Kartell-Convent

Der Kartell-Convent der Verbindungen deutscher Studenten jüdischen Glaubens (K.C.) war von 1896 bis 1933 ein deutschnationaler Korporationsverband jüdischer Studentenverbindungen. Im Jahr 1913 hatte er etwa 930 Mitglieder in zehn Verbindungen.[1], 1925 waren es 26 Verbindungen.[2]

Gründung und Selbstverständnis

Heidelberger K.C.-Studenten (1906)

Der K.C. wurde 1896 gegründet. „Als erste K.C.-Verbindung war die Viadrina Breslau von jungen Medizinern und einem jüdischen Theologen gegründet worden. Die Denkschrift offenbart eine ungewöhnliche Urteilskraft und persönliche Reife der Gründer. Sie wollte das stark durch antisemitische Propaganda erschütterte Selbstvertrauen der jüdischen Bevölkerung im allgemeinen und der jüdischen Studenten im besonderen stärken.“[3] „Diese Ziele lassen erkennen, daß ihre Mitglieder zu den Juden zählten, die sich bewußt als deutsche Staatsbürger fühlten und durch die gesellschaftliche Entwicklung ins Hintertreffen gekommen waren. Diese Gruppe hätte von vornherein ihre Bedeutung gehabt, wenn nicht die Verleihung von Staatsbürgerrechten an Juden so stürmisch bei der sogenannten Emanzipation durchgeführt worden wäre.“[4] In Königsberg, der nach Berlin und Breslau größten jüdischen Gemeinde, gehörte die Friburgia (1912) zum K.C. Die Friburgia lehnte den Zionismus ab.[5]

Indem er sich zur Genugtuung mit der Waffe bekannte, stand der Kartell-Convent in Gegensatz zu den Verbindungen im Verband jüdischer Studentenvereine (in Königsberg die Makkabäa von 1904). Der K.C. pflegte das Säbelfechten in besonderer Weise und erstrebte die Anerkennung seiner Waffen. Der Allgemeine Deutsche Waffenring lehnte das ab, verweigerte aber nicht die persönliche Genugtuung.[6]

Als 1919 in der gesamten Studentenschaft die sogenannte Judenfrage erörtert und in Hannover und München der Ausschluss aller jüdischen Studenten aus der Deutschen Studentenschaft gefordert wurde, gab der Kartell-Convent seine Verluste im Ersten Weltkrieg und die Zahl der verliehenen Auszeichnungen bekannt.[7]

Aus zionistischer Sicht war der K.C. Teil des „Abwehrjudentums“, das sich als Reaktion auf den zunehmenden deutschen Antisemitismus gebildet hatte und dessen patriotische Deklarationen und Identitätserklärungen an das Deutschtum als „würdelos“ empfunden wurden.

Nachleben

Noch Jahrzehnte nach der Auflösung des Kartell-Convents 1933 pflegten einige der Alten Herren, die aus Deutschland emigriert waren, dessen Traditionen fortzuführen. So hielt der K.C. 1957 in New York eine Gedächtnisfeier anlässlich des 80. Geburtstages von Ludwig Holländer.[8]

