Kerzell

Kerzell ist ein Ortsteil der Gemeinde Eichenzell im osthessischen Landkreis Fulda.

Kerzell
Gemeinde Eichenzell
Koordinaten: 50° 29′ N,  40′ O
Höhe: 268 m ü. NHN
Fläche: 5,13 km²[1]
Einwohner: 790 (2022)[2]
Bevölkerungsdichte: 154 Einwohner/km²
Eingemeindung: 1. April 1972
Postleitzahl: 36124
Vorwahl: 06659
Karte
Kerzell von oben

Geographische Lage

Kerzell liegt etwa 2,2 km südwestlich vom Zentrum des Eichenzeller Kernorts, zwischen den Dörfern Löschenrod im Norden, Rothemann im Südosten, Hattenhof im Südsüdosten und Tiefengruben im Südwesten. Es befindet sich südlich der Mündung des westlich das Dorf tangierenden Döllbachs in die Fliede.

Geschichte

Ortsgeschichte

Die älteste bekannte schriftliche Erwähnung von Kerzell erfolgte im Jahr 1165 anlässlich einer Zuwendung Abt Markwards I. an das neue Fuldaer Hospital als Chelnerescelle(= Zelle des Kellners). Außer dem Kloster Fulda war 1303 im Ort ein Konrad von Kerzell begütert.

An der südwestlichen Gemarkungsgrenze Richtung Tiefengruben befindet sich die neuere Wüstung „Weimesmühle“. Dieser Ort an der Fliede wird erstmals als „Weidemannesbruggun“ in einer Grenzbeschreibung des Mainzer Erzbischofs Erkanbald vom 14. Juni 1011 aufgeführt. Seit 1396 begegnet uns dann „Weydemans“ später „Weimes“(mühle). Durch den Bau der Eisenbahn-Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg bedingt, verließ die Müllersfamilie Vogel 1983 ihre Mühle, 1988 brannte es. Heute ist nur noch ein kleiner Teil bewohnt.

Hessische Gebietsreform (1970–1977)

Zum 1. April 1972 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Kerzell im Zuge der Gebietsreform in Hessen auf freiwilliger Basis als Ortsteil in die Gemeinde Eichenzell eingemeindet.[3] Für Kerzell wurde, wie für die übrigen Ortsteile von Eichenzell, ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung eingerichtet.[4]

Verwaltungsgeschichte im Überblick

Die folgende Liste zeigt die Staaten und Verwaltungseinheiten,[Anm. 1] denen Kerzell angehört(e):[1][5]

Bevölkerung

Einwohnerentwicklung

 1812:38 Feuerstellen, 211 Seelen[1]
Kerzell: Einwohnerzahlen von 1812 bis 2022
Jahr  Einwohner
1812
 
211
1834
 
325
1840
 
350
1846
 
348
1852
 
357
1858
 
351
1864
 
379
1871
 
343
1875
 
380
1885
 
346
1895
 
321
1905
 
338
1910
 
373
1925
 
470
1939
 
554
1946
 
833
1950
 
860
1956
 
762
1961
 
705
1967
 
746
1970
 
783
1980
 
?
1990
 
?
1996
 
816
2000
 
840
2005
 
890
2011
 
816
2016
 
814
2020
 
802
2022
 
790
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: LAGIS[1]; Gemeinde Eichenzell[8]; Zensus 2011[9]

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Kerzell 816 Einwohner. Darunter waren 21 (2,6 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 153 Einwohner unter 18 Jahren, 254 zwischen 18 und 49, 162 zwischen 50 und 64 und 147 Einwohner waren älter.[9] Die Einwohner lebten in 348 Haushalten. Davon waren 99 Singlehaushalte, 108 Paare ohne Kinder und 117 Paare mit Kindern, sowie 18 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 78 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 243 Haushaltungen lebten keine Senioren.[9]

Historische Religionszugehörigkeit

 1885:15 evangelische (= 4,34 %), 331 katholische (= 95,66 %) Einwohner[1]
 1961:20 evangelische (= 2,84 %), 682 katholische (= 96,74 %) Einwohner[1]

Sehenswürdigkeiten

Der Dorfplatz und seine Madonnenfigur, die St. Sebastian Kirche, das alte Backhaus und die Brücke über den Döllbach sind in diesem Ort besonders sehenswert.

Die Kirche St. Sebastian

Die Katholische St. Sebastian Kirche von 1913.

Die Kirche St. Sebastian Kerzell zählt zu den Kulturdenkmälern Kerzells. Sie wurde im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff auf die durch Kerzell verlaufende Bahnstrecke teilweise zerstört, später wieder aufgebaut und restauriert. Ihre zwei Bronzeglocken von der Glockengießerei Otto aus dem Jahr 1925 waren im Krieg beschlagnahmt und eingeschmolzen worden. Nach dem Krieg erhielt die Kirche in den Jahren 1951 und 1959 je eine neue OTTO-Glocke mit den Tönen a und e.[10][11]

Die Fátima-Kapelle in Kerzell.

