KZ Risiera di San Sabba

Die Risiera di San Sabba war ein nationalsozialistisches Konzentrationslager in der italienischen Stadt Triest. Es verfügte als einziges Konzentrationslager auf italienischem Boden über ein Krematorium. Insgesamt sind schätzungsweise 20.000–25.000 Häftlinge durch die Risiera di San Sabba gegangen. Die Schätzungen über die Zahl der dort getöteten Menschen (jüdische Häftlinge, Partisanen und Antifaschisten) schwanken zwischen 3.000 und 5.000.

Risiera di San Sabba: Fabrikgebäude mit Gedenkstätte an der Stelle des gesprengten Krematoriums

Geschichte

Nach der Bekanntgabe des Waffenstillstands zwischen dem Königreich Italien und den Alliierten am 8. September 1943 wurde das Gebiet um Triest (Friaul, Julisch Venetien, Istrien) vom nationalsozialistischen Deutschen Reich als Operationszone Adriatisches Küstenland verwaltet. Im Zuge der sogenannten Partisanenbekämpfung kam es zu schweren Repressalien gegen die Zivilbevölkerung. Das Lager von San Sabba entstand im Oktober 1943 auf Veranlassung des Höheren SS- und Polizeiführers in Triest, Odilo Globocnik, in den mehrstöckigen Fabrikgebäuden einer 1913 erbauten früheren Reismühle (it. Risiera) im Triester Vorort San Sabba (im heutigen Stadtteil Valmaura). In dem seit 1929 ungenutzten Gebäude wurde im September 1943 das Kriegsgefangenenlager Stalag 339 für italienische Kriegsgefangene eingerichtet, das am 20. Oktober in ein „Polizeihaftlager“ umgewandelt wurde. Es diente hauptsächlich zur Inhaftierung von Geiseln, Partisanen und anderen politischen Gefangenen, aber auch als Sammellager für Juden vor ihrer Deportation in die Vernichtungslager. Zahlreiche Widerstandskämpfer wurden bei Verhören gefoltert und im Lager ermordet (erschossen, erschlagen oder in Gaswagen vergast). Zur Verbrennung der Leichen wurde im März 1944 der frühere Trockenofen der Reismühle unter Leitung von Erwin Lambert, der bereits die Gaskammern und Krematorien in Treblinka und Sobibor errichtet hatte, zum Krematorium umgebaut, das an den vorhandenen 40 m hohen Fabrikschornstein angeschlossen war. Am 4. April 1944 wurden dort erstmals 70 Leichen von Geiseln verbrannt, die am Tag zuvor erschossen worden waren. In der Risiera wurden auch beschlagnahmte und geraubte Wertgegenstände gelagert.

Das Lager wurde zum größten Teil von erfahrenen Spezialisten der fabrikmäßigen Menschenvernichtung geführt. Es unterstand der „Sonderabteilung Einsatz R“, die von SS-Sturmbannführer Christian Wirth befehligt wurde, der vorher die Vernichtungslager Belzec, Sobibor und Treblinka geleitet hatte. Als er im Frühjahr 1944 von jugoslawischen Partisanen getötet wurde, folgte ihm SS-Obersturmbannführer Dietrich Allers. Lagerkommandanten waren unter anderem Gottlieb Hering und Josef Oberhauser. Vor ihrem Einsatz in Triest waren sie zunächst in der „Euthanasie“-Aktion T4 am Massenmord von geistig oder körperlich behinderten Menschen beteiligt, danach wurden sie in das Generalgouvernement versetzt, um im Rahmen der Aktion Reinhardt an der Vernichtung von mindestens 2 Millionen Menschen mitzuwirken. Zusammen mit Odilo Globocnik kamen sie schließlich in die Operationszone Adriatisches Küstenland.

Ende April 1945 wurde das Lager aufgegeben; das Krematoriumsgebäude wurde in der Nacht vom 29. zum 30. April 1945 gesprengt, um Spuren zu verwischen.

In den Gebäuden des Lagers waren nach dem Krieg zunächst Flüchtlinge untergebracht; anschließend waren die Gebäude dem Verfall preisgegeben. 1965 zur nationalen Gedenkstätte erklärt, wurden sie nach umfangreichen Restaurierungsarbeiten 1975 als städtisches Museo della Risiera di San Sabba der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Gegen die Lagerverantwortlichen Allers und Oberhauser fand in Abwesenheit 1975/76 in Triest ein Strafprozess statt. Allers starb vor Prozessende, Oberhauser wurde im April 1976 zu lebenslanger Haft verurteilt, war aber in Deutschland vor Auslieferung sicher und brauchte die Strafe daher nicht zu verbüßen.

