Kelemen Mikes

Kelemen Mikes (* August 1690 in Zágon, Szeklerland, Siebenbürgen; † 2. Oktober 1761 in Rodosto, Türkei) war Kammerdiener, Sekretär und engster Vertrauter des Fürsten Franz II. Rákóczi.

Kelemen Mikes (das einzige authentische Porträt das uns erhalten geblieben ist).

Leben

Herkunft und Jugendzeit

Kelemen (dt. Klemens) Mikes (sprich 'Mikesch') war der Sohn von Pál (Paul) Mikes und seiner Ehefrau Éva geb. Torma de Csícsókeresztúr, die bereits 1685 heirateten. Die Mikes’ gehörten zum alteingesessenen Landadel der Gegend; ein Ahne, Miklós Mikes, wurde bereits 1567 wegen seiner Verdienste vom Fürsten Sigismund I. Rákóczi ausgezeichnet und mit reichhaltigen Ländereien belohnt. Die Familienmitglieder nannten sich seither ‚Mikes de Zágon’.

Der Vater, Pál Mikes schloss sich der Kuruzenbewegung unter Emmerich Thököly an; im Geburtsjahr des Sohnes, im November 1690 brach er mit einer Abteilung von Kuruzen auf der Suche nach Labanzen in seinem Heimatdorf ein und ließ fünf Anhänger der Österreicher unschuldig füsilieren. Auf der Flucht wurde er vom Fürsten der Walachei Constantin Brâncoveanu gefangen gesetzt und den Österreichern übergeben. Von diesen wurde er grausam gefoltert und anschließend hingerichtet. Außerdem wurde er enteignet, seine Güter wurden eingezogen und so standen seine Witwe und der einzige Sohn vollkommen mittellos da.

Kelemen wuchs deshalb ohne Vater auf. Er hielt sich entweder in seinem Heimatort Zágon oder bei Verwandten in Zabola (rum. Zăbala) auf. In dieser Zeit besucht er die konfessionelle Volksschule der Reformierten Kirche. Um 1696 ging seine verwitwete Mutter eine zweite Ehe mit Ferenc Boér ein. Aus dieser Ehe ging auch der Halbbruder Josef hervor. Auf Betreiben des Stiefvaters konvertierte Kelemen gemeinsam mit seiner Mutter vom reformierten zum katholischen Glauben. Ab seinem zehnten Lebensjahr (~1700) besuchte er sechs Jahre lang das Jesuiten-Kollegium in Klausenburg, wo er unter anderem eine gründliche humanistische Ausbildung erhielt und Latein erlernte.

Im Dienste des Fürsten Franz II. Rákóczi

Büste von Kelemen Mikes im Garten seines Geburtshauses in Zagon

Etwa 1707 geriet Kelemen auf Empfehlung seines Onkels, des Grafen Mihály Mikes als Page an den Hof des Fürsten Rákóczi. Für sein weiteres Leben blieb diese Entscheidung schicksalshaft. Er gehörte 28 Jahre lang zum inneren Zirkel Rákóczis († 1735). Er nahm an sämtlichen Feldzügen Rákóczis in den antihabsburgischen Aufständen teil. Er erlebte auch dessen Niederlagen: 1708 in der Schlacht bei Trentschin und 1711 die endgültige Niederlage bei Nagymajtény[1] (rum. Moftinu Mare) und nahm auch an den Friedensverhandlungen von Sathmár teil, die den Aufstand beendeten. Mit Rákóczi ging auch Kelemen Mikes zuerst nach Polen und dann 1713 in das Exil nach Paris, wo er am Hofe König Ludwig XIV. lebte. Franz II. Rákoczi lehnte den Vertrag und eine Amnestie für sich (samt angebotenem deutschen Fürstentum) ab. Er erhielt 1714 eine Pension von Ludwig XIV. und war in Versailles ein gern gesehener Gast.

