Kieler Rathaus
Das Kieler Rathaus ist das Rathaus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt Kiel. Es wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichtet und steht unter Denkmalschutz. Der 106 m hohe Rathausturm ist eines ihrer Wahrzeichen.
Kieler Rathaus | |
---|---|
Frontansicht | |
Daten | |
Ort | Kiel |
Architekt | Hermann Billing |
Baujahr | 1911 |
Bauzeit | 1907–1911 |
Höhe | 106 m |
Lage
Das Verwaltungsgebäude erstreckt sich zwischen Fleethörn (nordöstlich), Treppenstraße (südöstlich), Waisenhof (südöstlich; jedoch mit einigen Bauwerken dazwischen) und der damaligen Cas-Straße (heute Rathausstraße; nordwestlich).
Vorgeschichte: Rathäuser der Stadt Kiel
Das bisherige Rathaus am Alten Markt wurde um 1900 für die damals stark wachsende Marine- und Werftenstadt zu klein. Daher schrieb die Stadtverwaltung einen Architektenwettbewerb aus. Der Siegerentwurf wurde von 1907 bis 1911 in der Vorstadt am heutigen Rathausplatz westlich der Altstadt gebaut. Es hieß bei den Einwohnern lange Zeit das „Neue Rathaus“.
Das Alte Rathaus wurde im Zweiten Weltkrieg bis auf einige Kellergewölbe vollständig zerstört. Im Jahr 2000 bot auch das Haus am Rathausplatz nicht mehr genügend Platz für die städtischen Ämter. Darum wurden vor allem seit dem Jahr 2008 Teile der Stadtverwaltung in das Gebäude der ehemaligen Oberpostdirektion in der Andreas-Gayk-Straße ausgelagert. Dieses Gebäude wird seitdem „Neues Rathaus“ genannt.
Baugeschichte
Die Stadt ließ das heute denkmalgeschützte Rathaus nach den Entwürfen des Karlsruher Architekten Hermann Billing in den Jahren 1907 bis 1911 erbauen.[1]
Der Tradition des repräsentativen Rathausbaus folgend erhielt das neue Gebäude einen eigenen Turm. Dieser Turm ist in Anlehnung an einen Campanile wie den Markusturm der Lagunenstadt Venedig gestaltet, der 1902 eingestürzt war und ab 1903 wiederaufgebaut wurde. Darüber berichteten auch deutsche Bauzeitschriften.[2] Der 106 m hohe Kieler Turm überragt sogar den Markusturm um mehr als sieben Meter.
Architektur
Überblick
Das Rathaus hat eine Grundfläche von rund 6250 m² und ist viergeschossig. Sein langgestrecktes Hauptgebäude untergliedert sich in drei Bauwerksteile, die jeweils durch Material und Gestaltung deutlich unterschieden sind. Die Flügelbauten bestehen aus unverputzten Backsteinen, im Mittelteil wurde auch heller Stein verwendet.
Bauwerkdetails
Die Eingangshalle ist über einem runden Grundriss aufgebaut und repräsentativ ausgestaltet. In der zweiten bis vierten Etagen sind die Räume so angeordnet, dass im Zentrum der Blick nach unten frei bleibt und eine Galerie („Wandelgang“) entsteht (siehe Bild). Die Arbeitsräume gruppieren sich um zwei Innenhöfe.
Zum Rathausplatz hin sind Arkaden angebaut.
Der Rathausturm erhebt sich aus einem Verbindungsbau zwischen den Innenhöfen. Er hat einen fast quadratischen Grundriss mit Seitenlängen von rund 14 Metern und ist 106 m hoch. In 67 m Höhe befindet sich eine umlaufende Aussichtsplattform. Im Inneren ist ein Fahrstuhl installiert.
