Kittsee

Kittsee (slowakisch Kopčany, ungarisch Köpcsény, kroatisch Gijeca)[1] ist eine Marktgemeinde mit 3630 Einwohnern (Stand 1. Jänner 2023) im Bezirk Neusiedl am See im Burgenland in Österreich.

Marktgemeinde
Kittsee
WappenÖsterreichkarte
Wappen von Kittsee
Kittsee (Österreich)
Kittsee (Österreich)
Basisdaten
Staat: Österreich
Bundesland: Burgenland
Politischer Bezirk: Neusiedl am See
Kfz-Kennzeichen: ND
Fläche: 19,27 km²
Koordinaten: 48° 5′ N, 17° 4′ O
Höhe: 138 m ü. A.
Einwohner: 3.630 (1. Jän. 2023)
Bevölkerungsdichte: 188 Einw. pro km²
Postleitzahl: 2421
Vorwahl: 02143
Gemeindekennziffer: 1 07 11
Adresse der
Gemeinde­verwaltung:
Hauptplatz 11
2421 Kittsee
Website: www.kittsee.at
Politik
Bürgermeister: Johannes Hornek (ÖVP)
Gemeinderat: (Wahljahr: 2022)
(21 Mitglieder)
Insgesamt 25 Sitze
  • ÖVP: 12
  • SPÖ: 6
  • LIKI: 5
  • UBFK: 2
Lage von Kittsee im Bezirk Neusiedl am See
Lage der Gemeinde Kittsee im Bezirk Neusiedl am See (anklickbare Karte)
Lage der Gemeinde Kittsee im Bezirk Neusiedl am See (anklickbare Karte)
Vorlage:Infobox Gemeinde in Österreich/Wartung/Lageplan Imagemap
Quelle: Gemeindedaten bei Statistik Austria
BW

Geografie

Kittsee ist der einzige Ort in der Gemeinde. Er liegt direkt an der Grenze zur Slowakei bei Bratislava. Der nördlichste Punkt des Burgenlandes befindet sich ebenfalls in Kittsee. Die ursprüngliche Gemeinde war größer und reichte bis auf das heutige Staatsgebiet der Slowakei. Nach der Grenzziehung von 1919 liegt nur mehr der westliche Teil auf österreichischem Gebiet. Der abgetrennte Teil ist heute ein Teil des fünften Bezirks von Bratislava, Petržalka, und trägt den slowakischen Namen Kopčany.

Nachbargemeinden:

Berg (BL)
Edelstal Kompassrose, die auf Nachbargemeinden zeigt Slowakei
Prellenkirchen (BL) Pama

Geschichte

Kittsee (rechts oben) um 1873 im Aufnahmeblatt der Landesaufnahme (links schematisch dargestellt der Bereich des Militärlagers in Bruck an der Leitha)

Die Herrschaft Kittsee befand sich im vom ungarischen König Stephan I. gegründeten Grenzkomitat Wieselburg. Durch die Lage an der Donau und an der Straße zwischen Wien und Pressburg war Kittsee ein wichtiger Ort für den Ost-West-Handel. Vermutlich wurde bereits von Béla III. hier eine Mautstation errichtet. Mit deren Einnahmen wurden die Burg erbaut und für die Erhaltung der Straßen und Brücken gesorgt. Spätestens im 15. Jahrhundert hatte Kittsee das Marktrecht.

1529 wurde der Ort von den Osmanen zerstört. Im 16. Jahrhundert wurden in verödeten Dörfern kroatische Bauern angesiedelt. 1679 wütete die Pest in Kittsee. 1683 zerstörten die Osmanen den Ort auf ihrem Weg nach Wien. Auch der Bethlenkrieg 1619–1620 und der Kuruzenkrieg von 1704 stellten schwere Belastungen dar.[2]

Seit 1898 musste aufgrund der Magyarisierungspolitik der Regierung in Budapest der ungarische Ortsname Köpcsény verwendet werden. Um das Jahr 1910 wurden zahlreiche neue Häuser errichtet. Nach dem Ausspruch eines aus Amerika zurückgekehrten Auswanderers wurde der neue Ortsteil Chikago genannt.

Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde nach zähen Verhandlungen Deutsch-Westungarn in den Verträgen von St. Germain und Trianon 1919 Österreich zugesprochen. Der Ort gehört seit 1921 zum neu gegründeten Bundesland Burgenland (siehe auch Geschichte des Burgenlandes).

Am 1. Jänner 1971 wurde Kittsee mit Edelstal fusioniert[3], die Fusionierung wurde aber am 1. Jänner 1992 wieder rückgängig gemacht[4].

