Julius Reiber

Julius Georg Berthold Reiber (* 12. Juli 1883 in Gießen; † 21. September 1960 in Darmstadt) war ein hessischer Politiker (DDP, RDP, SPD) und ehemaliger Abgeordneter des Landtags des Volksstaates Hessen in der Weimarer Republik.

Leben

Julius Reiber war der Sohn des Postschaffners Georg Reiber (1852–1902) und seiner Frau Anna geborene Kutt (1856–1935), die aus Oberhessen stammten. Er wuchs in Mainz auf. Dort besuchte er die Volks- und Realschule.

Julius Reiber absolvierte von 1900 bis 1903 das Lehrerseminar in Alzey und wurde sodann Lehrer in Mainz. Zunächst unterrichtete er an einer Volksschule und anschließend von Pfingsten 1904 bis Ostern 1912 an der Vorschule des Oster-Gymnasiums (heute: Rabanus-Maurus-Gymnasium). Anschließend war er angestellt an einer Mainzer Volksschule. Er leistete im Ersten Weltkrieg von Februar 1915 bis August 1916 an der Westfront Kriegsdienst: sieben Monate bei Ypern und vier Monate bei Verdun. Nach fünf Monaten in Lazaretten war er gesundheitlich immer noch so beeinträchtigt, dass er aus dem Heer entlassen wurde.[1]

Reiber war seit 1905 im liberalen politischen Lager aktiv. Er trat 1918 der Deutschen Demokratischen Partei bei und kämpfte gegen die Bestrebungen, das von französischen Truppen besetzte Gebiet um Mainz in einen Pufferstaat zu verwandeln. Er wurde am 1. Juni 1919 von der französischen Besatzungsbehörde in Mainz verhaftet und nach mehrtägiger Haft nach Darmstadt ausgewiesen.

Er arbeitete ab dem 13. Oktober 1920 als Lehrer an der Volksschule und wurde am 1. April 1922 Rektor der Ballonschule (Gymnasium) in Darmstadt. 1925 wurde er zum ersten Vorsitzenden des hessischen Landeslehrervereins gewählt. Er wurde am 1. August 1933 vom NS-Regime „ wegen politischer Unzuverlässigkeit“ aus dem Schuldienst entlassen und verlor seinen Status als Beamter.[1]

In der NS-Zeit 1933 bis 1945 übte er verschiedene Tätigkeiten aus. Dazu gehörten u. a. die Vertretung einer Weinhandlung, Versicherungswerber, Mitarbeit in einer kartographischen Kunstanstalt und zuletzt Gehilfe in einer Darmstädter Buchhandlung.

Reiber war seit dem 26. Dezember 1911 mit Katharina geb. Jung verheiratet. Julius Reiber war evangelisch. Der gemeinsame Sohn Kurt (geb. 1914) wurde zum Kriegsdienst eingezogen und gilt seit Februar 1945 als in Ostpreußen vermisst.

Julius Reiber war ein leidenschaftlicher Schachspieler. Er gehörte 1909 zu den Gründern des Mainzer Schachvereins 1909 (heute: Schachabteilung 09 des TSV Schott Mainz) und war bis zu seiner Ausweisung 1919 dessen 1. Schriftführer.

Politik

Julius Reiber war Mitglied der DDP und für diese 4 Wahlperioden lang von Januar 1919 bis November 1931 Mitglied des hessischen Landtags. Im Landtag war Reiber langjähriger Fraktionsvorsitzender der DDP. Auf Antrag von ihm und Wilhelm Henrich stiftete der Landtag am 8. August 1922 den Georg-Büchner-Preis.

Die Fusion der DDP zur Deutschen Staatspartei führte zu einer Zerreißprobe. Als Vertreter des linken Flügels seiner Partei schloss Julius Reiber sich gemeinsam mit Johann Eberle 1931 der Radikaldemokratischen Partei an. Bei den Landtagswahlen 1931 erreichte die Radikaldemokratische Partei nur 0,6 % der Stimmen und verfehlte den Einzug in den Landtag. Damit konnte auch Julius Reiber sein Mandat nicht verteidigen.[2] In der Zeit des Nationalsozialismus konnte er seine politische Arbeit nicht fortsetzen. Noch 1933 wurde er Mitglied der SPD.

Im März 1945 wurde er zum kommissarischen Bürgermeister der Stadt Darmstadt ernannt. Seine Aufgabe war u. a. der Aufbau des Schulwesens in Darmstadt. Im Juli 1946 wurde er von der Gemeindevertretung in dieses Amt gewählt. Ab 1948 war er im Stadtrat tätig. Von 1952 bis 1956 war er Stadtverordnetenvorsteher und von 1951 bis 1958 erster Präsident des Heinerfests.

Ehrungen

Für seine Verdienste erhielt er den Großen Verdienstorden der BRD. Die Julius-Reiber-Straße (früher: Lagerhausstraße) in Darmstadt ist nach ihm benannt. Er liegt in einem Ehrengrab der Stadt Darmstadt auf dem Alten Friedhof (Grabstelle: II N 177).

Literatur

  • Manfred Efinger: Mainzer Schachverein. Schachabteilung Schott. 100 Jahre 1909-2009, Mainz 2009.
  • Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 304.
  • Klaus-Dieter Rack, Bernd Vielsmeier: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biografische Nachweise für die Erste und Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1820–1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919–1933 (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 19 = Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. NF Bd. 29). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-88443-052-1, Nr. 698.
  • Hans Georg Ruppel, Birgit Groß: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biographische Nachweise für die Landstände des Großherzogtums Hessen (2. Kammer) und den Landtag des Volksstaates Hessen (= Darmstädter Archivschriften. Bd. 5). Verlag des Historischen Vereins für Hessen, Darmstadt 1980, ISBN 3-922316-14-X, S. 215.
  • Judith S. Ulmer: Die Geschichte des Georg-Büchner-Preises, 2006, ISBN 3-11-019069-9.
  • Sabine Welsch: Julius Reiber In: Stadtlexikon Darmstadt, Stuttgart 2006, S. 744.

Einzelnachweise

  1. Von Adelung bis Zwangsarbeit - Stichworte zu Militär und Nationalsozialismus in Darmstadt
  2. Martin Liepach: Radikale Demokraten in der Mitte - Die RDP in der hessischen Landtagswahl 1931; in: Historical Social Research, Vol. 22 — 1997 — No. 3/4, 150 ff. (Memento des Originals vom 29. September 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/hsr-trans.zhsf.uni-koeln.de (PDF; 1,5 MB)
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