1717 verließ Kelemen Mikes zusammen mit seinem Fürsten Frankreich, nachdem die Türken Rákóczi Hoffnung gemacht hatten, die Macht zurückzugewinnen. In Marseille schiffte sich Rákóczi zusammen mit 40 Getreuen ein und verließ Frankreich. Inzwischen wurden jedoch die Türken von Prinz Eugen vernichtend geschlagen. Gemäß dem Frieden von Passarowitz im Jahre 1718 mussten Rákoczi sowie die anderen ungarischen Insurgenten Europa verlassen und wurden in den asiatischen Teil der Türkei verbannt. Ihm und seinen Getreuen wurden vom Sultan Ahmed III. zwanzig Häuser in Rodosto zugewiesen. Hier verbrachte nicht nur Rákóczi, sondern auch seine Begleitung den Rest ihres Lebens. Kelemen Mikes war es, der den greisen Fürsten bis zu seinem Tode betreute. Er war es auch, der zusammen mit den Oberhofmeister des Fürsten Miklós Sibrik (* ~1673, † 7. Oktober 1735 in Rodosto) die Bestattung organisierte und dessen Nachlass ordnete.

Nach dem Tod von Rákóczi

Kelemen Mikes überlebte den Fürsten Rákóczi um 26 Jahre. Er musste jedoch auch nach dem Tode von Rákóczi in der Verbannung bleiben. Dieses Schicksal hat er nur schwer ertragen. Unbestätigten Berichten zufolge soll er ein Gnadengesuch bei Kaiser Karl VI. (Als König von Ungarn Karl III.), sowie bei dessen Tochter Maria Theresia gestellt haben. Maria Theresia soll dieses Gnadengesuch mit den Worten „Ex Turcia non est redemptio!“ („Aus der Türkei gibt es keine Ablösung!“) abgelehnt haben. Diese Aussage ist jedoch historisch nicht gesichert, da darüber in den Archiven keine schriftlichen Dokumente gefunden wurden. Und so schickte sich Kelemen Mikes in sein Schicksal an den Ufern des Marmarameeres, zeitweise stand er in Diensten der Hohen Pforte, wegen seiner guten Kenntnisse fremder Sprachen war er auch als Übersetzer tätig. 1758 wurde er Führer der (immer kleiner werdenden) ungarischen Kolonie in Rodosto. Er überlebte nahezu alle ungarischen Exilanten, die mit Rákóczi in die Türkei ins Exil gingen. 1761 starb Kelemen Mikes mit 71 Jahren einsam und verlassen in Rodosto an der Pest und wurde auch dort beigesetzt. Allmählich geriet er in Vergessenheit, selbst seine Grabstelle ist heute unbekannt.

Briefe aus der Türkei

Eine Seite der ungarischen Handschrift der "Briefe aus der Türkei" (1717)

In seinen fiktiven Briefen aus der Türkei[2] an eine fiktive Gräfin E. P., die Kelemen Mikes als „seine Tante“ bezeichnete, schrieb er seine Erlebnisse und Beobachtungen nieder. Aus diesen Briefen hat die Nachwelt viele Details nicht nur aus dem Leben des Fürsten Franz II. Rákóczis, sondern auch der übrigen Ungarn, die zusammen mit dem Fürsten in Exil leben mussten, erfahren. Wert und Schönheit dieser Briefe liegen nicht zuletzt darin, dass der Mensch, der uns aus ihnen anblickt, einer der liebenswürdigsten, anziehendsten Menschen Ungarns und der gesamten ungarischen Literatur ist.

Bei den Briefen aus der Türkei (ung. "Törökországi levelek") handelt es sich um ein Konvolut von 208 Briefen. Da es dem in der Verbannung lebenden Autor verboten war, mit Landsleuten in seiner Heimat Siebenbürgen (und Ungarn) zu korrespondieren, legte er all seine Gedanken, Sehnsüchte und Sorgen in diese fiktiven Briefe. Die Handschriften der einzelnen Briefe wurden vom Autor vermutlich zu einem späteren Zeitpunkt in einem Buch mit Ledereinband zusammengefasst. Der Erste dieser Briefe trägt das Datum vom 10. Oktober 1717 und der letzte Brief wurde am 20. Dezember 1758 geschrieben. Der aus 223 Blättern bestehende Lederband besteht aus elf uneinheitlich dicken Heften und weist acht verschiedene Wasserzeichen auf.[3] Ein Hinweis auf die lange Entstehungszeit des Werkes.

