Karl Koch (Hacker)

Karl Werner Lothar Koch, auch bekannt unter seinem Pseudonym hagbard (* 22. Juli 1965 in Hannover; † 23. oder 24. Mai 1989 in Ohof),[2] war ein deutscher Hacker.

Karl Koch 1985, in Hannover
Karl Koch (Hannover, 1985)[1]

Familie und Jugend

Koch wuchs unter schwierigen Umständen auf.[3] Seine Mutter starb 1976 an Krebs, sein Vater hatte Alkoholprobleme. Koch besuchte die Comeniusschule Hannover, engagierte sich im Landesschülerrat und interessierte sich in seiner Freizeit für Astronomie.[4]

1979 schenkte Karls Vater ihm das Buch Der goldene Apfel, das Teil der Romantrilogie Illuminatus! der Autoren Robert Shea und Robert Anton Wilson war und das sehr starken Einfluss auf ihn hatte. Aus seinen Einnahmen als Mitglied des Landesschülerrats kaufte er sich nach eigenen Angaben 1982 seinen ersten Computer.[5]

Im August 1984 starb auch sein Vater an Krebs. In der Folgezeit kam Koch mit harten Drogen in Berührung, deren Konsum er von Jahr zu Jahr steigerte. Im Februar 1987 brach er deswegen einen Urlaub in Spanien ab und ließ sich zu einer Entziehungskur in die Psychiatrische Klinik in Aachen einweisen. Er verließ die Klinik wieder im Mai 1987.

Hackerkarriere

Nach dem Krebstod seines Vaters hatte Koch 240.000 DM geerbt, von denen er die Hälfte seinen Schwestern überließ.[6] Von seinem Anteil des Erbes mietete er 1984 eine eigene Wohnung in Hannover und kaufte sich unter anderem einen Atari ST. 1985 gründete er mit anderen Hackern zuerst den Computer-Stammtisch im Café Filmore in der Lister Meile der Hannoveraner Oststadt, woraus sich unter dem Namen Leitstelle511 der lokale Ableger des Chaos Computer Club entwickelte, der bis heute existiert.[7]

Koch benutzte in den Datennetzen das Pseudonym „hagbard“, in Anlehnung an Hagbard Celine, den Protagonisten der Illuminatus!-Romantrilogie. Auch seinen Computer hatte er nach dem der Romantrilogie „FUCKUP“ (First Universal Cybernetic-Kinetic Ultra-Micro Programmer) benannt. Koch war davon überzeugt, dass es die Illuminaten, wie sie in Illuminatus! beschrieben wurden, tatsächlich gibt, und versuchte, wie der Protagonist der Bücher, diese mit seinen eigenen Mitteln, eben dem Hacken, zu bekämpfen.

Koch war ein überzeugter Anarchist, der seine Hacks auf Grund seiner Einstellung machte: „Wissen muss für jeden Menschen gleich zugänglich sein![8] Ab 1985 war Koch Mitglied der SPD.

KGB-Hack

Bekannt wurde Koch durch den so genannten KGB-Hack[9], bei dem er mit den deutschen Hackern „dob“ (Dirk-Otto Brezinski), „pengo“ (Hans Heinrich Hübner) und „urmel“ (Markus Hess) zusammenarbeitete. Der Croupier Peter „Pedro“ Carl, der sich in notorischen Geldsorgen befand, sah in den Fähigkeiten der drei Hacker eine Möglichkeit zum Geldverdienen. Die Idee, ihre Entdeckungen auf den gehackten, westlichen Computersystemen an das KGB zu verkaufen, stammte von ihm. Die Gruppe wurde 1986 durch den US-amerikanischen Astrophysiker Clifford Stoll, einem Systemadministrator an der Universität von Kalifornien in Berkeley, enttarnt, nachdem ihm aufgefallen war, dass bei einem Großrechner, für dessen Wartung er zuständig war, Kosten von 75 US-Cent für in Anspruch genommene Rechnerleistung angefallen waren, die keinem Abrechnungskonto zugeordnet werden konnten. Da dies einen Hinweis auf einen unerlaubten Eindringling darstellte, ging er der Sache trotz des geringen Betrags nach und kam dadurch schließlich Koch auf die Spur. Stoll schrieb über diese Vorkommnisse das Buch Kuckucksei.