Bis zum Jahr 1990 lag Kittsee direkt am „Eisernen Vorhang“. Dieser Umstand führte in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Rückgang der Einwohnerzahl. Seit den 2000er Jahren steigt die Bevölkerungszahl jedoch stark an, bedingt durch den Zuzug jüngerer, meist besser gestellter slowakischer Familien. Gründe sind vor allem niedrigere Grundstückspreise als in Bratislava, die günstige Lage nahe dem Stadtzentrum der slowakischen Hauptstadt sowie Kreditunterstützungen seitens des österreichischen Staats.[5] Im Jahr 2003 wurde in Kittsee die Region Centrope gegründet. Am 24. Juni 2009 wurde Kittsee zur Marktgemeinde erhoben.[6]

Das jüdische Kittsee

Kittsee gehörte zu den burgenländischen Siebengemeinden, wo sich seit 1670 unter dem Schutz der Fürsten Esterházy Juden niederlassen durften. 1735 lebten in Kittsee 266 Juden, 1821 waren es 789. Aufgrund starker Abwanderung in den Jahrzehnten danach – aus wirtschaftlichen Gründen – sank ihre Zahl bis 1934 auf 62. Rund einen Monat nach dem Anschluss kam es zur endgültigen Zerstörung der Judengemeinde Kittsee.

Ortszentrum von Kittsee mit der Synagoge (um 1920)

Mitte April 1938 wurden die 51 jüdischen Anwohner Kittsees und der Nachbargemeinde Pama nachts von Mitgliedern der SA aus ihren Häusern geholt, enteignet und auf einer Sandinsel in der Donau ausgesetzt. Die Flüchtlinge wurden von Einwohnern des tschechoslowakischen Dorfes Devín (heute ein Stadtteil von Bratislava) und der Militärpolizei gefunden und umgehend über die ungarische Grenze abgeschoben. Ungarn wiederum schob die Juden nach Österreich zurück. Nach einer längeren Irrfahrt konnten schließlich jüdische Hilfsorganisationen in Bratislava den deportierten Kittseer Juden die Emigration in verschiedene Aufnahmeländer ermöglichen.[7]

Das kroatische Kittsee

Kittsee zählt auch zum Siedlungsgebiet der Burgenlandkroaten. Allerdings ist dieses Bevölkerungselement seit Ende des Zweiten Weltkrieges auf nur mehr ein paar Dutzend Sprecher zusammengeschmolzen. Der Ort wurde um 1550 mit Kroaten besiedelt; der Anteil der Deutschen und der Kroaten hielt sich in Kittsee – ähnlich wie in den Orten Antau (Otava), Sigleß (Cikleš) und Stegersbach (Santalek) – in der Vergangenheit stets in der Waage. Im Laufe des 19. Jahrhunderts verlagerte sich das Schwergewicht zu Gunsten der deutschsprachigen Gruppe, die kroatische behielt aber bis in die Zwischenkriegszeit einen namhaften Umfang (Anteil der Kroaten an der Gesamtbevölkerung 1910: 37,6 %, 1934: 31,8 %, 1951: 9,4 %, 2001: 2,6 %). Kittsee zählt noch heute zu den zweisprachigen Pfarren des Burgenlandes mit kroatischer Seelsorgesprache.

Der Ort zählt vor der Angliederung des Burgenlandes an Österreich auch einen Anteil von rund einem Viertel magyarischer Bevölkerung (1910: 25,2 %; 1920: 24,3 %). Die Volkszählung von 1923 verzeichnet hingegen einen Anteil von nur 7,3 % ungarischsprachiger Bevölkerung, der sich bis 1934 nochmals auf 4,7 % verringert.

Bevölkerungsentwicklung

Grenzübergang Kittsee/Petržalka

Die meisten Zuwanderer der letzten Jahre stammen aus der Slowakei. Sie können sich die hohen Wohnkosten in Bratislava nicht mehr leisten.[8]

Kultur und Sehenswürdigkeiten

Neues Schloss Kittsee
Ethnographisches Museum: Reste der Werbefläche an der Schlosspark-Einfriedung (April 2016)
  • Heidenturm Kittsee
  • Jüdischer Friedhof Kittsee
  • Altes Schloss Kittsee
  • Neues Schloss Kittsee: Schloss Kittsee wurde Anfang des 17. Jahrhunderts erbaut, es ist mit seinem Schlosspark ein bedeutendes Barockschloss des nördlichen Burgenlandes. Das Schloss beherbergte bis zum 28. September 2008 das Ethnographische Museum Schloss Kittsee, welches ausgewählte Exponate der Volkskultur von Ost- und Südosteuropa zeigte, seitdem ist das Museum geschlossen. Seit 2007 finden in den Sommermonaten Musiktheater-Aufführungen im Rahmen des Sommerfestival Kittsee statt. Künstlerischer Leiter ist der Wiener Schauspieler, Sänger und Regisseur Gerhard Ernst.
  • Pfarrkirche Kittsee: Die dreischiffige Kirche hat einen rd. 36 m hohen (inklusive Kreuz) eingebundenen Westturm mit haubenförmigem Helm und eine halbrunde Apsis. Die Kirche mit einem Fassungsraum für rund 1250 Personen wurde nach den Plänen der Architektin Helene Koller-Buchwieser vom Baumeister Stefan Wilhelm Haderer ab 1948 errichtet und am 16. Nov. 1952 von Bischof Josef Schoiswohl eingeweiht.[9]

