Karmin

Karmin (echtes Karmin, Cochenille, Koschenille, auch Karmesin) ist ein aus Cochenilleschildläusen gewonnener roter Farbstoff, dessen Hauptbestandteil die Karminsäure ist.

Strukturformel
Carminsäure
Strukturformel der Karminsäure
Allgemeines
Name Karmin
Andere Namen
Summenformel C22H20O13
Kurzbeschreibung

dunkelroter geruchloser Feststoff[3]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 1390-65-4
EG-Nummer 215-724-4
ECHA-InfoCard 100.014.295
PubChem 14950
Wikidata Q320617
Eigenschaften
Molare Masse 492,39 mol−1
Aggregatzustand

fest[3]

Dichte

1,36–1,38 g·cm−3[4]

Schmelzpunkt

Zersetzung ab 136 °C[3]

Löslichkeit

fast unlöslich in kaltem Wasser, löslich in heißem Wasser und Ethanol[3]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[4]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[4]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Der Farbstoff ist verwandt mit Kermes (unechtes Karmin), das aus Schildläusen aus dem Mittelmeerraum gewonnen wird, dem Färberlack aus der indischen Lackschildlaus, der Polnischen Cochenille (auch Wurzelkermes oder Johannisblut) aus der Polnischen Karminschildlaus (Porphyrophora polonica) und der Armenischen Cochenille aus der Schildlaus Porphyrophora hameli.[5] Mitunter wird die Bezeichnung Karmin für alle aus Schildläusen gewonnenen Farbstoffe verwendet.

Geschichte

Cochenilleschildläuse

Im südlichen Nordamerika sowie in Mittel- und Südamerika wurde der Farbstoff aus Cochenilleschildläusen (Dactylopius coccus Costa) hergestellt, die auf Feigenkakteen (Opuntien) leben. Die Technik der Farbherstellung wurde in den Bergen von Peru, Bolivien und Ecuador bereits vor der Ankunft der Europäer praktiziert und war dort und in Mexiko mindestens seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. bekannt. Cochenille wurde zum Färben von rituellen und zeremoniellen herrschaftlichen Textilien in Peru und Mexiko verwandt und als Tributzahlung an die Herrscher verwendet. Mit der Eroberung Amerikas wurden die Tributzahlungen ab dem 16. Jahrhundert an die neuen europäischen Herrscher geleistet.[6]

Damit verbreitete sich das echte Karmin auch in Europa und verdrängte weitgehend den Kermes. Die Europäer führten Cochenilleschildläuse an verschiedenen Orten ihres Einflussbereiches zur Produktion ein, unter anderem im Jahr 1826 erstmals auf den Kanarischen Inseln.[7] Auf La Palma wurde bis ins 20. Jahrhundert in kleinem Umfang Cochenille gewonnen. Mit der Entwicklung synthetischer Farbstoffe ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ist die Bedeutung von Karmin stark gesunken.

Herstellung

Der Farbstoff wird aus trächtigen weiblichen Schildläusen gewonnen. Zur Gewinnung der Farbe werden die Läuse mit Essig gewaschen und getrocknet, dann werden sie in Wasser unter Zusatz von etwas Schwefelsäure ausgekocht. Zur Verlackung als Aluminium- oder Calcium-Salz wird die Karminsäure anschließend unter Anwendung von Alaun und etwas Kalk ausgefällt, ausgewaschen und getrocknet. Nach der Verkollerung kann das Karmin als Pigment verwendet werden.

Ein Kilogramm getrocknete Cochenilleschildläuse ergeben ca. 50 Gramm Karmin.[3] Dafür benötigt man etwa 60.000 bis 100.000 Cochenilleschildläuse.[8] Die europäischen Schildlausarten enthalten etwa 10-mal weniger Farbstoff. Während der Farbstoff aus der Cochenilleschildlaus, wie auch aus der Armenischen Schildlaus, zu über 94 % Karminsäure enthält, besteht der Farbstoff aus der Polnischen Schildlaus nur zu 62–88 % aus Karminsäure. Der Farbstoff aus der Kermes-Schildlaus besteht überwiegend aus Kermessäure.[9][10][11][12][13]

Verwendung

Farbstoff

Karmin im Farbkreis mit Bezeichnungen nach dem Farbtonkreis von Müller. Hier sind die Farben in die Normfarbtafel der CIE, unter Beleuchtung mit Normlicht der Art C eingebaut.
Karmin
Farbcode: #960018

Karmin ist ein – vergleichsweise hochwertiger – Ersatz für den Purpur der Schnecken und ergibt scharlach- bis karminrote oder purpurrote Farbtöne. Der Farbstoff wird zum Färben von Textilien und bei kosmetischen Artikeln, beispielsweise Lippenstiften, sowie für Malerfarben eingesetzt.

Als Malerfarbe ist Karmin nur wenig lichtbeständig. Es wurde häufig als Aquarellfarbe eingesetzt oder aber auch für Lasuren. Karminessigsäure eignet sich als Karminfärbung (für die Histologie bereits von Alfonso Corti[14] eingeführt, 1858 begründet durch Joseph von Gerlach und Jacob A. Lockhart Clarke[15]) zum Fixieren und gleichzeitigem Anfärben von Chromosomen (diese werden dunkel schwarzrot) in der Mikroskopie (für genetische Untersuchungen).

