Kandidatenturnier Toronto 2024
Beim Kandidatenturnier 2024 in Toronto vom 3. bis 22. April 2024 wird der Herausforderer des Titelverteidigers Ding Liren bei der Schachweltmeisterschaft 2024 ermittelt. Es nehmen acht Spieler daran teil, darunter drei Inder, zwei Amerikaner und je ein Spieler aus Frankreich, Aserbaidschan und Russland.
Qualifikation
Die 8 Spieler qualifizierten sich auf unterschiedliche Weise für das Kandidatenturnier:
- Vizeweltmeister
- Sieger des Weltpokals 2023
- Zweiter des Weltpokals 2023
- Dritter des Weltpokals 2023
- Sieger des Grand Swiss 2023
- Zweiter des Grand Swiss 2023
- Weltrangliste
- Sieger des Fide Circuit 2023
Änderungen
Der nach dem K.-o.-System ausgetragene Schach-Weltpokal stellte erstmals seit dem Kandidatenturnier London 2013 nicht nur zwei, sondern drei Kandidaten. Damit war das „kleine Finale“ um Platz 3 ausschlaggebend für den dritten Qualifikationsplatz.
Die Turnierserie des FIDE Grand Prix, durch den in den vergangenen fünf Kandidatenturnieren jeweils zwei Teilnehmer ermittelt wurden, wurde nach dem Auslaufen des Vertrages zwischen der FIDE und dem kommerziellen Ausrichter WorldChess abgeschafft. Zwei von der FIDE im Mai 2022 angekündigte Qualifikationsplätze für die Top-Platzierten der Grand Chess Tour kamen nicht zustande, ohne dass die FIDE den Grund für die Änderung bekannt gab. Es wird jedoch erwartet, dass die Turniere der Tour in den FIDE Circuit aufgenommen werden.[1]
Teilnehmer
Für das Kandidatenturnier sind acht Spieler qualifiziert:
- Jan Nepomnjaschtschi: Der 33-jährige Russe und Vizeweltmeister, der wegen des Angriffskrieges seines Heimatlandes gegen die Ukraine auf Beschluss der FIDE[2] unter ihrer neutralen Flagge antrat, ist als Unterlegener der Schachweltmeisterschaft 2023 gesetzt. Mit einer Elo-Zahl von 2758 belegte er bei Turnierbeginn Platz 7 der Weltrangliste. Es ist nach 2020/21 und 2022 bereits seine dritte Teilnahme. Aus beiden vorangegangenen Kandidatenturnieren ging er als Sieger hervor. Die Weltmeisterschaftswettkämpfe verlor er jedoch gegen Magnus Carlsen 2021 bzw. gegen Ding Liren 2023.
- Praggnanandhaa aus Indien hatte sich durch seinen zweiten Platz beim Schach-Weltpokal 2023 für das Kandidatenturnier qualifiziert. Mit einer Elozahl von 2747 belegte der 18-jährige Schachspieler Platz 14 der Weltrangliste. Es ist seine erste Teilnahme an einem Kandidatenturnier.
- Der Amerikaner Fabiano Caruana, der als dritter des Schach-Weltpokals ins Rennen geht, nimmt bereits zum fünften Mal an einem Kandidatenturnier teil. 2018 in Berlin gewann er das Turnier, unterlag dann aber im Weltmeisterschafts-Wettkampf 2018 Magnus Carlsen knapp. Der 31-Jährige hatte bei Turnierbeginn mit 2803 Elo-Punkten die höchste Wertzahl des Teilnehmerfeldes und belegte Platz zwei der Weltrangliste hinter Magnus Carlsen und noch vor dem aktuellen Weltmeister Ding Liren.
- Da der Sieger des Weltpokals Magnus Carlsen auf eine Teilnahme verzichtete[3], rückt für ihn der Viertplatzierte Nicat Abasov nach. Dem 28-jährigen Aserbaidschaner werden als Nummer 114 der Weltrangliste (Elo: 2632) von vielen Experten nur Außenseiterchancen eingeräumt, obwohl er beim Weltpokal mit Anish Giri und Vidit Gujrathi zwei Mitfavoriten besiegt hatte.
- Der Gewinner des Grand Swiss 2023 Vidit Gujrathi aus Indien reist ebenso wie seine beiden Landsleute zum ersten Mal zu einem Kandidatenturnier an. Mit einer Elo-Zahl von 2727 (Platz 25 der Weltrangliste) wird er zwar etwas schwächer eingestuft als Praggnanandhaa und Gukesh; mit 29 Jahren ist er allerdings deutlich erfahrener.