Bekannte Mitglieder

Mitgliedsverbindungen

Bünder des Kartell-Convents, Berlin 1931
NameOrtFarbenWappenGründungAnmerkung
Sprevia Berlin
gelb-weiß-schwarz
1894
Vineta Berlin
orange-silber-blau
1919
Silesia Berlin
violett-silber-hellgrün
1919
Rheno-Silesia Bonn
hellblau-gold-schwarz
1899
Thuringia Breslau
schwarz-blau-rot
1901
Viadrina Breslau 1886 erste exklusiv jüdische Verbindung Deutschlands, 1894 durch Rektor und Senat wegen zu großer Fechtfreudigkeit aufgelöst, AHV bestand weiter und trat dem KC bei
Macaria Danzig
orange-weiß-violett
1924
Viadrina Darmstadt
violett-silber-rot
1903
Nossovia Frankfurt a. M.
orange-weiß-schwarz
1915
Ghibellinia Freiburg i.Br.
schwarz-weiß-hellblau
1897
Staufia Gießen
schwarz-gelb-blau
1919
Visurgia Göttingen
grün-silber-violett
1919
Makaria Greifswald
violett-weiß-dunkelgrün
Albingia Halle (Saale)
violett-weiß-schwarz
1918
Saxonia Hamburg
schwarz-silber-dunkelblau
1919
Suevia Hannover
dunkelrot-blau-gold
1919
Bavaria Heidelberg
violett-weiß-orange
1890 gegründet als Badenia, 1901 verboten, 1902 als Bavaria wiedergegründet
Badenia Karlsruhe
grün-weiß-orange
1905
Rheno-Guestphalia Köln
hellblau-weiß-silber
1919
Friburgia Königsberg
schwarz-silber-rot
1912
Saxo-Bavaria Leipzig
grün-weiß-blau
1912
Hassia Marburg
violett-weiß-grün
1919 Anfangs violettrote, später graue Mützen. Vertagte sich im Wintersemester 1921/22.[9]
AV Suevia Mannheim
schwarz-gold-grün
1919
Licaria München
grün-weiß-schwarz
1895
Rheno-Bavaria Münster
gold-rot-gold
1918
Hansea Rostock
schwarz-gold-grün
Rheno-Palatia Würzburg
grün-weiß-rosa
1919

Literatur

  • Kurt U. Bertrams: Der Kartell-Convent und seine Verbindungen. Hilden 2008, ISBN 3-933892-69-4
  • Ernst Hans Eberhard: Handbuch des studentischen Verbindungswesens. Leipzig 1924/25
  • Bernhard Grün, Christoph Vogel: Die Fuxenstunde. Handbuch des Korporationsstudententums. Bad Buchau 2014, S. 223, ISBN 978-3-925171-92-5.
  • Harald Lönnecker: „Demut und Stolz, ... Glaube und Kampfessinn“. Die konfessionell gebundenen Studentenverbindungen – protestantisch, katholisch, jüdisch, in: R. C. Schwinges (Hrsg.): Universität, Religion und Kirchen (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte), 2009
  • Fritz Roubicek: Von Basel bis Czernowitz – die jüdisch-akademischen Studentenverbindungen in Europa. Wien 1986
  • Miriam Rürup: Ehrensache. Jüdische Studentenverbindungen an deutschen Universitäten 1886–1937. Göttingen 2008
  • Siegfried Schindelmeiser: Die Albertina und ihre Studenten 1544 bis WS 1850/51 und Die Geschichte des Corps Baltia II zu Königsberg i. Pr. (1970–1985). Erstmals vollständige, bebilderte und kommentierte Neuausgabe in zwei Bänden mit einem Anhang und zwei Registern, hg. von R. Döhler und G. v. Klitzing, München 2010, Bd. 2, S. 18 und 211, ISBN 978-3-00-028704-6
  • Harald Seewann: „Für Volkes Ehr´ und Wohl!“ Die Jüdisch-nationale akademische Verbindung Hasmonaea Czernowitz (1891–1940) und der Kampf um die Anerkennung der jüdischen Nationalität. Einst und Jetzt, Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Bd. 52 (2007), S. 163–198

Einzelnachweise

  1. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 2. Dez. 2008
  2. E. H. Eberhard: Handbuch des studentischen Verbindungswesens. Leipzig 1924/25.
  3. Adolph Asch: Der Kampf des Kartellverbandes jüdischer Korporationen (K. C.) gegen den Antisemitismus. In: Einst und Jetzt. Jahrbuch des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Jg. 16 (1971), S. 147–154, hier S. 150; eine ausführlichere Fassung des Beitrags in englischer Spreche findet sich im Leo Baeck Institute Yearbook (LBIYB), Jg. 3 (1958), S. 122–139.
  4. Schindelmeiser, Bd. 2, S. 18.
  5. Robert Albinus: Königsberg-Lexikon. Stadt und Umgebung. Flechsig, Würzburg 2002, ISBN 3-88189-441-1.
  6. Deutsche Corps-Zeitung, 37. Jg., S. 185
  7. Deutsche Corpszeitung, 36. Jg., S. 24
  8. Leo Baeck Institute Archives, New York, Ludwig Holländer Collection, Bestand AR 186 (Digitalisat).
  9. Georg Heer: Marburger Studentenleben 1527 bis 1927. Eine Festgabe zur 400jährigen Jubelfeier der Universität Marburg. Marburg 1926, S. 179
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