Julie Heraeus

Leben

Julie Heraeus war die Tochter des Kirchenrates und Dekans Theodor Stamm und dessen Frau Julie, geborene Esch. Sie besuchte das Lehrerinnenseminar in Darmstadt, unterrichtete nach ihrem Abschluss 1 Jahr in Paris und 4 Jahre in England und war ab 1891 Lehrerin an der Höheren Mädchenschule Offenbach.

Sie heiratete am 16. April 1903 Wilhelm Heraeus, der am Jungen-Gymnasium in Offenbach lehrte. Als verheiratete Frau musste sie gemäß den damaligen Gesetzen (Lehrerinnenzölibat) aus dem Schuldienst ausscheiden.[2]

Sie liegt gemeinsam mit ihrem Mann und ihrer Tochter Anneliese auf dem Alten Friedhof in Offenbach begraben.

Engagement für Frauen

Heraeus engagierte sich als Gründungsmitglied des Evangelischen Frauenvereins in Offenbach und wurde 1917 dort Vorsitzende. Während des Ersten Weltkriegs war sie in der Kriegsfürsorge tätig. Aufgrund ihres sozialen Engagements erwarb sie sich große Anerkennung und wurde „die Mutter von Offenbach“ genannt. 1932 leitete sie alle Frauenhilfevereine und evangelischen Frauenvereine in ganz Hessen.[1][2] Von 1932 bis 1938 leitete Heraeus den Verband evangelisch-kirchlicher Frauenvereine in Hessen e.V. und war von 1935 bis 1938 Vorsitzende der Frauenhilfe von Nassau und grenzte sich klar von den Zielen des nationalsozialistischen Staates ab.[3]

Sie trat der 1918 gegründeten Vereinigung Evangelischer Frauenverbände Deutschlands bei, die zum Ziel hatte, christliche Frauen über ihre Rechte und Pflichten des Frauenwahlrechts zu informieren und sie zum Wählen zu bewegen.[2]

In ihrem sozialen wie politischen Engagement setzte sie sich unter anderem für eine bessere Mädchenbildung ein.[3]

Politische Karriere

Ihr Engagement setzte sie auch in der Politik fort, wo sie sich der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) anschloss. Für diese war sie von 1919 bis 1933 Stadtverordnete in Offenbach und von 1924 bis 1931 Landtagsabgeordnete. Damit war sie eine von nur zwölf weiblichen Abgeordneten des hessischen Landtags während der Weimarer Republik. Im 3. Hessischen Landtag (1924–1927) war Heraeus unter den 5 DNVP-Abgeordneten die einzige Frau und im ganzen Landtag eine von 5 Frauen. In dieser Legislaturperiode brachte sie 81 Anträge mit ein. In den 4. Hessischen Landtag (1927–1931) kam sie als Nachrückerin und neben ihr gab es wiederum nur 4 weitere weibliche Abgeordnete.[1][2]

Ehrung

Die Julie-Heraeus-Straße in Offenbach ist nach ihr benannt.

Literatur

  • Ingrid Langer: Zwölf vergessene Frauen – Die weiblichen Abgeordneten im Parlament des Volksstaates Hessen, ihre politische Arbeit, ihr Alltag, ihr Leben. Dipa-Verlag, Frankfurt am Main 1989, ISBN 978-3-7638-0451-1, S. 368–440.
  • Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 176.
  • Klaus-Dieter Rack, Bernd Vielsmeier: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biografische Nachweise für die Erste und Zweite Kammer der Landstände des Großherzogtums Hessen 1820–1918 und den Landtag des Volksstaats Hessen 1919–1933 (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 19 = Arbeiten der Hessischen Historischen Kommission. NF Bd. 29). Hessische Historische Kommission, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-88443-052-1, Nr. 341.
  • Hans Georg Ruppel, Birgit Groß: Hessische Abgeordnete 1820–1933. Biographische Nachweise für die Landstände des Großherzogtums Hessen (2. Kammer) und den Landtag des Volksstaates Hessen (= Darmstädter Archivschriften. Bd. 5). Verlag des Historischen Vereins für Hessen, Darmstadt 1980, ISBN 3-922316-14-X, S. 132.
  • Christiane Drewello-Merkel: Evangelische Frauenverbände in Nassau-Hessen 1933–1945. Justus von Liebig Verlag, Darmstadt 2020.

Einzelnachweise

  1. Hessische Biografie: Heraeus, Julie Elise Friederike Johannette Amalie. Hessische Landesamt für geschichtliche Landeskunde, abgerufen am 19. Juli 2022.
  2. Kerstin Wolff, Frauke Geyken: Starke Hessinnen. 100 Jahre Politikerinnen im Hessischen Landtag. Hrsg.: Hessische Landeszentrale für politische Bildung. Blickpunkt Hessen, Nr. 26/2019. Mainz-Kastel Mai 2019, S. 78, 10.
  3. Wegbereiterinnen der evangelischen Frauenhilfen in Hessen und Nassau. Abgerufen am 19. Juli 2022.
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