- Hikaru Nakamura, der Zweitplatzierte des Grand Swiss 2023, ist mit 36 Jahren der älteste Teilnehmer des Turniers. Für den Amerikaner ist es nach einem siebten Platz 2016 in Moskau und einem vierten Platz 2022 in Madrid bereits das dritte Kandidatenturnier. Zwischenzeitlich zog er sich teilweise aus dem Wettkampfschach zurück und fokussierte sich verstärkt auf seine Tätigkeit als Streamer. Nach der Corona-Pandemie startete er jedoch ein Comeback und konnte an frühere Erfolge anknüpfen, so dass er mit einer Elozahl von 2789 (Platz 3 der Weltrangliste) als einer der Favoriten ins Turnier startet.
- Der aus dem Iran stammende Franzose Alireza Firouzja erhielt seinen Teilnahmeplatz aufgrund der besten Elo-Zahl. Am Stichtag (Jahreswechsel 2023/24) belegte er Platz 6 der Weltrangliste.[4] Da alle Spieler vor ihm bereits qualifiziert waren (Caruana, Nakamura, Nepomnjaschtschi), auf eine Teilnahme verzichteten (Carlsen) oder als Weltmeister nicht teilnahmen (Ding), reichte das für die Qualifikation. Die erforderlichen Elo-Punkte erhielt er in einem eher zweitklassigen Open-Turnier in Rouen, das er im Dezember 2023 spielte und mit 7 Punkten aus 7 Partien gewann. Auf diese Weise gelang es ihm in letzter Minute, den zuvor besser platzierten Wesley So zu überholen.[5] Firouzja startete mit 2760 Elo-Punkten ins Turnier. Obwohl erst 20 Jahre alt, ist es bereits seine zweite Teilnahme. In Madrid 2022 hatte er den dritten Platz erreicht.
- Das Feld wird durch den Inder Gukesh komplettiert. Mit 17 Jahren ist er der jüngste Teilnehmer. Gukesh hatte sich durch seinen zweiten Platz im FIDE Circuit 2023 für das Kandidatenturnier qualifiziert, da Caruana als Sieger bereits auf anderem Wege qualifiziert war. Mit 2743 Elo-Punkten stand er zu Turnierbeginn auf dem 16. Platz der Weltrangliste.
Übersicht
Spieler | Qualifikationsweg | Elo-Zahl (April 2024) |
Platz Weltrangliste (April 2024) |
---|---|---|---|
Jan Nepomnjaschtschi | Verlierer der Schachweltmeisterschaft 2023 | 2758 | 7 |
R. Praggnanandhaa | Zweitplatzierter beim Schach-Weltpokal 2023 | 2747 | 14 |
Fabiano Caruana | Drittplatzierter beim Schach-Weltpokal 2023 | 2803 | 2 |
Nicat Abasova | Viertplatzierter beim Schach-Weltpokal 2023 a | 2632 | 114 |
Santosh Gujrathi Vidit | Sieger des FIDE Grand Swiss Tournament 2023 | 2727 | 25 |
Hikaru Nakamura | Zweitplatzierter des FIDE Grand Swiss Tournament 2023 | 2789 | 3 |
D. Gukeshb | Zweitplatzierter des FIDE Circuit 2023b | 2743 | 16 |
Alireza Firouzja | Weltrangliste (Januar 2024) | 2760 | 6 |
Modus
Das Turnier wird in der Great Hall in Toronto ausgetragen. Wie bei den vorherigen Kandidatenturnieren handelt es sich um ein Doppelrundenturnier – das bedeutet, dass in 14 Runden jeder Teilnehmer zwei Partien mit vertauschten Farben gegen jeden anderen Teilnehmer spielt.[8] Hauptschiedsrichter ist Aris Marghetis aus Kanada.
Die Bedenkzeit beträgt 120 min für die ersten 40 Züge und 30 min für den Rest der Partie mit einem Inkrement von 30 s pro Zug (ab Zug Nr. 41). In den ersten 40 Zügen sind Remisvereinbarungen zwischen den Spielern nicht gestattet. Eine Partie kann in den ersten 40 Zügen also nur nach Patt oder dreimaliger Stellungswiederholung unentschieden enden.