Gebäude

Heute sind noch folgende Gebäude vorhanden und können besichtigt werden:

  • Die Todeszellen
  • Daneben 17 Zellen, in denen jeweils bis zu sechs Häftlinge eingeschlossen wurden. Diese Zellen waren vor allem für politische Häftlinge, Slowenen, Kroaten und Juden vorgesehen, die Tage oder Wochen später umgebracht werden sollten. Die ersten beiden Zellen wurden auch zur Folter verwendet, nach Kriegsende wurden hier außerdem Tausende von Personalausweisen gefunden.
  • Im Gebäude nebenan befinden sich auf vier Stockwerken größere Zimmer, in denen Männer, Frauen und Kinder eingesperrt wurden, die für die Deportation in andere Lager (Dachau, Mauthausen, Auschwitz) vorgesehen waren.
  • Im zentralen Gebäude, einst Dienstgebäude und Kaserne, befindet sich heute ein Museum.

Auf dem Grundriss des gesprengten Krematoriums wurde ein Teich angelegt.

Sonstiges

Die Risiera di San Sabba spielt eine zentrale Rolle in dem 2006 erschienenen Roman Heldenfriedhof des deutschen Autors Thomas Harlan, in dem 2015 erschienenen Roman Non luogo a procedere (deutsch: Verfahren eingestellt, 2017) des italienischen Autors Claudio Magris[1], in dem 2016 erschienenen Roman Totenlied (Originaltitel: Playing with Fire) der US-amerikanischen Schriftstellerin Tess Gerritsen sowie in dem 2020 erschienenen Roman Die Liebenden von der Piazza Oberdan des österreichischen Autors Christian Klinger.

Im November 2008 besuchten die damaligen Außenminister Deutschlands und Italiens, Frank-Walter Steinmeier und Franco Frattini, die Risiera und kündigten anschließend die Gründung einer Historikerkommission an, die sich mit der deutsch-italienischen Kriegsvergangenheit befassen sollte. Diese am 28. März 2009 eingesetzte Deutsch-italienische Historikerkommission legte im Dezember 2012 ihren Abschlussbericht vor.[2]

Commons: Risiera di San Sabba – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Risiera di San Sabba. Comune die Trieste; (italienisch, deutsch, englisch, kroatisch, slowenisch).
  • Triest - Risiera di San Sabba. Studienkreis Deutscher Widerstand 1933-1945;.
  • A Teacher’s Guide to the Holocaust: Photos: The Risiera di San Sabba, I. In: usf.edu. 15. Januar 2005; (englisch).
  • Andrea Giuseppini: Le voci di San Sabba: Il processo per i crimini commessi alla Risiera di San Sabba. In: radioparole.it. 21. Februar 2008, archiviert vom Original am 31. August 2018; (italienisch, Radiodokumentation des Prozesses).
  • Das KZ „Risiera di San Sabba“. In: deathcamps.org. 5. September 2006; (deutsch, englisch).
  • Comunità Ebraica di Trieste: Trieste ebraica: La Risiera di San Sabba. In: moked.it.

Literatur

  • René Moehrle: Judenverfolgung in Triest während Faschismus und Nationalsozialismus 1922–1945. Berlin 2014, ISBN 978-3-86331-195-7, S. 357–370.
  • Dokumentation: Die Tötungslager in der Risiera di San Sabba in Triest. In: zeitgeschichte, Heft 3/4 1996, ISBN 3-7100-0206-0, S. 113–122.
  • Juliane Wetzel: Italien. In: Wolfgang Benz, Barbara Distel (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 9: Arbeitserziehungslager, Ghettos, Jugendschutzlager, Polizeihaftlager, Sonderlager, Zigeunerlager, Zwangsarbeiterlager. C.H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-57238-8.

Belletristik

  • Thomas Harlan: Heldenfriedhof. Eichborn Verlag, Frankfurt 2006, ISBN 9783821807645
  • Kathrin Gerlof: Das ist eine Geschichte. Aufbau Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-351-03563-1.
  • Claudio Magris: Verfahren eingestellt. Übersetzung Ragni Maria Gschwend. Hanser Verlag, München 2017, ISBN 978-3-446-25466-4 (italienische Originalausgabe: Non luogo a procedere, 2015)
  • Tess Gerritsen: Totenlied. Übersetzung Andreas Jäger. Blanvalet-Verlag 2016, ISBN 978-3-8090-2670-9. (englische Originalausgabe: Playing with Fire, 2015)
  • Christian Klinger: Die Liebenden von der Piazza Oberdan. Picus Verlag, Wien 2020, ISBN 978-3-7117-2099-3.

Einzelnachweise

  1. Nicole Henneberg: Claudio Magris’ neuer Roman: Die Mörder stammten aus Triests besten Kreisen. In: FAZ.net. 27. Mai 2017, abgerufen am 21. März 2020 (Rezension).
  2. Mariano Gabriele, Wolfgang Schieder u. a.: Bericht der von den Außenministern der Bundesrepublik Deutschland und der Italienischen Republik am 28.3.2009 eingesetzten Deutsch-Italienischen Historikerkommission. (pdf, 639 kB) Juli 2012, archiviert vom Original am 4. September 2020; abgerufen am 21. März 2020.

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