Flaschengärung
Die Flaschengärung ist ein Verfahren zur Herstellung von Schaumwein, Apfelschaumwein oder Bier, bei dem ein Teil des Gärvorgangs in der Flasche stattfindet, um später ein Mousseux (Schäumen) zu erhalten. Beim Schaumwein unterscheidet man die klassische Flaschengärung und das Transvasierverfahren.
Klassische Flaschengärung
Bei der klassischen Flaschengärung, auch Méthode champenoise, Méthode traditionnelle oder Champagnermethode genannt, findet die zweite Gärung in der Sektflasche statt. Dieses Verfahren ist für die Herstellung von Champagner, Crémant und Cava zwingend vorgeschrieben. Auch in Deutschland werden hochwertige Schaumweine, vornehmlich Winzersekt, zunehmend nach der Champagnermethode erzeugt.
Der Sektgrundwein wird für die zweite Gärung mit Zucker und Hefe versetzt (Tirage) und in die Sektflasche gefüllt, die mit einem Kronkorken oder einem Bidule verschlossen wird. Bei der folgenden alkoholischen Gärung wird der Zucker durch die Hefen in Kohlensäure und Alkohol umgesetzt. Nach Ablauf der Mindestlagerzeit wird die Hefe durch Abrütteln (Remuage, manuell oder automatisch) in den Flaschenhals bewegt. Hierzu werden Rüttelpulte aus Holz (manuelles Verfahren) sowie halb- und vollautomatische Rüttelmaschinen (Gyropaletten) verwendet.
Beim Degorgieren (Enthefen) wird der entstandene Hefepfropfen entfernt, ohne dass der Sekt die Flasche verlässt. Man unterscheidet zwischen Kalt- und Warmdegorgieren. Beim Kaltdegorgieren wird die abgerüttelte Hefe im Flaschenhals eingefroren, indem die Flaschen kopfüber in ein Eisbad gesteckt werden. Anschließend kann die Flasche zum Öffnen umgedreht werden, ohne dass das Hefedepot den Sekt wieder eintrübt. Beim Öffnen des Kronkorkens wird der Hefe-Eis-Pfropfen durch den Gasinnendruck herausgeschleudert. Die Technik bietet mittlerweile vollautomatisierte Lösungen mit hohen Stundenleistungen an. Da beim Degorgieren immer auch ein wenig Schaumwein verloren geht, wird die Flasche mit der Dosage (französisch liqueur d’expedition) wieder aufgefüllt. Mit dieser kann zugleich der Süßegrad des Schaumweines bestimmt werden.
Die Dosage besteht aus einem Gemisch aus Wein und Zuckersirup. Verzichtet wird auf die Dosage bei sogenannten Zero-Dosage, pas dosé, brut nature, die dann einen Restzuckeranteil von weniger als 3 g/l aufweisen.
Beim Warmdegorgieren (französisch dégorgement à la volée) wird das Hefedepot nicht eingefroren, die Flasche muss kopfüber geöffnet werden: Geschick und Schnelligkeit ermöglichen das manuelle Warmdegorgieren. Auch ausgereifte halbautomatische Lösungen werden angeboten.
Transvasierverfahren
Das Transvasierverfahren stellt einen Weg dar, die Vorteile der traditionellen Flaschengärung beizubehalten und die aufwändigen, personalintensiven Schritte des Entfernens der Hefe gegenüber der traditionellen Methode zu vereinfachen. Diese Methode verbreitete sich seit den 1950er Jahren immer mehr, weil die Kapazitäten der traditionellen Methode nicht mehr ausreichten, um dem steigenden Bedarf nach Sekt nachzukommen.
Beim Transvasierverfahren wird die Gärung, allerdings in einer speziellen Gärflasche, wie bei der traditionellen Methode durchgeführt, die Enthefung erfolgt dann jedoch nicht mittels Abrütteln und Degorgieren, sondern nach Entleeren der Flaschen unter Kohlensäuredruck durch eine Filtration. Der Sekt wird anschließend im Drucktank dosiert und auf neue Flaschen gefüllt. Weil die zweite Gärung des Sektes wie bei der traditionellen Flaschengärung in Flaschen stattfindet, darf der im Transvasierverfahren hergestellte Sekt als „Flaschengärung“ deklariert werden, allerdings nur bei einer Mindestherstellungsdauer von neun Monaten und Lagerung auf der Hefe von mindestens 60 Tagen.[1]
Bereits im 19. Jahrhundert experimentierte man mit dem Umfüllen (französisch transvaser) des entheften (degorgierten) Sektes in kleinere Gefäße. Das Problem des dabei auftretenden Druckverlustes konnte jedoch erst mit Drucktanks und Gegendruckfüllern gelöst werden. Die technischen Voraussetzungen hierfür standen erst Mitte des 20. Jahrhunderts zur Verfügung.[2]
Der Vorteil dieser Methode besteht darin, dass die Cuvée durch die Entleerung homogenisiert wird. Mögliche Geschmacksunterschiede, bedingt durch unregelmäßigen Gärverlauf in den Gärflaschen, werden nivelliert. Dass das Transvasierverfahren bezeichnungsrechtlich „Flaschengärung“ heißen darf, wird gerne stillschweigend als Verkaufsargument genutzt. Die entscheidenden verfahrenstechnischen Unterschiede sind den meisten Verbrauchern ohnehin nicht bekannt. Eine 1988 im Auftrag des Stabilisierungsfonds für Wein vorgenommene Umfrage unter 1.000 Personen ergab, dass der Begriff „Flaschengärung“ zwar von der Mehrzahl der Befragten mit „in der Flasche vergoren“ in Verbindung gebracht wurde, aber nur 14 Prozent der Befragten die Bezeichnung auch dem Transvasierverfahren zuordneten und es von der „traditionellen Flaschengärung“ unterschieden.[3]
Flaschengärung von Bier
Auch Bier kann in der Flasche eine zweite Gärung durchmachen. Dabei wird dem Jungbier, nach der eigentlichen Bierherstellung, häufig unfiltriert, Hefe und die so genannte Speise als Kohlenhydratquelle zugefügt und dies direkt in Flaschen gefüllt. Bei der Nachgärung wird die Gärtemperatur über die Raumtemperatur meist elektronisch gesteuert. Die Gärung wird über den durch die Speise zugeführten Zucker bestimmt. Durch die Flaschengärung wird die Kohlensäure im Bier feiner gebunden. Die Reste der Hefe bleiben in der Flasche z. B. beim Hefeweizen. Die Nachgärung kann beim Bier auch in Fässern erfolgen, dies wird z. B. beim englischen real Ale praktiziert. Das belgische Geuze ist eine Bierspezialität der traditionellen Flaschengärung.
Weblinks
Einzelnachweise
- Verordnung (EG) Nr. 1493/99 des Rates vom 17. Mai 1999 über die gemeinsame Marktorganisation für Wein
- Gerhard Troost, Hans-Peter Bach, Otto H. Rhein: Sekt, Schaumwein, Perlwein. Handbuch der Lebensmitteltechnologie. 2. Aufl. Ulmer, Stuttgart 1995, S. 151, ISBN 3-8001-5818-3.
- Hans-Jörg Koch: Weinrecht Kommentar. Textband und Erläuterungsbände 4. Aufl. Dt. Fachverlag, Frankfurt/M. 2002, S. 98, ISBN 3-87150-787-3.