Königsteiner Schlüssel

Im Königsteiner Schlüssel ist festgelegt, wie die einzelnen Länder der Bundesrepublik Deutschland an gemeinsamen Finanzierungen zu beteiligen sind. Der Anteil, den ein Land danach tragen muss, richtet sich zu zwei Dritteln nach dem Steueraufkommen und zu einem Drittel nach der Bevölkerungszahl.

Der Schlüssel wird von der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) jährlich neu berechnet und verdankt seine Entstehung dem Königsteiner Staatsabkommen vom 31. März 1949. Das Staatsabkommen hat durch die Aufnahme des Art. 91b Satz 2 in das Grundgesetz im Jahre 1969 verfassungsrechtliche Absicherung erfahren (jetzt: Art. 91b Abs. 3 GG).

Ort des Treffens, auf dem das Abkommen unterzeichnet worden ist, war die hessische Stadt Königstein im Taunus, die Namensgeber sowohl für den Königsteiner Schlüssel als auch das Königsteiner Staatsabkommen ist.[1]

Anwendungsbereich

Der Königsteiner Schlüssel löste ursprünglich das Finanzierungsmodell für die Deutsche Forschungshochschule ab, das im Staatsabkommen über die Errichtung einer deutschen Forschungshochschule in Berlin-Dahlem und die Finanzierung deutscher Forschungsinstitute vom 3. Juni 1947 zwischen den Ländern Bayern, Württemberg-Baden und Hessen vereinbart worden war. Das faktische Scheitern der Deutschen Forschungshochschule und die Notwendigkeit, ein Modell zur Forschungsförderung in allen westdeutschen Ländern, nicht nur in denen der amerikanischen Zone, zu finden, führte zum Königsteiner Staatsabkommen mit einem erweiterten Finanzierungsmodell. Im März 1949 wurde zu diesem Zweck im Rahmen des Staatsabkommens ein neuer Verteilungsschlüssel ermittelt, um die Kosten überregional bedeutender Forschungseinrichtungen gerecht auf die einzelnen Länder zu verteilen.

Der heutige Anwendungsbereich übersteigt den damaligen um ein Weites. Zahlreiche Abkommen bzw. Vereinbarungen greifen inzwischen auf ihn zurück. Die mit der Föderalismusreform 2006 ins Grundgesetz aufgenommene Vorschrift des Art. 104a Abs. 6 regelt auch die Frage, zu welchen Anteilen der Bund und die Länder für die Verletzung supranationaler oder völkerrechtlicher Verpflichtungen haften. Das dort vorgeschriebene Ausführungsgesetz, das Lastentragungsgesetz (LastG) vom 5. September 2006, verwendet ebenfalls den Königsteiner Schlüssel.

Wie bereits die Verteilung von Aussiedlern und Spätaussiedlern auf einzelne Bundesländer, erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel auch die Erstverteilung Asylbegehrender (gemäß § 45 AsylG). Für die Erstverteilung, aber auch für die Registrierung von Asylsuchenden verwendet das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) das EDV-System EASY. Die Aufnahmequoten für die einzelnen Bundesländer werden von EASY mit Hilfe des Königsteiner Schlüssels errechnet. Die Einweisung eines Asylsuchenden in eine bestimmte Erstaufnahmeeinrichtung erfolgt unter Berücksichtigung der errechneten Quoten und seines Herkunftslandes durch das EDV-System.[2][3][4] Bis 31. Oktober 2015 galt der Königsteiner Schlüssel nur für die Verteilung Erwachsener, nach dem Gesetz zur Verbesserung der Unterbringung, Versorgung und Betreuung ausländischer Kinder und Jugendlicher ist er seit dem 1. November 2015 auch auf die Verteilung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge auf die einzelnen Bundesländer anwendbar.[5] Mit dem Krankenhausstrukturgesetz vom 13. Dezember 2015 ist ein Strukturfonds in Höhe von 500 Mio. EURO eingerichtet worden, der Vorhaben der Länder zur Verbesserung der Krankenhausstrukturen fördern soll; auf die Mittel können die Bundesländer nach § 12 Krankenhausfinanzierungsgesetz des Bundes anteilig entsprechend dem Königsteiner Schlüssel zurückgreifen.