Glockenspiel
Glockenspiel, welches bis zur vollen Stunde jeweils ein weiteres Viertel der Melodie hören lässt. Der schon beim Bau des Rathauses weit über Plan gestiegenen Kosten wegen unterlegte der Kieler Volksmund das Glockenspiel von Beginn an mit dem Spottvers:
Vom Turm ertönt viertelstündlich ein- „Kiel hett keen Geld/dat weet de Welt/ob's mal wat kriecht/dat weet man nich.“[3]
Der Komponist der Melodie für das Glockenspiel ist der Königliche Musikdirektor Heinrich Johannsen (* 30. Juli 1864 in Lauenburg; † 8. Februar 1947 in Eutin), der sich 1946 in einem Brief selbst zur Entstehung des Geläuts geäußert hat: „Ich wählte ... die 4 Töne des sog. Westminsterschlages (bestehend aus Quinte, Grundton, Sekunde und Terz), denen ich als 5. Ton noch die untere Oktave des Grundtones hinzufügte.“[4][5] Die Tonart ist E-Dur. – Die Tatsache, dass es sich bei dem verwendeten Westminsterschlag um ein musikalisches Motiv oder eine überlieferte Melodie handelt, ist eine Erklärung für die Eingängigkeit des Glockenspiels des Kieler Rathauses, das dem Glockengeläut des Uhrturmes Big Ben in London oder dem Glockengeläut des Kopenhagener Rathauses überaus ähnlich ist.
Das Läutewerk des Glockenspiels befindet sich im elften Stockwerk und bringt fünf Bronzeglocken zum Klingen.
Tourismus
Der Turm des Rathauses ist im Rahmen von Führungen zu besichtigen. Der Aufzug fährt bis zur Aussichtsebene in 67 m Höhe, wo Besucher weite Blicke über die Innenstadt und den Hafen im Nordosten, das Ostufer der Kieler Förde, den Hauptbahnhof und die Hörn im Süden sowie die westlichen Ansiedlungen bis Mettenhof werfen können.
Literatur
- Gerhard Kabierske: Der Architekt Hermann Billing (1867–1946). Leben und Werk. (= Materialien zu Bauforschung und Baugeschichte, 7.) Karlsruhe 1996, ISSN 0940-578X, S. 183–188.
- Eva-Maria Karpf: 100 Jahre Kieler Rathaus 1911–2011. Kiel 2011, ISBN 978-3-00-034867-9 (PDF-Datei; 2 MB).
- Charlotte Kranz-Michaelis: Das Rathaus in Kiel. In: Rathäuser im deutschen Kaiserreich. (= Materialien zur Kunst des 19. Jahrhunderts, Band 23). Prestel, München 1976, ISBN 3-7913-0384-8.
- Deert Volquart Lafrenz: Die Architektur des Kieler Rathauses von Hermann Billing (1867–1946). Dissertation, Kiel 1978.
- Karl Widmer: Das Kieler Rathaus von Hermann Billing. In: Moderne Bauformen 11. Jahrgang 1912, Band 2, S. 57–104 (Digitalisat bei der Universitätsbibliothek Heidelberg).
Siehe auch
Weblinks
- Rathaus: Politik & Verwaltung für Kiel (Landeshauptstadt Kiel)
- Rathausgeschichte(n) (Landeshauptstadt Kiel)
- Rathaus Kiel – Zeichnungen und Fotos aus dem Nachlass Hermann Billing im Architekturmuseum der TU München
- Website zum Rathaus
Anmerkungen und Einzelnachweise
- Deert Lafrenz: Das Kieler Rathaus – ein Monument der frühen Moderne. In: Uwe Albrecht, Regina Becker (Hg): Kiel: Urbaner Raum im Zeichen des Meeres. Regensburg 2015, S. 35–66.
- Eva-Maria Karpf: 100 Jahre Kieler Rathaus 1911–2011. Kiel 2011, ISBN 978-3-00-034867-9, S. 20.
- „Kiel hat kein Geld/das weiß die Welt/ob's mal was kriegt (erhält)/das weiß man nicht.“ – Es gibt auch einen (weniger bekannten) Originalreimvers, der dem Glockenspiel – das übrigens bereits seit dem 28. Mai 1911 zu hören ist – zugesprochen wurde. Dieser hat folgenden Wortlaut: „De Klock, se sleit, de Tied, de geiht, ni to veel Quark, fix Hand an't Wark!“ [Die Uhr/Glocke, die schlägt, die Zeit, die (ver)geht, nie (nicht) zu viel Quark (Unsinn, Quatsch machen oder reden), schnell Hand an's Werk (legen oder gelegt)]. Dieses berichtet Jörg Talanow in seinem 1972 vorgelegten Werk „Kiel – Modernes historisch gesehen“.
- Der Brief des Kgl. Musikdirektors Heinrich Johannsen, aus dem dieser Auszug stammt, liegt im Stadtarchiv Kiel im Original vor und wurde zu demselben Thema in den Kieler Nachrichten vom 4. August 1964 ebenfalls auszugsweise zitiert.
- Wie die Melodie zum Glockenspiel kam. kiel.de, abgerufen am 20. März 2020.