Khordeh Avesta

Khordeh Avesta oder Chordeh-Avestā (neupersisch, خردهاوستا, entsprechend Xwurdag Abestâg im Pahlavi: „Kleines Avesta“) ist der fünfte Abschnitt des Avesta, der heiligen Schrift der Anhänger des iranischen Religionsstifters Zarathustra.

Khordeh Avesta kann im Hinblick auf seine Funktion als ein Gebetbuch für den allgemeinen Gebrauch bezeichnet (eine Art Breviarium für Laien[1]) werden. Der Text enthält insbesondere die verschiedenen Gebete, die gemäß der in der zoroastrischen Religion vorgenommenen Einteilung des Tages in fünf Tageszeiten zu jeder Tageszeit (neupersisch und Pahlavi: „Gâh“) zu verrichten sind.

Das Werk erfuhr im Verlauf der langen Geschichte der zoroastrischen Religion verschiedene Veränderungen, Kürzungen und Ergänzungen, so dass unter dem Begriff „Khordeh Avesta“ oft Bücher mit teilweise unterschiedlichem Inhalt zu finden sind. So finden sich in verschiedenen Ausgaben auch Abschnitte mit neupersischen Texten. Diese gehen teils auf alte Inhalte zurück, deren mittelpersische Originaltexte nicht mehr vorliegen, jedoch in Form der bestehenden, übersetzten Abschnitte weiterbestehen.

In sprachwissenschaftlicher Hinsicht lässt sich eine Einteilung im gegebenen Rahmen der älteren, in der Avestischen Sprache vorliegenden Abschnitte des Textes vornehmen. Diese ergibt die im Allgemeinen meist akzeptierte Fassung mit der folgenden Aufteilung:

1. fünf Niyâyešs (Neupersisch, im Pahlavi: Niyâyišn: Loblied, Gebet). Diese sind gewidmet (in deutscher Wiedergabe sowie anschließender avestischer und neupersischer Bezeichnung):
a. der Sonne (Hvare-xšaeta, Khorshid),
b. Mithra (Mithra, Mehr),
c. dem Wasser (Ardvisura Anahita, Nahid/Abân),
d. dem Mond (Mâvangh, Mâh),
e. dem Feuer (Ātar, Ātaš).
2. fünf Gâhs, gewidmet den fünf Tageszeiten,
3. vier Afringâns (Pahlavi: Preisung, Segen) sowie
4. weitere, meist kleinere Abschnitte, zu denen unter anderen einige einführende Texte zu zählen sind.

Die Sammlung Khordeh Avesta wird unter Zoroastriern dem Hohepriester („Mobedan-Mobed“ auf Pahlavi) Azarpad Mehrespandan, einer der bekanntesten Figuren des zoroastrischen Klerus des sassanidischen Irans, zugeschrieben, der bei Zarathustriern den Rang eines Heiligen genießt. Dieser bereits in verschiedenen mittelpersischen Texten, hierunter unter anderem im Denkard und im Bundahišn erwähnte und in der Regierungszeit des persischen Großkönigs Schapur II. lebende Mobedan-Mobed und Kanzler übte einen wesentlichen Einfluss auf die unter den Sassaniden erfolgte Kanonisierung des Avestas aus, welches er nach seinem in der Zeit des Großkönigs Ardaschir I. lebenden und der gleichen Aufgabe dienenden Vorgänger Tansar im Auftrag Schapurs II. zusammentrug.

Zur Veranschaulichung folgt als Ausschnitt des Textes ein Auszug aus dem Tagesgebet „Osirin-Gâh“, benannt nach der über die Zeit zwischen dem Abend und der Nacht wachenden avestischen Gottheit "Uzayeirina": „Jenen, der rein ist, loben wir ... Jener, der rein ist, verbreitet Reinheit und Wahrhaftigkeit.“

Literatur

  • Encyclopaedia of Ancient Iran. Hashem-e Razi, Teheran, Sokhan, 2002.
  • A Concise Pahlavi Dictionary. D. N. MacKenzie. Routledge Curzon, 2005.
  • Encyclopedia Iranica. Herausgegeben von Ehsan Yarshater
  • Old Avestan Glossary. P. Oktor Skjaervo, Harvard University.
  • Übersetzungen: J. Darmesteter, L. H. Mills, F. Wolff. Siehe auch Avesta.org.
  • Avesta. Gathas, Yasna, Yashts, Vispard & Khordah-Avesta. Hashem-e Razi, Teheran, Behjat Publications, 2000.
  • Avesta. Übersetzung des Textes. Jalil Doostkhah. Morvarid, 1996.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Carlo G. Cereti: Die iranischen Sprachen. In: Wilfried Seipel (Hrsg.): 7000 Jahre persische Kunst. Meisterwerke aus dem Iranischen Nationalmuseum in Teheran: Eine Ausstellung des Kunsthistorischen Museums Wien und des Iranischen Nationalmuseums in Teheran (Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH, Bonn. Skira editore, Milano, Kunsthistorisches Museum Wien). Kunsthistorisches Museum, Wien 2001, S. 31–37, hier: S. 33.
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