Verteilung

Für das Haushaltsjahr 2015 wurden die Daten des Steueraufkommens und der Bevölkerungszahl von 2013 zugrunde gelegt. Aufgrund seiner Bevölkerungszahl ist Nordrhein-Westfalen Hauptträger von gemeinsamen Finanzierungen, mit einigem Abstand gefolgt von Bayern und Baden-Württemberg.

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Im Laufe der Jahre gab es einige Veränderungen, wie die folgende Tabelle zeigt:

Land„Königsteiner Schlüssel“ Anteil in %Bev. Anteil %
20192018201720162015201420142020
Baden-Württemberg 13,0406113,0128013,0165112,9666212,8645612,9749613,2013,35
Bayern 15,5607215,5649115,5503915,5332715,5187315,3304815,6315,80
Berlin 5,189955,137545,092675,083245,049275,045574,274,41
Brandenburg 3,029873,018023,025713,036553,060533,060533,023,04
Bremen 0,953790,962840,951150,953310,956880,940970,820,82
Hamburg 2,603432,557902,558472,557522,529682,527382,172,23
Hessen 7,437097,443447,364247,398857,358907,315577,517,57
Mecklenburg-Vorpommern 1,980451,984192,001612,012402,029062,041651,971,94
Niedersachsen 9,395339,409939,365599,331389,321049,356969,649,62
Nordrhein-Westfalen 21,0759221,0867621,1435521,1442421,2101021,2405221,7221,56
Rheinland-Pfalz 4,818484,824594,834664,830894,837104,834725,064,93
Saarland 1,198271,201971,203441,211111,221731,215661,221,18
Sachsen 4,982084,990855,024675,055775,083865,100674,994,88
Sachsen-Anhalt 2,696122,751642,771582,799412,830682,857712,752,62
Schleswig-Holstein 3,405783,405263,417253,390743,403373,387913,493,50
Thüringen 2,632112,647362,678512,694702,724512,748352,662,55
Insgesamt 100100 100100 100100 100100
Bev. Anteil % = Anteil der Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung Deutschlands

Modifizierter Königsteiner Schlüssel

Falls bei Finanzierungsmaßnahmen auch der Bund einen Teil der Kosten übernimmt, wird der modifizierte Königsteiner Schlüssel verwendet. Hierbei übernimmt der Bund den gleichen Betrag wie das Land mit dem höchsten Anteil gemäß dem Standardschlüssel, wodurch sich folgende Aufstellung ergibt:

LandAnteil in %
20182017
Baden-Württemberg 10,7510,74
Bayern 12,8512,84
Berlin 4,244,20
Brandenburg 2,492,50
Bremen 1,800,79
Hamburg 2,112,11
Hessen 6,156,08
Mecklenburg-Vorpommern 1,641,65
Niedersachsen 7,777,73
Nordrhein-Westfalen 17,4117,45
Rheinland-Pfalz 3,983,99
Saarland 0,990,99
Sachsen 4,124,15
Sachsen-Anhalt 2,272,29
Schleswig-Holstein 2,812,82
Thüringen 2,192,21
Bund 17,4117,45
Insgesamt 100100

Vergleichbare Verfahren in anderen Staaten

Im Vereinigten Königreich werden öffentliche Ausgaben des Zentralstaats, die nur bestimmte Teilstaaten (England, Wales, Schottland, Nordirland) betreffen, nach der Barnett Formula bestimmt.

