oder zu Hanau-Lichtenberg. Es kam fast zu einer kriegerischen Auseinandersetzung, als Hessen-Kassel mit schon sorgsam in Hanau stationiertem Militär den größten Teil des Amtes Babenhausen besetzte, auch Kleestadt. Die Auseinandersetzung konnte erst nach einem langjährigen Rechtsstreit vor den höchsten Reichsgerichten 1771 mit einem Vergleich beendet werden, dem so genannten Partifikationsrezess. Kleestadt wurde darin Hessen-Kassel zugesprochen. Im Jahr 1807 kam das Amt Babenhausen infolge der Napoleonische Kriege unter französische Verwaltung, durch einen Staatsvertrag mit Frankreich 1810 dann aber an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt.

Die Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen berichtet 1829 über Kleestadt:

„Kleestadt (L. Bez. Dieburg) luth. Pfarrdorf; liegt 2 St. von Dieburg und 114 St. von Umstadt, und hat 98 Häuser und 556 Einw., die außer 15 Kath. und 9 Juden lutherisch sind. Die Kirche ist im 15. Jahrhundert erbaut worden. Hier sind bedeutende Torfgräbereien, in welchen jährlich über 200,000 Stücke Torf gestochen werden. – Dieser Ort, dessen Namen wohl aus Kletto entstanden seyn dürfte, war frühzeitiges Eigenthum der Dynasten von Eppenstein. Im Jahr 1270 wird er von Gottfried von Eppenstein als Witthum, an Elisabethe von Nassau, Gemahlin Gerhard II. von Eppenstein gegeben, und 1403 verkaufte ihn ein Gottfried von Eppenstein an Herrmann von Carben und Conrad Krieg von Altheim wiederkäuflich. Dieser Wiederkauf erfolgte; denn 1425 verkaufte ihn Gottfried von Eppenstein an Reinhard II., Grafen zu Hanau, und 1521 wurde der Ort von Graf Philipp III. von Hanau seiner Herrschaft Babenhausen einverleibt. Nach dem Ausgang der Hanau–Lichtenbergischen Linie, 1736, wurde diese Herrschaft durch die Vergleiche von 1762 und 1771 zwischen den beiden Häusern Hessen getheilt, und Kleestadt fiel an Hessen–Cassel. Im Jahr 1807 wurde der Hessen Casselsche Antheil am Amt Babenhausen von Frankreich in Beschlag genommen, und solcher dem 1810 errichteten Großherzogthum Frankfurt zugetheilt, welches aber dieses Amt noch in demselben Jahre an Hessen-Darmstadt überließ.“[6]

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Im Zuge der Gebietsreform in Hessen wurden zum 1. Januar 1977 die bis dahin selbständigen Gemeinden Groß-Umstadt, Dorndiel, Heubach, Kleestadt, Klein-Umstadt, Richen und Semd durch das Landesgesetz zur Neugliederung der Landkreise Darmstadt und Dieburg und der Stadt Darmstadt zur neuen Stadt Groß-Umstadt zusammengeschlossen.[7][8] Für Kleestadt sowie für die übrigen eingegliederten Gemeinden wurden Ortsbezirke mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung gebildet.[9]

Verwaltungsgeschichte im Überblick

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Kleestadt angehört(e): [1][10][11]

Bevölkerung

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Kleestadt 1413 Einwohner. Darunter waren 54 (3,8 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 600 Einwohner unter 18 Jahren, 312 waren zwischen 18 und 49, 312 zwischen 50 und 64 und 270 Einwohner waren älter.[13] Die Einwohner lebten in 585 Haushalten. Davon waren 147 Singlehaushalte, 165 Paare ohne Kinder und 204 Paare mit Kindern, sowie 57 Alleinerziehende und 15 Wohngemeinschaften. In 111 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 393 Haushaltungen lebten keine Senioren.[13]

Einwohnerentwicklung

 1829:556 Einwohner, 98 Häuser[6]
 1867:562 Einwohner, 97 Häuser[14]
Kleestadt: Einwohnerzahlen von 1829 bis 2019
Jahr  Einwohner
1829
 