Lebensmittelfarbstoff

In Deutschland wurde „Carminsäure“ durch die Farbstoff-Verordnung ab 1959 für die Verwendung in Lebensmitteln zugelassen.[16] Zur Übernahme der Richtlinie des Rats zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für färbende Stoffe, die in Lebensmitteln verwendet werden dürfen in nationales Recht wurde die Farbstoff-Verordnung 1966 angepasst und für „Karminsäure“ die E-Nummer E 120 aufgenommen.[17] Ab 1978 wurde die Verwendung in Deutschland durch die Zusatzstoff-Zulassungsverordnung geregelt. Durch die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008, die am 20. Januar 2009 in Kraft trat, ist die Verwendung von „Echtem Karmin“ als Lebensmittelzusatzstoff E 120 im ganzen EWR einheitlich geregelt.[18] Es darf für Konserven von roten Früchten, Käse, Fischrogen-Imitate, Maronenkrem, Brotaufstriche aus Obst und Gemüse, Frühstücksgetreidekost, Wurst und Fleischzubereitungen, Fisch und Krebstiere, Fisch- und Krebstierpaste und aromatisierte Getränke (z. B. Campari) verwendet werden. Je nach Anwendung liegt die zulässige Höchstmenge zwischen 50 und 250 mg/kg. Für spezielle Anwendungen, wie essbare Wurstumhüllungen, gibt es keine Mengenbegrenzungen (quantum satis).[18] Ein preisgünstiges Surrogat ist Cochenillerot A, ein als E 124 als Lebensmittelzusatzstoff zugelassener Azofarbstoff.

Toxikologie

Beim Einatmen kann echtes Karmin als Aeroallergen Asthma auslösen.[19] Auch bei oraler Einnahme wurden allergische Reaktionen bis zur Anaphylaxie beschrieben, wobei IgE-Antikörper per RAST und Immunoblot nachgewiesen wurden.[20]

Literatur

  • Amy Butler Greenfield: A Perfect Red: Empire, Espionage and the Quest for the Colour of Desire. HarperCollins Publisher, New York 2004, ISBN 0-06-052275-5 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  • Heinrich Moritz Willkomm: Die Cochenille. In: Die Gartenlaube. Heft 30, 1855, S. 398–400 (Volltext [Wikisource]).
Commons: Karminrot – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Eintrag zu E 120: Cochineal, Carminic acid, Carmines in der Europäischen Datenbank für Lebensmittelzusatzstoffe, abgerufen am 16. Juni 2020.
  2. Eintrag zu CI 75470 in der CosIng-Datenbank der EU-Kommission, abgerufen am 28. Dezember 2020.
  3. Eintrag zu Karmin. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 12. März 2019.
  4. Eintrag zu Carmin in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 21. November 2022. (JavaScript erforderlich)
  5. M. C. Whiting: Die Farbstoffe in frühen Orientteppichen. In: Gesellschaft Deutscher Chemiker (Hrsg.): Chemie in unserer Zeit. 15. Jahrgang, Nr. 6. Verlag Chemie, Weinheim 1981, S. 179–189.
  6. E. Phipps: Cochineal Red: The Art History of a Color. The Metropolitan Museum of Art, New York 2010, ISBN 978-1-58839-361-6, S. 8–12 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  7. H. Honegger: Einführung und Cultur der Cochenille auf den kanarischen Inseln. In: Der Zoologische Garten. 20, 1879, archive.org.
  8. Hans Strümpel: Homoptera (Pflanzensauger) (= Handbuch der Zoologie. Band 4, Teilband 28). de Gruyter, Berlin / New York 1983, ISBN 3-11-008856-8, S. 81.
  9. I. Klöckl: Chemie der Farbmittel: In der Malerei. Walter De Gruyter, Berlin/München/Boston 2015, ISBN 978-3-11-037451-3, S. 293 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. C. Watt, J. Watt Jr.: The Chemist: Or, Reporter of Chemical Discoveries and Improvements, and Protector of the Rights of the Chemist and Chemical Manufacturer. R. Hastings, London 1840, S. 209210 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  11. Major Colourants and Dyestuff: Cochineal and Carmine auf fao.org, abgerufen am 17. Juli 2018.
  12. J. Best: Colour Design. Elsevier, 2017, ISBN 978-0-08-101270-3, S. 562.
  13. HALI: The International Journal of Oriental Carpets and Textiles. Ausgaben 111–113, Oguz Press, 2000, S. 61.
  14. Andreas Mettenleiter: Das Juliusspital in Würzburg. Band III: Medizingeschichte. Herausgegeben vom Oberpflegeamt der Stiftung Juliusspital Würzburg anlässlich der 425jährigen Wiederkehr der Grundsteinlegung. Stiftung Juliusspital Würzburg, Würzburg 2001, ISBN 3-933964-04-0, S. 435.
  15. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 36.
  16. BGBl. 1959 I S. 756 vom 19. Dezember 1959.
  17. BGBl. 1966 I S. 74 vom 20. Januar 1966.
  18. Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über Lebensmittelzusatzstoffe.
  19. A. I. Tabar, S. Acero, C. Arregui, M. Urdánoz, S. Quirce: Asthma and allergy due to carmine dye. In: Anales del sistema sanitario de Navarra. Band 26, Suppl. 2, 2003, S. 65–73, PMID 13679965.
  20. L. Jäger, B. Wüthrich, B. Ballmer-Weber, St. Vieths (Hrsg.): Nahrungsmittelallergien und -intoleranzen: Immunologie – Diagnostik – Therapie – Prophylaxe. 3. Auflage. Elsevier, Urban & Fischer, 2008, ISBN 978-3-437-21362-5, S. 224.
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