Kabinett Demirel IV

Das Kabinett Demirel IV war die 39. Regierung der Türkei, die vom 31. März 1975 bis zum 21. Juni 1977 durch Ministerpräsident Süleyman Demirel geleitet wurde.

Die Wahl zur Nationalversammlung in der Türkei 1973 gewann überraschend die Cumhuriyet Halk Partisi (CHP) von Bülent Ecevit. Obwohl der ehemalige Ministerpräsident Süleyman Demirel als Favorit in die Wahl gegangen war, konnte die CHP die Mehrheit erringen, während die Adalet Partisi (AP) von Demirel massiv verlor. Die von Ecevit-Gegnern und traditionalistischen Kemalisten gegründete Cumhuriyetçi Güven Partisi (CGP) kam auf 5,3 Prozent. Necmettin Erbakan konnte die 1971 verbotene pro-islamische Partei Millî Nizam Partisi 1972 unter dem Namen Millî Selamet Partisi (MSP) neu gründen und erhielt auf Anhieb 11,8 Prozent.[1]:97 f. Die rechtsnationale Milliyetçi Hareket Partisi (MHP) errang drei Sitze und 3,38 Prozent der Stimmen.

Staatspräsident Fahri Korutürk beauftragte daraufhin Ecevit mit der Regierungsbildung. CHP und proislamische MSP einigten sich im Januar 1974 auf ein Regierungsprogramm, das allerdings keine großen Reformen enthielt. Die stark gestiegene Arbeitslosigkeit konnte die neue Regierung nicht eindämmen.[1]:99 Die kurze Regierungszeit der Koalition war geprägt von der immer stärker aufflammenden Gewalt linksrevolutionärer Gruppen und rechtsextremistischer Kommandos der Grauen Wölfe, die das Land mit Terror überzogen, und der Zypernkrise, in deren Verlauf die Türkei zum Schutz der zypriotischen Türken einen Teil der Insel besetzte.[1]:99 In den folgenden Wochen kam es zu stärkeren Meinungsverschiedenheiten zwischen Ecevit und Erbakan. Ecevit kündigte die Koalition am 18. September 1974 in der Hoffnung auf, bei vorgezogenen Neuwahlen einen Sieg zu erzielen.

Aufgrund der gewachsenen Popularität von Ecevit wegen des Zypernkonflikts wollten die anderen Parteien eine Wahl allerdings nicht riskieren. Auf der Suche nach neuen Mehrheiten war das Land mehrere Monate ohne handlungsfähige Regierung. Am 17. November wählte das Parlament mit dem unabhängigen Juristen und Senator Sadi Irmak zwar einen neuen Ministerpräsidenten mit einem Minderheitskabinett aus CGP und Unabhängigen, das allerdings zum Spielball der großen Parteien wurde und so kaum handlungsfähig war.[1]:99 f. Nur wenige Monate später verkündete Demirel Ende März 1975 eine Einigung zwischen seiner Adalet Partisi, der islamischen MSP, der kemalistisch-konservativen CGP und der rechtsnationalen MHP von Alparslan Türkeş. Die häufig als „Kabinett der Nationalistischen Front“ (Milliyetçi Cephe) bezeichnete Regierung konnte sich auf eine knappe Mehrheit von 228 der 450 Abgeordneten stützen.

Geprägt war die Regierungszeit allerdings von massiver Einschleusung von Mitgliedern der Parteien in Regierungsstellen und die staatliche Verwaltung. Insbesondere Islamisten und Rechtsextreme konnten von dieser Politik profitieren. Unter dem Einfluss der islamischen MSP wurden Vorschriften in islamischer Richtung ausgelegt oder entsprechende Erlasse geschaffen. Unter dem Einfluss der rechtsnationalen MHP schritt die Regierung gegen den rechtsextremen Straßenterror kaum noch ein. Bei den Zwischenwahlen zum Senat am 12. Oktober 1975 konnte die CHP unter Ecevit daher massive Gewinne erzielen und erreichte 43,9 Prozent der Stimmen. Nachdem sich die Vierer-Koalition im Jahr 1976 kaum noch auf eine konstruktive Politik einigen konnte, entschloss sich die regierende Adalet Partisi, mit der CHP und gegen die eigene Partner für vorgezogenen Neuwahlen zu stimmen. Zu Beginn der heißen Wahlkampfphase kam es bei den Feiern zum Ersten Mai zu blutigen Auseinandersetzungen. Rechtsextremisten schossen in die Menge auf dem Taksim-Platz. Die Polizei löste die Veranstaltung daraufhin gewaltsam auf und es kam zu einer Massenpanik, bei der 34 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden.[1]:100 f.