Kritik

Klaus J. Bade kritisierte 2015 bei der Verteilung von Asylbegehrenden auf die Bundesländer, der Königsteiner Schlüssel „verursacht absurde Kosten und abstruses Leid, weil er auf lange Zeit verhindert, dass durch die Flucht zerrissene Familien in Deutschland wieder zueinander finden“.[6]

Ein anderer Kritikpunkt betrifft die Anwendung des Königsteiner Schlüssels bei der Finanzierung von Bildungsausgaben durch den Bund. Wie viel Geld bei einer Aufteilung nach dem Königsteiner Schlüssel pro Schüler letztlich zur Verfügung steht, unterscheidet sich erheblich: Im Aktionsprogramm Aufholen nach Corona ergibt sich pro Schüler einer allgemeinbildenden oder beruflichen Schule in Nordrhein-Westfalen ein Betrag von 85,02 €, dagegen in Berlin ein Betrag von 116,02 €.[7] Im Sonderausstattungsprogramm DigitalPakt Schule stehen einem in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kind aus Bremen ca. 228 € zur Verfügung, in Bayern ca. 910 €.[8] Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stellte 2021 für ein alternatives Modell verschiedene Berechnungsmöglichkeiten vor, bei dem das sozioökonomische Umfeld der Schulen berücksichtigt werden soll.[7] Im August 2022 veröffentlichte die GEW konkrete Alternativvorschläge zum Königsteiner Schlüssel. Dabei wurde aber auch die unzureichende Datenlage kritisiert.[9]

Vertretende des Landes Berlin kritisierten 2023, dass Stadtstaaten zu große Kontingente bei der Erstverteilung von Asylsuchenden (EASY) erhalten, da diese sich auch nach dem Königsteiner Schlüssel richtet und somit beispielsweise die Bundesländer Berlin, Sachsen und Rheinland-Pfalz jeweils annähernd die gleiche Personenanzahl zugewiesen bekommen, obwohl sie unterschiedlichen Platz für die Errichtung entsprechender Unterkünfte hätten.[10][11]

Einzelnachweise

  1. Internetauftritt (Memento vom 28. Januar 2015 im Internet Archive) der Max-Planck-Gesellschaft, abgerufen am 27. Januar 2015.
  2. Glossar in der Online-Präsenz des BAMF, abgerufen am 24. November 2015.
  3. BAnz AT 10.12.2014 B3:Verteilung der Asylbewerber, abgerufen am 19. Oktober 2015
  4. Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes Nordrhein-Westfalen: Projektbericht Unterbringung von Asylbewerbern in nordrhein-westfälischen Aufnahmeeinrichtungen (Memento vom 10. Dezember 2015 im Internet Archive) 23. Dezember 2013. S. 29, abgerufen am 24. November 2015
  5. Leistungen der Jugendhilfe für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, 27. August 2018
  6. Klaus J. Bade: Von Unworten zu Untaten. Kulturängste, Populismus und politische Feindbilder in der deutschen Migrations- und Asyldiskussion zwischen ›Gastarbeiterfrage‹ und ›Flüchtlingskrise‹. In: Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (Hrsg.): 25 Jahre IMIS: Jubiläumsveranstaltung am 29. Mai 2015. Osnabrück Februar 2016, S. 37–171, hier S. 114 (uni-osnabrueck.de [PDF; abgerufen am 6. Dezember 2021]).
  7. Detlef Fickermann, Ilka Hoffmann: Ungleiches ungleich behandeln. Alternative Vorschläge zur Verteilung der Bundesmittel des Programms „Aufholen nach Corona“ auf die einzelnen Länder – Online First am 26. Mai 2021 –. In: DDS – Die Deutsche Schule. Band 2021, Nr. 3, 6. September 2021, S. 348–367, doi:10.31244/dds.2021.03.10 (waxmann.com [abgerufen am 20. Februar 2022]).
  8. Gerechte(re) Mittelverteilung für gute Bildungschancen. In: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). 19. Mai 2022, abgerufen am 6. August 2022.
  9. Detlef Fickermann, Jörg-Peter Schräpler und Horst Weishaupt unter Mitarbeit von Hans-Peter Füssel: Alternativen zum Königsteiner Schlüssel, August 2022
  10. "Berliner Senatorin fordert Reform der Verteilung von Migranten" Welt.de vom 31. Juli 2023
  11. Erstverteilung der Asylsuchenden (EASY). Abgerufen am 18. September 2023.
  12. Rebekka Kötting, Jennifer Klose (Gemeinsame Wissenschaftskonferenz): Königsteiner Schlüssel. Gemeinsame Wissenschaftskonferenz, abgerufen am 17. September 2023.

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