Das weitere Schicksal der Briefe

Ungarische Erstausgabe der Briefe

Nach dem Tod von Kelemen Mikes kamen die Briefe in den Besitz des damals bereits 82-jährigen ehemaligen Dieners des Fürsten, István Horváth († 1799 in Rodosto)[4]. Dieser übergab die Briefe nach über dreißig Jahren nach dem Tode von Kelemen Mikes an einen Herrn Mészáros, der in Diensten von Selim Pascha stand und sich auf einer Dienstreise nach Wien befand. In Wien angekommen übergab Mészaros die Handschrift an den Kunsthistoriker und Redakteur Demeter Görög, der den Wert der Briefe sofort erkannte. Da Görög für die Herausgabe der Briefe in der Kaiserstadt (wegen der sehr strengen Zensur) keine Möglichkeit sah, gab er die Briefe an István Kultsár (* 1760, † 1828), einen in Steinamanger lebenden Schriftsteller und Lehrer für ungarische Literatur, weiter. Aber auch in Ungarn durfte das Werk nicht ohne Zensur gedruckt werden, deshalb beantragte Kultsár die Zensur in Ofen. Die Zensur wurde von einem Jesuiten, dem Kanoniker Matthias Riethaler in Ofen wahrgenommen und durchgeführt. Dieser behandelte die Handschrift überaus großzügig und erteilte am 10. Juli 1792 die Druckgenehmigung. Der ursprüngliche Titel: "Die Geschichten des Fürsten Franz Rákóczi und die mit ihm in Exil lebenden Ungarn" (ung. Rákóczi Ferenc fejedelemnek és a vele bujdosó magyaroknak történetei) musste jedoch (vermutlich auf Wunsch des Zensors) in "Briefe aus der Türkei" (ung. Törökországi levelek) geändert werden. Das Werk erschien erstmals im Februar 1794 in der Offizin von Anton Joseph Siess in Steinamanger. Die Verlagsrechte lagen bei István Kultsár. Nach dessen Tode gingen sie an dessen Erben Ferenc Toldy über. Im Jahre 1867 verkaufte Toldy die Handschrift dem Erzbischof von Erlau Béla Bartakovics. Dieser nahm die Handschrift in die Erzbischöfliche Bibliothek auf, wo sie sich auch heute noch befindet.[5]

Seither sind die Briefe aus der Türkei in zahlreichen ungarischen Auflagen erschienen und wurden auch in zahlreiche Fremdsprachen übersetzt. Die Briefe aus der Türkei gehören bis in die Gegenwart hinein zu den bedeutendsten Werken der ungarischen Literatur.

Literatur

  • Kelemen Mikes: Briefe aus der Türkei. Styria-Verlag Graz, 1978, ISBN 978-3-222-10901-0 (Deutsche Übersetzung aus dem Ungarischen).
  • Dániel Veress: Így élt Mikes Kelemen. Budapest 1978, ISBN 963-11-1178-4 (ungarisch).
  • Kelemen Mikes: Briefe aus der Türkei. Insel Verlag Frankfurt am Main und Leipzig, 1999, ISBN 3-458-34318-0 (Deutsche Übersetzung aus dem Ungarischen)
  • Anton Klipp: Die Rákóczi in Karpatenjahrbuch 2014. ISBN 978-80-89264-85-8, Jg. 65, Seiten 63 bis 80.

Einzelnachweise

  1. Am 30. April 1711 legte hier das aus 12.000 Mann bestehende Kuruzenheer des Fürsten Franz II. Rákóczi vor den Kaiserlichen die Waffen nieder. Am 1. Mai 1711, dem Tag der Unterzeichnung des Vertrages, schworen sie vor Marschall Pállfy den Treueeid gegenüber dem habsburgischen Kaiser.
  2. siehe: Ungarns Geschichtsschreiber
  3. Dániel Veress... S. 184 (siehe Literatur)
  4. István Horváth soll ein "methusalemisches" Alter von 116 Jahren erreicht haben. (bei Dániel Veress... S. 185)
  5. Sämtliche Angaben stammen aus dem Buch von Dániel Veress (siehe Literatur).
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