556
1834
 
580
1840
 
582
1846
 
578
1852
 
549
1858
 
533
1864
 
554
1871
 
545
1875
 
546
1885
 
536
1895
 
493
1905
 
501
1910
 
518
1925
 
543
1939
 
547
1946
 
718
1950
 
774
1956
 
790
1961
 
841
1967
 
984
1970
 
1.059
1980
 
?
1990
 
?
2005
 
1.547
2011
 
1.413
2016
 
1.480
2019
 
1.442
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: LAGIS[1]; Stadt Groß-Umstadt[15]; Zensus 2011[13]

Historische Religionszugehörigkeit

 1829:532 lutheranische (= 95,68 %), 9 jüdische (= 1,62 %) und 15 katholische (= 2,70 %) Einwohner[6]
 1961:675 evangelische (= 80,26 %), 145 katholische (= 17,24 %) Einwohner[1]

Politik

Für Kleestadt besteht ein Ortsbezirk (Gebiete der ehemaligen Gemeinde Kleestadt) mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung.[9] Der Ortsbeirat besteht aus sieben Mitgliedern. Seit den Kommunalwahlen 2021 gehören ihm drei Mitglieder der SPD, zwei Mitglieder der CDU ein Mitglied des Bündnis 90/Die Grünen und ein Mitglied der BVG (Bürgervereinigung Groß-Umstadt e.V.) an. Ortsvorsteher ist Marina Glorius (SPD).[16]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Kulturdenkmäler

Siehe Liste der Kulturdenkmäler in Kleestadt

Kirche

Eine Kapelle bestand in Kleestadt vor 1482, an der ab diesem Jahr auch ein Kleriker tätig war. Das Patrozinium der Kapelle lag bei Maria. Die Kapelle war bis 1560 eine Filialkirche von Groß-Umstadt und wurde dann zu einer eigenen Pfarrei. Kirchliche Mittelbehörde war das Archidiakonat St. Peter und Alexander in Aschaffenburg, Landkapitel Montat. Das Patronatsrecht lag bei den Grafen von Hanau-Lichtenberg, die hier Mitte des 16. Jahrhunderts die Reformation einführten. Kleestadt wurde lutherisch.

Regelmäßige Veranstaltungen

Persönlichkeiten

Literatur

  • Barbara Demandt: Die mittelalterliche Kirchenorganisation in Hessen südlich des Mains (= Schriften des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde 29). 1966, S. 123.
  • Max Herchenröder: Die Kunstdenkmäler des Landkreises Dieburg. 1940, S. 169 ff.
  • Wilhelm Müller: Hessisches Ortsnamenbuch. Band 1: Starkenburg. 1937, S. 383 ff.
  • Hans Georg Ruppel (Bearb.): Historisches Ortsverzeichnis für das Gebiet des ehem. Großherzogtums und Volksstaats Hessen mit Nachweis der Kreis- und Gerichtszugehörigkeit von 1820 bis zu den Veränderungen im Zuge der kommunalen Gebietsreform (= Darmstädter Archivschriften 2). 1976, S. 126.
  • Regina Schäfer: Die Herren von Eppstein. Herrschaftsausübung, Verwaltung und Besitz eines Hochadelsgeschlechts im Spätmittelalter. Wiesbaden: Historische Komm. für Nassau, 2000, S. 372–374, 378–379. ISBN 3-930221-08-X.
  • Dagmar Söder: Kulturdenkmäler in Hessen. Kreis Offenbach (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland). 1987, S. 257 ff.
  • Paul Wagner: Die Eppsteinschen Lehnsverzeichnisse und Zinsregister des 13. Jahrhunderts nach dem eppsteinischen Lehenbuche. Mit Beiträgen zur ältesten Geschichte des Hauses Eppstein (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau 8). Wiesbaden 1927, S. 28 f.
  • Literatur über Kleestadt nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie
  • Suche nach Kleestadt. In: Archivportal-D der Deutschen Digitalen Bibliothek
Commons: Kleestadt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen und Einzelnachweise

Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter und frühen Gerichte sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Infolge der Napoleonische Kriege.
  3. Das Großherzogtum Hessen war von 1815 bis 1866 Mitglied des Deutschen Bundes. Ein Staatenbund ehemaliger Territorien des Heiligen Römischen Reichs. Er gilt als gescheiterter Versuch einer erneuten Reichsgründung.
  4. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Umstadt) und Verwaltung.
  5. Im Zuge der Gebietsreform 1938 wurde die Provinz Starkenburg aufgelöst.
  6. Infolge des Zweiten Weltkriegs.
  7. Am 1. Januar 1977 als Ortsbezirk zur Stadt Gross-Umstadt.

Einzelnachweise

  1. Kleestadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Stadtteile. Stadt Groß-Umstadt, archiviert vom Original am 28. Januar 2024; abgerufen am 1. Februar 2024.
  3. Darmstädter Echo, Montag, 22. August 2016, S. 22
  4. Willi Alter (Hrsg.): Pfalzatlas. Textband I. Speyer: Pfälzische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften 1964, S. 426: Oberamt Umstadt (Memento vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive)
  5. Karte 2k (Memento vom 29. Oktober 2013 im Internet Archive) und Uta Löwenstein: Grafschaft Hanau. In: Ritter, Grafen und Fürsten – weltliche Herrschaften im hessischen Raum ca. 900-1806 = Handbuch der hessischen Geschichte 3 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 63. Marburg 2014. ISBN 978-3-942225-17-5, S. 196–230 (205); anders: Kleestadt, Landkreis Darmstadt-Dieburg. Historisches Ortslexikon für Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).: 1402 verpfänden Gottfried und Eberhard von Eppstein das Dorf Kleestadt für 1000 Gulden. 1425 verkauft Gottfried von Eppstein das Dorf mit Zustimmung seines Bruders Eberhard für 3000 Gulden Reinhard von Hanau, wovon 1000 Gulden Konrad Krieg erhalten soll.1432 gehört Kleestadt zum Burg Breuberg. 1521 wird Kleestadt der Herrschaft Babenhausen [gemeint ist: Amt Babenhausen] einverleibt.
  6. Georg Wilhelm Justin Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Starkenburg. Band 1. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt Oktober 1829, OCLC 312528080, S. 123 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. Karl-Heinz Gerstemeier, Karl Reinhard Hinkel: Hessen. Gemeinden und Landkreise nach der Gebietsreform. Eine Dokumentation. Hrsg.: Hessischer Minister des Inneren. Bernecker, Melsungen 1977, OCLC 180532844, S. 231.
  8. Gesetz zur Neugliederung der Landkreise Darmstadt und Dieburg und der Stadt Darmstadt (GVBl. II 330–334) vom 26. Juli 1974. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen. 1974 Nr. 22, S. 318, § 14 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 1,5 MB]).
  9. Hauptsatzung. (PDF; 97 kB) §; 5. In: Webauftritt. Stadt Groß-Umstadt, abgerufen im Juni 2022.
  10. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  11. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 1. Großherzoglicher Staatsverlag, Darmstadt 1862, OCLC 894925483, S. 43 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  12. Gesetz über die Aufhebung der Provinzen Starkenburg, Oberhessen und Rheinhessen vom 1. April 1937. In: Der Reichsstatthalter in Hessen Sprengler (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1937 Nr. 8, S. 121 ff. (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 11,2 MB]).
  13. Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 14 und 68, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 11. Juli 2021;.
  14. Ph. A. F. Walther: Alphabetisches Verzeichniss der Wohnplätze im Grossherzogtum Hessen. G. Jonghaus, Darmstadt 1869, OCLC 162355422, S. 46 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  15. Stadtteile. In: Webauftritt. Stadt Groß-Umstadt, archiviert vom Original; abgerufen im Februar 2021.
  16. Ortsbeirat Kleestadt. In: Webauftritt. Stadt Groß-Umstadt, abgerufen im Juni 2022.
  17. Darmstädter Echo, Montag, 22. August 2016, S. 22
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