Wie in Schachturnieren allgemein üblich werden Siege mit einem Punkt und Remis mit einem halben Punkt gewertet. Der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt das Turnier und qualifiziert sich als Herausforderer für den Weltmeisterschafts-Zweikampf gegen den amtierenden Weltmeister Ding Liren. Im Falle von Punktgleichheit werden Tiebreaks zwischen den betroffenen Spielern ausgetragen, und zwar zunächst durch Schnellschach-Partien und dann - falls das keine Entscheidung bringen sollte - durch Blitzpartien.
Die Preisgelder betragen 48.000 €, 36.000 € und 24.000 € für die besten drei Spieler, sowie ein Bonus für alle Spieler in Höhe von 3.500 € für jeden halben Punkt.[9]
Verlauf
2. Runde
Stellung nach 11. ... Lxh3!
a | b | c | d | e | f | g | h | ||
8 | 8 | ||||||||
7 | 7 | ||||||||
6 | 6 | ||||||||
5 | 5 | ||||||||
4 | 4 | ||||||||
3 | 3 | ||||||||
2 | 2 | ||||||||
1 | 1 | ||||||||
a | b | c | d | e | f | g | h |
Nach vier Remispartien in der ersten Runde sahen alle Partien der zweiten Runde einen Sieger. Bemerkenswert war unter anderem Vidits Sieg über Nakamura, der als Schwarzer in der Berliner Verteidigung der Spanische Partie schon früh von der Theorie abwich und bereits im 11. Zug ein Läuferopfer anbot (siehe Diagramm). Nakamura lehnte das Opfer ab, sah sich aber wegen des unterentwickelten Damenflügels einem starken Angriff ausgesetzt, den er nicht abwehren konnte, so dass er bereits im 29. Zug aufgab. Nach diesem Sieg folgten für Vidit aber zwei Niederlagen gegen Praggnanandhaa und Nepomnjaschtschi. Letzterer überraschte in der als weitgehend erforscht geltenden Berliner Variante durch eine Neuerung (11. g4 nebst 12. Sh2). Durch seinen Sieg in der vierten Runde übernahm Nepomnjaschtschi vorerst die alleinige Führung vor dem ersten Ruhetag.
Ergebnisse
Rundenübersicht
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Kreuztabelle
Platz | Spieler | Pkt | FC | HN | AF | JN | RP | SGV | DG | NA |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 | Jan Nepomnjaschtschi | 3 | 1 | — | 1 | ½ | ½ | |||
2-3 | D. Gukesh | 2½ | ½ | ½ | 1 | ½ | — | |||
2-3 | Fabiano Caruana | 2½ | — | ½ | ½ | ½ | 1 | |||
4 | R. Praggnanandhaa | 2 | ½ | ½ | — | 1 | 0 | |||
5-8 | Santosh Gujrathi Vidit | 1½ | 1 | 0 | 0 | — | ½ | |||
5-8 | Alireza Firouzja | 1½ | ½ | — | 0 | ½ | ½ | |||
5-8 | Hikaru Nakamura | 1½ | ½ | — | ½ | 0 | ½ | |||
5-8 | Nicat Abasov | 1½ | 0 | ½ | ½ | ½ | — |
Weblinks
Einzelnachweise
- Conrad Schormann: Vincent und die Saboteure. Perlen vom Bodensee, 21. Dezember 2022, abgerufen am 27. Mai 2023.
- Offizielles Statement der FIDE zum russischen Überfall auf die Ukraine, 2. März 2022, abgerufen am 8. April 2024
- Carlsen spielt das Kandidatenturnier nicht mit, chessbase, 4. Januar 2024
- Weltrangliste Januar 2024 im Archiv der FIDE, abgerufen am 8. April 2024
- André Schulz: "Firouzja wieder auf Kurs", 29. Dezember 2023 auf chessbase.com, (abgerufen am 7. April 2024)
- Exklusiv: Carlsen bestätigt, dass er die Einladung zum Kandidatenturnier offiziell ablehnen wird. 8. Januar 2024, abgerufen am 7. April 2024.
- Abschlussbericht der FIDE. In: fide.com. 30. Dezember 2023, abgerufen am 31. Dezember 2023.
- Ankündigung der FIDE, online, abgerufen am 15. Mai 2023.
- Regulations for the FIDE Candidates Tournament 2024, pdf, englisch, abgerufen am 9. April 2024