Klassische Reitkunst
Die Klassische Reitkunst ist die reiterliche Präsentation eines Pferdes, bei der das Pferd durch eine logische und psychologische Ausbildung gymnastiziert werden soll.
Klassische Reitkunst
Der Begriff „klassische Reitkunst“ bezieht sich nicht auf die kulturgeschichtliche Epoche der Klassik, sondern auf deren Status als Klassiker (= allgemeingültig / modeunabhängig).[1]
„Idealerweise und theoretisch sollte es keinen Unterschied zwischen der klassischen Schule und dem Dressursport geben: In der Praxis ist er jedoch vorhanden. … Das Ziel der klassischen Schule ist es, das Pferd durch eine logische und psychologische Ausbildung zu gymnastizieren. Der Dressursport möchte den Pferden Lektionen für den Wettbewerb beibringen.“
Die von der FN in den 1950er-Jahren entwickelte Ausbildungsskala fasst eine Reihe von Prinzipien bei der Pferdeausbildung zusammen:
- Takt
- Losgelassenheit
- Anlehnung
- Schwung
- Geraderichtung
- Versammlung
Sie findet vor allem im deutschsprachigen Raum als Richtschnur Verwendung. In der klassischen Reitkunst werden Lektionen aus der barocken Reitkunst (Piaffe, Passage) sowie später formulierte Übungen (Serienwechsel, Trabverstärkung) gelehrt und in einer von großem Schwung und Raumgriff geprägten Weise ausgeführt.
In der klassischen Reitkunst geht man die Pferdeausbildung in folgenden drei Etappen vonstatten:
- die Remonteschule
- die Campagneschule
- die Hohe Schule
Die bekanntesten öffentlichen Stätten der klassischen Reitkunst sind:
- die Spanische Hofreitschule in Wien, Österreich
- die Ecole Nationale d'Equitation in Terrefort bei Saumur, Frankreich, mit dem Cadre Noir
- das Reitinstitut Egon von Neindorff in Karlsruhe, Deutschland
- die Anja Beran Stiftung in Bidingen, Deutschland
- die Fürstliche Hofreitschule in Bückeburg, Deutschland
Andere Formen der Reitkunst sind zum Beispiel barocke Reitkunst und Doma Clásica.
Geschichte und Entwicklung
Die ältesten Zeugnisse von Reitkunst lassen sich bis ins antike Griechenland zu Reitmeister Xenophon (um 400 v. Chr.) zurückverfolgen. Die Reitkunst diente zur Ertüchtigung von Kriegspferden und zu Paradezwecken.[2]
Allgemein steht die Reitkunst im Spannungsfeld zwischen dem künstlerischen Anspruch (das Pferd als Kunstobjekt „l'art pour l'art“) einerseits und dem praktischen Einsatz des Pferdes für bestimmte Dienstzwecke. Solinski geht so weit, die Reiterei in eine zweckfreie Freizeitreiterei (zu der auch der Reitsport gehört) und eine praxisbezogene Nutzreiterei (in der Bückeburger Hofreitschule angewandte Reitkunst genannt[3]) zu unterteilen.[4]
Als Scheidepunkte der Reitkunst sind folgende (chronologisch geordneten) Entwicklungen anzusehen:
- das Aufeinandertreffen der leichten Reiterei (Hannibal) und der schweren Reiterei (iberische Stämme) in der Schlacht am Tajo 220 v. Chr.
- die fortschreitende Veränderung des Militärwesens durch die Verbreitung der Feuerwaffen 15. bis 16. Jahrhundert
- das Mäzenatentum der absolutistischen Herrscher für Künste aller Art im 17. und 18. Jahrhundert
- dessen abrupter Untergang mit der Französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts
- die „Anglomanie“[5] genannte Zuchtauswahl und Bevorzugung englischer Vollblüter im 19. Jahrhundert
- die Einführung großer Kavallerieeinheiten und die Notwendigkeit einer Schnellausbildung für Reiter und Pferd im 19. und Anfang 20. Jahrhundert
- die Entscheidung, den Reitsport auf den Prinzipien der Militärreiterei aufzubauen im 20. Jahrhundert
- die Trivialisierung der Reiterei als Breitensport 20. Jahrhundert
Siehe auch
Literatur
- Otto Baron Digeon von Monteton: Über die Reitkunst (Documenta hippologica). Olms, Hildesheim 1995, ISBN 3-487-08346-9 (2 Bände in einem Band, Nachdr. d. Ausg. Stendal 1877/79).
