Kesselschlacht

Der Begriff Kesselschlacht (Synonym: Umfassungsschlacht) beschreibt eine militärische Lage, bei der es einer Kriegspartei während einer Feldschlacht gelingt, den Gegner mit eigenen Truppen ein- oder beidseitig zu umfassen, oder auch einzukesseln, ein Begriff bekannt aus dem Militärjargon. Die Kesselschlacht ist somit abzugrenzen von einer reinen Belagerung, bei der eine der Parteien willentlich eine Umschließung in Kauf nimmt, um ein befestigtes Gebiet oder eine Festung zu halten und den Gegner so zu binden. Bekannte Beispiele für Kesselschlachten sind Cannae und aus deutscher Sicht Tannenberg, die Eroberung von Kiew und die Schlacht von Stalingrad.

Genauere Begriffserläuterung und Taktik

Ziel jeder Kesselschlacht ist als erstes die Einschließung des Gegners. Dies kann mitunter voraussehbar, oft aber völlig überraschend passieren und ist sowohl auf offenem als auch eingeengtem Gebiet möglich. Dabei ist zu beachten, dass auf freiem Terrain eingeschlossene Truppen sich im Gegensatz zu belagerten nicht hinter vorbereiteten, befestigten Rückzugsstellungen verschanzen können und ihre oft weiter rückwärts gelagerte Versorgung durch die Einschließung zudem großteils in den Besitz des einschließenden Gegners gelangt.

In solcher Lage, gleich ob anfangs weiträumig, oder von Anbeginn eingeengt (Wien 1683) lässt selbst Clausewitz die Möglichkeit offen, die Festung unbedingt als Wellenbrecher zu halten, oder die Einschließung aufzusprengen, um Truppen und Material für eine verkürzte Front zu bewahren. Ein eingeschlossener Truppenteil oder -verband tendiert dazu, so rasch wie möglich auszubrechen, um einer mit Erschöpfung der Vorräte und bei unsicheren Hilfszusagen und -leistungen gewissen Niederlage zu entgehen. Die Sprengung des Einschlusses kann – rasch und zielsicher eingeleitet und durchgeführt – sehr wohl aus eigener Kraft gelingen. Bei längerer Dauer und bereits bestehender Erschöpfung der Verteidiger in psychisch-physischer wie materieller Hinsicht kann der Ausbruch schließlich nur noch dann gelingen, wenn in präziser Abstimmung Kräfte von außen den auf einen Punkt der Einschließungsfront gerichteten Anstrengungen von innen begegnen.

Die Schlacht bei Cannae

Der kriegsgeschichtliche Name der jeweiligen „Kesselschlacht“ wird von der betroffenen Region oder Stadt abgeleitet (z. B. Kolberg, Breslau, Halbe/Berlin).

Militärisch ausgedrückt, beginnt eine Einkesselung oder Einschließung mit einem Angriff an einer (Beispiel: Überflügelung des römischen Heeres durch die karthagische Reiterei) oder – wenig zeitverschoben – an beiden Flanken (Beispiel Stalingrad) der in einem Sturmlauf weit vorgestoßenen gegnerischen Kräfte. Ein Angriff auf die Flanken ist für die unter solchen Gegebenheiten Angegriffenen zumeist deshalb fatal, da er auf rückwärtige, wenig verteidigungsbereite Truppenteile trifft. Aus einer anfänglich noch schwachen Umfassung wird zunehmend eine feste Einschließung. Deren Ziel ist es, den Einschließungsraum zu verkleinern, bis ein festungsähnliches, oder zur Festung erklärtes Restgebiet sich einer von allen Hilfen ausgeschlossenen Belagerung ausgesetzt sieht.

Vorstufe und Warnung vor einer drohenden Einkesselung ist gegeben, sobald Einheiten bereits auf drei Seiten den Gegner vor sich sehen (vgl. Frontausbuchtung im großen Donbogen als Voraussetzung für Stalingrad).

Für die Truppe ist die vollzogene Einschließung – sie kann auch nur dreiseitig sein, wenn die vierte Seite von der Natur vorgegeben ist (Meer, Gebirge, Fluss) – eine existentielle Bedrohung, da die Nachschubwege verloren sind. Die sich ausbreitende Erkenntnis dieses Zustandes wirkt demoralisierend und kann die Kampfbereitschaft nur mit massiven Hilfezusagen noch einige Zeit stärken. Die Versorgung über eine Luftbrücke ist prinzipiell zwar möglich, setzt aber große Ressourcen und Sicherheiten bei Transportflugzeugen, deren Start, Flug und Landung voraus (fehlte z. B. bei der Schlacht von Stalingrad).

Begriffsverwendung

Die alltägliche Verwendung des Begriffs „Kesselschlacht“ hat sich besonders nach dem Zweiten Weltkrieg verschoben. So wird nicht mehr beachtet, dass kein prinzipieller Gegensatz zu einer in aller Regel kleinräumigeren „Umfassung“ oder Belagerung besteht. Stattdessen setzt der Begriff der Kesselschlacht nun zwingend ein anfangs noch weitläufiges Terrain voraus, auf dessen Fläche der Gegner eingeschlossen wird. Damit entspricht diese alltägliche Verwendung nicht mehr der herkömmlichen Definition, die in der Militärtheorie verwendet wird, da so z. B. die zweite Belagerung Wiens (1683, Türkenbelagerung) nicht mehr unter diesen Begriff fiele.