Kerzell besitzt zudem eine kleine Kapelle, die Fátimakapelle. An einem Waldrand südöstlich von Kerzell befindet sich diese Wallfahrtskapelle, die zwischen 1945 und 1947 zu Ehren der heiligen Maria von Fatima erbaut wurde. Sie besteht aus schlichten Sandsteinquadern, hat zwei Fensterachsen mit Spitzbogenfenstern, eine eingezogene Apsis und einen Dachreiter mit Spitzhelm. Im Innenraum befinden sich ein spitzer Chorbogen sowie eine Holzbalkendecke. Die naturfarben gehaltene holzgeschnitzte Madonna stammt von Franz Rüther aus Münster. Die Glocke der Kapelle stammt, wie die Glocken der Pfarrkirche St. Sebastian, aus der Glockengießerei Otto in Bremen-Hemelingen. Sie wurde 1949 gegossen.

Zur Kirche gehören zwei Friedhöfe: Der alte Friedhof liegt unweit der Kirche, der neue Friedhof liegt am Fuße des Ortsteils Steinberg zwischen Kerzell und Löschenrod.

Blick auf die Fliede und Kerzell

Vereine

Der Sportverein SG Helvetia Kerzell 1920 e.V. ist der mitgliederstärkste Verein Kerzells. Die SGK spielt in der Gruppenliga Fulda. Neben der Fußballabteilung existiert auch eine Karnevalsabteilung. Die Karnevalsabteilung Kerzell ist weit über die Gemeinde hinaus bekannt, da ihre Männertanzgarde, die Pötschedäbber, schon mehrfach unter den Top 5 bei deutschen Meisterschaften waren.

In Kerzell existiert auch eine Kirmesgesellschaft, die die alte Tradition des Kirchweihfestes aufrechterhält. Jahr für Jahr treffen sich Anfang November meist junge Leute, um den traditionellen Drei-Reihen-Tanz um den zuvor aufgestellten Kirmesbaum tanzen zu können und somit dem Weihetag der Kerzeller Kirche St. Sebastian zu gedenken.

Verkehr

Der Bahnhof Kerzell lag an der Bahnstrecke Fulda–Hanau. Kerzell wird durch die Buslinien 41 Fulda–Kerzell–Ebersburg, 42 Fulda–Kerzell–Heubach und Linie 50 Kerzell–Neuhof durch RhönEnergie Bus GmbH bedient.

Zudem verläuft die Schnellfahrstrecke Hannover–Würzburg westlich von Kerzell.

Literatur

  • Michael Mott: Das Schicksal der Weimesmühle / Wenig Interesse an der fast 1000jährigen Geschichte / Altes Fachwerkhaus zerfällt, in: Fuldaer Zeitung, 11. Jan. 1990, S. 10.
  • Literatur über Kerzell nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie

Anmerkungen und Einzelnachweise

Anmerkungen

  1. Bis zur Trennung der Rechtsprechung von der Verwaltung waren die Ämter sowohl Gericht als auch Verwaltungsorgan.
  2. Trennung zwischen Justiz, Landgericht Fulda und Verwaltung.
  3. Am 1. April 1972 als Ortsbezirk zur Gemeinde Eichenzell.

Einzelnachweise

  1. Kerzell, Landkreis Fulda. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 16. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. Gemeinde Eichenzell-Kreis: Fulda / Hessen: Zahlen, Daten & Fakten | Gemeinde Eichenzell – Kreis: Fulda / Hessen. 2. November 2020, abgerufen am 8. November 2023.
  3. Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 394.
  4. Hauptsatzung. (PDF; 151 kB) § 2. In: Webauftritt. Gemeinde Eichenzell, abgerufen im Januar 2022.
  5. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  6. Kur-Hessischer Staats- und Adress-Kalender: 1818. Verlag d. Waisenhauses, Kassel 1818, S. 157 f. (online bei Google Books).
  7. Verordnung vom 30sten August 1821, die neue Gebiets-Eintheilung betreffend, Anlage: Übersicht der neuen Abtheilung des Kurfürstenthums Hessen nach Provinzen, Kreisen und Gerichtsbezirken. Sammlung von Gesetzen etc. für die kurhessischen Staaten. Jahr 1821 – Nr. XV. – August. (kurhess GS 1821) S. 75.
  8. Einwohner Kerzell: 2016 (HW), 1996–2020 (HW+NW) Abkürzungen für die Art des Wohnsitzes
  9. Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,8 MB) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 6 und 62, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 27. Oktober 2020;.
  10. Gerhard Reinhold: Otto-Glocken. Familien- und Firmengeschichte der Glockengießerdynastie Otto. Selbstverlag, Essen 2019, ISBN 978-3-00-063109-2, S. 588, insbesondere Seiten 526, 545, 549, 556.
  11. Gerhard Reinhold: Kirchenglocken – christliches Weltkulturerbe, dargestellt am Beispiel der Glockengießer Otto, Hemelingen/Bremen. Nijmegen/NL 2019, S. 556, insbesondere S. 488, 503, 506, 511, urn:nbn:nl:ui:22-2066/204770 (Dissertation an der Radboud Universiteit Nijmegen).
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