- Johann Christian Ginzrot: Die Wagen und Fahrwerke der Griechen und Römer und anderer alten Völker. Nebst der Bespannung, Zäumung und Verzierung ihrer Zug-, Reit- und Last-Thiere (Documenta hippologica). Olms, Hildesheim 1979 (Nachdr. d. Aug. München 1817, 2 Bde., übersetzt von Louis-Charles M. Dupaty de Clam).
- Textband. 1979, ISBN 3-487-08177-6.
- Tafelband. 1979, ISBN 3-487-08178-4.
- Ludwig Koch: Die Reitkunst im Bilde (Documenta hippologica). Olms, Hildesheim 1976, ISBN 3-487-08125-3 (Nachdr. d. Ausg. Wien 1923).
- Max Lochner: Ausbildung von Reitpferden und Reitern, Bd. 1. E. S. Mittler, Mainz 1915.[6]
- Wilhelm Müseler (Begr.), Kurd A. von Ziegner (Bearb.): Reitlehre. 48. Aufl. Müller-Rüschlikon, Stuttgart 2006, ISBN 3-275-01513-3.
- Michaela Otte: Geschichte des Reitens. Von der Antike bis zur Neuzeit. FN-Verlag, Warendorf 1994, ISBN 3-88542-255-7.
- Alois Podhajsky: Die klassische Reitkunst. Die Reitlehre von den Anfängen bis zur Vollendung. Neuaufl. Kosmos, Stuttgart 1998, ISBN 3-440-07527-3 (Nauchdr. d. Ausg. München 1965).
- Berthold Schirg: Reitkunst im Spiegel ihrer Meister, Bd. 1 (Documenta hippologica). Olms, Hildesheim 1987, ISBN 3-487-08285-3.
- Waldemar Seunig: Von der Koppel bis zur Kapriole. Die Ausbildung Reitpferdes (Documenta hippologica). Olms, Hildesheim 2001, ISBN 3-487-08348-5 (Nachdr. d. Ausg. Berlin 1943).
- Sadko Solinski: Reiter, Reiten, Reiterei. Die Grundlagen pferdegemässen Reitens. Olms, Hildesheim 1993, ISBN 3-487-08248-9.
- Peter Spohr: Die Logik in der Reitkunst. Vier Teile in einem Band (Documenta hippologica). Olms, Hildesheim 1979, ISBN 3-487-08187-3 (Nachdr. d. Ausg. Stuttgart 1903/09)[7]
- Gustav Steinbrecht (Begr.), Paul Plinzner (Hrsg.): Das Gymnasium des Pferdes. 16. Aufl. Georgi, Aachen 1995, ISBN 3-87248-038-3 (Nachdr. d. Ausg. Potsdam 1935, EA 1884).
- Richard Wätjen: Dressurreiten. Ein Leitfaden für die Ausbildung von Reiter und Pferd. 8. Aufl. Parey, Hamburg 1978, ISBN 3-275-01150-2.[8]
Weblinks
Einzelnachweise
- Berthold Schirg: Reitkunst im Spiegel ihrer Meister, Bd. 1.
- Xenophon: Reitkunst. In: Johann C. Ginzrot: Die Wagen und Fahrwerke der Griechen und Römer, Bd. 1.
- Fürstliche Hofreitschule Bückeburg (Hrsg.): Schulen und Touren der barocken Reitkunst. Bückeburg 2011 (1 DVD, 45 Min.).
- Sadko Günter Solinski: Reiter, Reiten, Reiterei. Grundlagen pferdegemäßen Reitens.
- Otto Digeon von Monteton: Über die Reitkunst.
- Es scheint, dass mehr als dieser erste Band nie veröffentlicht wurde.
- Inhalt: Über die Beziehungen der Reit- und Dressurhilfen zu der anatomischen Mechanik des Pferdes. Die elementare Reitdressur auf Grund der mit der Mechanik des Pferdes übereinstimmenden Hilfen. Die rationelle Korrektur schwieriger, verdorbener und bösartiger Pferde. Die Hohe Schule und ihre Beziehungen zur Kampagnereiterei.
- die 1. bis 3. Aufl. erschien unter dem Titel: Dressur des Reitpferdes für Turnier und Hohe Schule; die 4. Aufl. erschien unter dem Titel: Reitkunst in Wort und Bild und ab der 5. Aufl. unter dem Titel: Dressurreiten.