Einschließungen in der neueren Geschichte

In der Kriegsgeschichte ist der Gedanke der möglichst vollständigen Vernichtung einer feindlichen Armee und der damit gegebenen Möglichkeit, ein schnelles, vielleicht sofortiges Kriegsende herbeizuführen, erst im 19. Jahrhundert wieder aufgegriffen worden. Als klassisches Beispiel wurde die Schlacht von Cannae angesehen, weshalb man bei einer Einkesselung und Vernichtung des Gegners oft von einem „Cannae“ spricht, obwohl dies kriegshistorisch keine vollständige Vernichtungsschlacht war, da sich 40 % des römischen Heeres retten konnte und Rom den Krieg als „Ermattungsstrategie“ gegen den durch Nachschubmangel behinderten Hannibal weiter führte.

Die Schlacht bei Sedan und die Belagerung von Metz (September/Oktober 1870) jeweils mit Einschließung einer feindlichen Armee beendeten den Krieg zwar nicht sofort, ermöglichten jedoch die Belagerung von Paris und ein Kriegsende nur wenige Monate später.

Im Ersten Weltkrieg sah die deutsche Kriegsplanung an der Westfront ein Super-Cannae vor – die "fantastischste Kesselschlacht aller Zeiten."[1] Die französische Armee sollte an der Schweizer Grenze durch eine massive und weiträumige Umfassungsbewegung des rechten deutschen Armeeflügels umfasst, eingekesselt und vernichtet werden. Durch Rückzug konnten die alliierten Truppen der Umfassungsbewegung entgehen. Der Bewegungskrieg erstarrte nach der gescheiterten Eröffnungsoffensive schließlich im Stellungskrieg. Der tatsächliche Kriegsverlauf entsprach den Erwartungen der Militärstrategen im gesamten Verlauf des Krieges auf Seiten aller Beteiligten soweit nicht – mit einer einzigen Ausnahme: In der Schlacht bei Tannenberg (1914) sah sich das "Cannae-Ideal" des Strategen Alfred von Schlieffen (1833–1913) erfüllt. Dort gelang der zahlenmäßig unterlegenen deutschen 8. Armee mit einer massiven Kesselschlacht die Zerschlagung der 2. russischen Armee.[2]

Neue technische und taktische Entwicklungen im Ersten Weltkrieg, etwa die Entwicklung der Panzerwaffe und die Stoßtrupptaktik, zielten auf den erneuten Übergang in den Bewegungskrieg ab. Jedoch lag dem Einsatz dieser Mittel lediglich die Intention zu Grunde, einen Durchbruch zu erzielen, nicht aber die Einkesselung des Gegners zu bewirken, was eine Einlassung von Erich Ludendorff (Mitglied der Obersten Heeresleitung) belegt. Auf die Frage nach dem operativen Ziel der Frühlingsoffensive 1918 entgegnete er: "Das Wort Operation verbitte ich mir. Wir hauen ein Loch hinein. Das Weitere findet sich."[3]

Aus den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs erwuchs erst in der Nachkriegszeit die Erkenntnis, dass mit ihr nicht nur Ein- und Durchbrüche, sondern auch Umfassungen möglich waren. In Deutschland geschah dies in Kooperation mit der Roten Armee und ihrem (später von Stalin liquidierten) Marschall Tuchatschewski. Die Zusammenarbeit mit der Reichswehr unter Generaloberst Hans von Seeckt begann vor 1933 in der klaren Intention, den Versailler Vertrag und seine diesbezüglichen Beschränkungen zu umgehen, wie es übrigens auch beim Aufbau der Luftwaffe der Fall war. In Frankreich befasste sich Charles de Gaulle damit und erzielte auch Anfangserfolge, diese indessen zu spät, um sich gegenüber den weitgreifenden Vorstößen der deutschen Panzerdivisionen noch behaupten zu können. Panzer waren es vor allem, die im Krieg mit der Sowjetunion von 1941 bis zu dessen Ende 1945 erst der deutschen (Doppelschlacht bei Wjasma und Brjansk, Kiew), dann der russischen Seite (Schlacht von Stalingrad, Kesselschlacht von Kamenez-Podolski, Operation Bagration) schnelle Operationen bis tief in den Rücken des Feindes und damit die Einschließungen ganzer gegnerischer Armeen ermöglichten.

Die keineswegs neue Bezeichnung Kesselschlacht verbreitete sich besonders seit 1941/42, weil es sowohl um vollkommene Einschließungen ging, als auch die Masse der beteiligten Truppen es in einigen Fällen rechtfertigte, von einer „Schlacht“ und nicht nur von „Kämpfen“ zu sprechen (z. B. Demjansk).

Beispiele historischer Kesselschlachten

Antike

16. Jahrhundert

17. Jahrhundert

18. Jahrhundert

19. Jahrhundert

Erster Weltkrieg

Spanischer Bürgerkrieg

Japanisch-Sowjetischer Grenzkonflikt

Zweiter Weltkrieg

Seit 1945

Literatur

  • Hans Speidel: Aus unserer Zeit – Erinnerungen. 4. Aufl. Propyläen Verlag, Berlin 1977, ISBN 3-550-07357-7, besonders ab S. 122.
  • Wilhelm Tieke: Das Ende zwischen Oder und Elbe. 2. Aufl. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1992, ISBN 3-87943-734-3.
  • Klaus Reinhardt: Die Wende vor Moskau. Band 13 der Schriftenreihe, herausgegeben vom Militärgeschichtlichen Forschungsamt. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1972, ISBN 3-421-01606-2.

Einzelnachweise

  1. Robert M. Citino: The German Way of War. From the Thirty Years' War to the Third Reich. University Press of Kansas 2005. S. 198.
  2. Robert M. Citino: The German Way of War. From the Thirty Years' War to the Third Reich. University Press of Kansas 2005. S. 224.
  3. Ludendorff zitiert nach: Michael Sontheimer: "Wir hauen ein Loch hinein", in: SPIEGEL Special 1 (2004), S. 103–105 (105).
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