Bei den Wahlen im September 1977 konnte Bülent Ecevit mit der CHP 41,4 Prozent der Stimmen erringen und verfehlte damit die absolute Mehrheit knapp um 13 Sitze. Es folgte ein CHP-Minderheitskabinett.[1]:101

Minister

39. Regierung der Republik Türkei[2]
Kabinett Demirel IV – 31. März 1975 bis zum 21. Juni 1977
Titel Name Partei
MinisterpräsidentSüleyman DemirelAP
Stellvertretende Ministerpräsidenten
Necmettin ErbakanMSP
Turhan FeyzioğluCGP
Alparslan TürkeşMHP
Staatsminister
Seyfi ÖztürkAP
Hasan AksayMSP
Mustafa Kemal Erkovan
Osman Albayrak
MHP
AP
31. März 1975 bis 30. April 1977
30. April 1977 bis 21. Juni 1977
Gıyasettin KaracaAP
Justizministerİsmail Müftüoğlu
Zeyyat Baykara
MSP
unabhängig
31. März 1975 bis 11. April 1977
11. April 1977 bis 21. Juni 1977
VerteidigungsministerFerit MelenCGP
InnenministerOğuzhan Asiltürk
Sabakattin Özbek
MSP
unabhängig
31. März 1975 bis 11. April 1977
11. April 1977 bis 21. Juni 1977
Außenministerİhsan Sabri ÇağlayangilAP
FinanzministerYılmaz ErgenekonAP
BildungsministerAli Naili ErdemAP
Minister für öffentliche ArbeitenFehim AdakMSP
HandelsministerHalil BaşolAP
Minister für Gesundheit und SozialhilfeKemal Demir
Vefa Tanır
CGP31. März 1975 bis 19. April 1977
19. April 1977 bis 21. Juni 1977
Minister für Zoll und MonopoleOrhan ÖztrakCGP
Minister für Ernährung, Landwirtschaft und ViehhaltungKorkut Özal
TransportministerNahit Menteşe
İbrahim Aysoy
AP
unabhängig
31. März 1975 bis 11. April 1977
11. April 1977 bis 21. Juni 1977
ArbeitsministerAhmet Tevfik Paksu
Şevket Kazan
MSP31. März 1975 bis 10. November 1976
16. November 1976 bis 21. Juni 1977
Minister für soziale SicherheitAhmet Mahir AblumAP
Minister für Industrie und TechnologieAbdülkerim DoğruMSP
TourismusministerLütfi Tokoğlu
Nahit Menteşe
AP31. März 1975 bis 11. April 1977
11. April 1977 bis 21. Juni 1977
KulturministerRıfkı DanışmanAP
Minister für Bau und SiedlungswesenNurettin OkAP
Minister für Energie und natürliche RessourcenSelahattin KılıçAP
Minister für dörfliche AngelegenheitenVefa PoyrazAP
ForstministerTurhan KapanlıAP
Minister für Jugend und SportAli Şevki ErekAP

Einzelnachweise

  1. Matthes Buhbe: Türkei. Politik und Zeitgeschichte. (=Band 2, Studien zu Politik und Gesellschaft des Vorderen Orients), Leske + Budrich, Opladen 1996
  2. 39. Regierung der Republik Türkei (Memento vom 8. August 2014 im Internet Archive), Große Nationalversammlung der Türkei, abgerufen am 28. März 2019
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