Kulinarische Spezialitäten

Die Kittseer Marille, eine Züchtung, die von der Frühen Ungarischen Gelben stammt, wurde im Jahr 2004 als Wortbildmarke geschützt.

Wirtschaft und Infrastruktur

Verkehr

Kittsee hat eine Eisenbahn-Station an der Bahnstrecke Parndorf – Kittsee – Bratislava-Petržalka. Die Züge fahren planmäßig bis nach Deutschkreutz über die Strecke der Raab-Oedenburg-Ebenfurter Eisenbahn. Sie liegt etwa 15–20 Gehminuten vom Ortszentrum entfernt. Züge fahren stündlich nach Petržalka (Fahrzeit 5 Minuten) und nach Wien Hbf. (ca. 55 Minuten). Diese fahren im Stundentakt und in den Morgenstunden auch halbstündlich. An Samstag, Sonn- und Feiertag fährt auch ein Zug bis nach Mürzzuschlag. Kittsee hatte früher außerdem einen Bahnhof an der Pressburger Bahn.

Landwirtschaft

Aus landwirtschaftlicher Sicht spielt der Marillenanbau eine große Rolle. Im Jahr 2013 bestanden circa 30.000 Marillenbäume auf etwa 110 ha.[10]

Gesundheitswesen

Kittsee spielt eine wichtige Rolle als medizinisches Zentrum. Die beiden Gesundheitshäuser haben jeweils circa 100 Patientenbetten.

  • Das einzige allgemeine öffentliche Krankenhaus des Bezirkes befindet sich hier. Es wurde 1902 vom seliggesprochenen Augenarzt Ladislaus Batthyány-Strattmann gegründet und 2004 auch nach ihm benannt. Das Krankenhaus soll 2030 nach Gols verlegt werden.[11]
  • Das Neurologische Rehabilitationszentrum (NRZ) wurde 2012 neu erbaut und liegt im Ortszentrum in der Spitalgasse in direkter Nachbarschaft zum Krankenhaus.[12]
  • Das Therapiezentrum Kittsee wurde mit Jahresende 2022 aus wirtschaftlichen Gründen stillgelegt.

Politik

Gemeinderat

Gemeinderatswahl 2022
 %
50
40
30
20
10
0
46,64
(+11,48)
23,04
(−10,05)
19,91
(+0,42)
10,41
(+1,64)
n. k.
(−2,49)
LIKIA1
UBFKA2
2017

2022

Vorlage:Wahldiagramm/Wartung/Altes Ergebnis nicht 100%

Der Gemeinderat umfasst aufgrund der Einwohnerzahl insgesamt 21 Mitglieder.

Ergebnisse der Gemeinderatswahlen seit 1997
Partei 2022[13] 2017[14] 2012[15] 2007[16] 2002[17] 1997[17]
Sti. % M. Sti.%M. Sti.%M. Sti.%M. Sti.%M. Sti.%M.
ÖVP 820 46,64 12 52535,169 47034,367 44735,938 49339,258 59354,7612
SPÖ 405 23,04 6 49433,098 53338,969 69956,1912 63650,6411 49045,249
LIKIA1 350 19,91 5 29119,494 23917,474 nicht kandidiert nicht kandidiert nicht kandidiert
UBFKA2 183 10,41 2 1318,772 926,731 786,271 nicht kandidiert nicht kandidiert
FPÖ nicht kandidiert 523,480 342,490 201,610 12710,112 nicht kandidiert
Wahlberechtigte 3020 2101 1922 1788 1646 1661
Wahlbeteiligung 63,54 % 72,54 % 75,13 % 80,31 % 86,88 % 81,40 %
A1 
Liste Kittsee
A2 
Unparteiische Bürgerliste für Kittsee

Bürgermeister

Bürgermeister ist Johannes Hornek (ÖVP), der sich in der Stichwahl vom 29. Oktober 2017 mit 57,04 % der Stimmen gegenüber seiner Vorgängerin Gabriele Nabinger (SPÖ), die 42,96 % erreichte, durchsetzte.[14] Hornek wurde am 10. November 2017 von der Hauptfrau des Bezirks Neusiedl am See, Birgit Lentsch, angelobt.[18]