Tod

In den Monaten vor seinem Tod arbeitete Koch als Fahrer für die Landesgeschäftsstelle der niedersächsischen CDU. Am 1. Juni 1989 wurde seine Leiche in einem Wald bei Ohof im Landkreis Gifhorn gefunden, nachdem er bereits eine Woche vermisst worden war.[10] Amtlich wurde als Todesursache Selbstverbrennung angegeben. Als mögliche Gründe werden Kochs lange emotionale Vereinnahmung durch die „Jagd auf Illuminaten“ und sein dauerhafter Drogenkonsum angenommen, die ihn Ende der 1980er Jahre immer weiter in psychische Probleme getrieben und auch Klinikaufenthalte zur Folge gehabt hatten. Vor allem in der Hackerszene halten sich Gerüchte, Koch sei – möglicherweise aus politischen Motiven oder infolge seiner Verwicklung ins kriminelle Milieu – ermordet worden. Die Todesumstände sind nicht vollständig aufgeklärt.

Rezeption

Der Spielfilm 23 – Nichts ist so wie es scheint von Hans-Christian Schmid aus dem Jahr 1998 zeichnet Kochs Leben und Wirken nach. Bei der Darstellung einiger Personen und Ereignisse weicht der Film – im Wesentlichen aus dramaturgischen Gründen – von den Tatsachen ab. Die Rolle Kochs spielte August Diehl, der dafür den Deutschen Filmpreis erhielt. Gemeinsam mit Michael Gutmann veröffentlichte Schmid im folgenden Jahr ein Buch mit einer Biographie Kochs.

Im Februar 2016 wurde im Jungen Schauspiel Hannover eine Theateradaption des Films unter dem gleichen Titel und der Regie Christopher Rüpings uraufgeführt.[11]

Literatur

  • Thomas Ammann, Matthias Lehnhardt, Gerd Meißner, Stephan Stahl: Hacker für Moskau. Deutsche Computer-Spione im Dienst des KGB. Wunderlich, Reinbek 1989, ISBN 3-8052-0490-6.
  • Katie Hafner, John Markoff: Cyberpunk. Outlaws and Hackers on the Computer Frontier. Simon & Schuster, New York 1995, ISBN 0-684-81862-0.
  • Hans-Christian Schmid, Michael Gutmann: 23. Die Geschichte des Hackers Karl Koch (= dtv. Band 8477). Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, ISBN 3-423-08477-4.
  • Clifford Stoll: Kuckucksei. Die Jagd auf die deutschen Hacker, die das Pentagon knackten. 5. Auflage. Fischer, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-596-13984-8.

Fußnoten

  1. Datei:Vertriebenendenkmal, 3, Moritzberg, Hildesheim, Landkreis Hildesheim.jpg – Wikipedia. Abgerufen am 20. Juni 2022.
  2. Den 23. Mai nennt Susanne Nolte: Zum 20. Todestag von Karl Koch. In: iX – Magazin für professionelle Informationstechnik. Juni 2009, S. 93; den 24. Mai nennt die Todesanzeige seiner Schwester, siehe Freke Over, Armin, Wilhelm, Hans und Steffen: Dokumentation über Karl Koch. 1989, S. 9 (PDF).
  3. Wenn nicht anders angegeben, stammen die Informationen aus der Dokumentation Freke Over, Armin, Wilhelm, Hans und Steffen: Karl Koch. 1989, insbesondere der selbst verfasste Lebenslauf Kochs auf S. 4 f. (PDF).
  4. Carsten Ost: Karl Koch. Erinnerungen eines Bekannten auf dessen persönlicher Homepage, März 2001.
  5. Hans-Christian Schmid, Michael Gutmann: 23. Die Geschichte des Hackers Karl Koch (= dtv. Band 8477). Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, S. 19. Die Autoren zitieren aus einem von Karl im Jahr 1989 selbst verfassten Lebenslauf.
  6. Hans-Christian Schmid, Michael Gutmann: 23. Die Geschichte des Hackers Karl Koch (= dtv. Band 8477). Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1999, S. 19.
  7. Leitstelle 511 Chaos Computer Club Hannover. 5. Oktober 2015.
  8. Karl Koch: Wissen muss für jeden zugänglich sein. Heute wäre Hacker Karl Koch 45 Jahre alt geworden. Seine Maxime: Wissen muss für jeden Menschen gleich zugänglich sein! dctp.tv, 22. Juli 2010, abgerufen am 14. Juni 2014.
  9. Er konnte an jedem Ort der Welt sitzen. In: Der Spiegel. 5. März 1989, abgerufen im Jahr 2023.
  10. Susanne Nolte: Zum 20. Todestag von Karl Koch. In: iX – Magazin für professionelle Informationstechnik. Juni 2009, S. 93.
  11. 23 – Nichts ist so wie es scheint. (Memento vom 24. Januar 2017 im Internet Archive) In: SchauspielHannover.de; Stefan Gohlisch: Hacker Karl Koch als Bühnenstück. In: Neue Presse, 22. Februar 2016 (Gespräch mit dem Regisseur).
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.