Bei der Wahl 2022 verteidigte Johannes Hornek sein Amt mit 54,76 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang.[13]

Bürgermeister von Kittsee (Auszug):

  • 1958–1970 Franz Böröczky (SPÖ)
  • 1977 Franz Böröczky (SPÖ)
  • 2010–2012 Klaus Senftner (SPÖ)[19]
  • 2012–2017 Gabriele Nabinger (SPÖ)
  • seit 2017 Johannes Hornek (ÖVP)

Wappen

Blasonierung: „Runder, silberner (weißer), schlanker Turm mit hohem Rundbogentor, einem Fensterschlitz im Mittelgeschoß und zwei Fenstern im Obergeschoß, einem vorspringenden, schindelgedecktem hohen Spitzdach mit Knauf und Spitze auf grünem Boden und blauem Schild.[20]

Persönlichkeiten

Literatur

  • Veronika Plöckinger (Red.): Zerstörte jüdische Gemeinden im Burgenland – eine Spurensicherung am Beispiel Kittsee. Österreichisches Museum für Volkskunde, Wien 2005, ISBN 3-902381-07-8
  • Felix Tobler: Kroaten und Deutsche in Kittsee. Beispiele zu ihrem Verhältnis im 18. und 19. Jahrhundert. In: Burgenländische Heimatblätter. Nr. 54/1992, Eisenstadt 1992, S. 18–25, zobodat.at [PDF]
  • Abschnitt „Die Partnergemeinden“ in „TÜPL Bruckneudorf – 150 Jahre Brucker Lager“ von Petra Weiß, Hrsg. Stadtgemeinde Bruck an der Leitha, April 2017, S. 438/439.
Commons: Kittsee – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wikivoyage: Kittsee – Reiseführer

Einzelnachweise

  1. Erwin Schranz (Hrsg.): Orts-, Fluss- und Flurnamen im burgenländisch-pannonischen Raum. Burgenländisch-Hianzische Gesellschaft, Oberschützen 2008, S. 83.
  2. Michael Floiger: Kittsee. In: www.atlas-burgenland.at. Abgerufen am 25. Oktober 2017.
  3. Gemeindeänderungen ab 1945. Statistik Austria, S. 3. In: Änderungen in der Verwaltungsgliederung. Statistik Austria (ZIP, 1,3  MB; Inhalt PDF); abgerufen am 8. Juni 2022.
  4. Gemeindeänderungen ab 1945. Statistik Austria, S. 83. In: Änderungen in der Verwaltungsgliederung. Statistik Austria (ZIP, 1,3  MB; Inhalt PDF); abgerufen am 8. Juni 2022.
  5. Thomas Franke: Bratislavas neuer Vorort heißt Kittsee. In: derStandard.at. 13. März 2012, abgerufen am 11. September 2018.
  6. Gemeindeänderungen ab 1945. Statistik Austria, S. 120. In: Änderungen in der Verwaltungsgliederung. Statistik Austria (ZIP, 1,3  MB; Inhalt PDF); abgerufen am 8. Juni 2022.
  7. Das Drama an der Donau, Teil 1
  8. Roman Fillinger: Wenn ein österreichisches Dorf slowakisch wird. In: Rendez-vous, 2. Juli 2023.
  9. Kittsee.at: Sehenswürdigkeiten; abgerufen am 6. Dez. 2016
  10. Kittseer Marille. Eintrag Nr. 86 im Register der Traditionellen Lebensmittel des österreichischen Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus. Abgerufen am 15. Februar 2013
  11. Website Krankenhaus, abgerufen am 13. Februar 2023.
  12. Website Rehazentrum, abgerufen am 13. Februar 2023.
  13. Gemeinderatswahlen 2022-10-02. Land Burgenland, abgerufen am 30. Oktober 2022.
  14. Land Burgenland: Wahlergebnis Kittsee 2017 (abgerufen am 30. November 2017)
  15. Land Burgenland: Wahlergebnis Kittsee 2012 (abgerufen am 30. November 2017)
  16. Land Burgenland: Wahlergebnis Kittsee 2007 (abgerufen am 30. November 2017)
  17. Land Burgenland: Wahlergebnis Kittsee 2002 (abgerufen am 30. November 2017)
  18. meinbezirk.at vom 10. November 2017: Angelobung der Bürgermeister und Vizebürgermeister (abgerufen am 30. November 2017)
  19. Scheinanmeldungen Kittsee: Zwei Schuldsprüche. ORF, 29. Mai 2013, abgerufen am 29. Oktober 2017.
  20. Wappen. Marktgemeinde Kittsee, abgerufen am 25. Juni 2020.
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