Josephin Böttger
Josephin Böttger (* 1965 in Hamburg) ist eine deutsche Videokünstlerin, die in ihren Werken verschiedene Elemente einsetzt: Film, Installation, Performance, Fotografie und Zeichnung.
Leben
Zu Beginn ihrer Laufbahn, ab Anfang der 1990er Jahre, produziert Josephin Böttger experimentelle Kurzfilme im Super 8 und 16 mm Format. In den 90er Jahren beginnt sie ihr Studium der visuellen Kommunikation an der HfBK Hamburg. Seit ihrem Diplom in 2002 konzipiert sie ihre Arbeiten meistens für 2- bis 6-Kanal-Videoinstallationen, die auf internationalen Ausstellungen und als Projektionen im öffentlichen Raum zu sehen sind.
Werk
In ihren Mehrkanal-Arbeiten arrangiert und überblendet die Künstlerin Zeichnung und Realbild, dokumentarische Aufnahmen und gefilmte Performances. Sie bedient sich eines eigenen visuellen Repertoires, in dessen Zentrum meistens die Motive Architektur und Zeit stehen. Ihre Arbeiten behandeln die Metamorphose des städtischen Raums und thematisieren die Chronologie und Ästhetik des ständigen Neu- und Umbaus, vor deren Hintergrund sie eine Kaleidoskopierung verschiedener Seinszustände vornimmt. Themen der Wissenschaft werden in ein alltägliches Ambiente versetzt, wie zum Beispiel die Untersuchung somnambuler Gehirntätigkeit in die Ruinenkulisse eines Abrisshauses oder Versuche, die Gesetze der Schwerkraft zu brechen vor den Hintergrund einer Imbissstube in urbaner Industrielandschaft.
In ihre Aufnahmen bindet die Videokünstlerin häufig alltägliche Gegenstände ein. Diese Readymades werden durch digitale Prozesse verfremdet, in Bewegung gebracht und in neue Kontexte gesetzt. Mit Zeitraffer und Serialität überhöht sie dokumentarische Szenen des öffentlichen Lebens und rückt sie in ein neues Licht. In einigen ihrer Videoarbeiten erzielt sie durch Sequenzierung und Parallelisierung eine lineare Anordnung, in der die Iteration sich bis zur Ornamentik steigern kann, um dann erneut in völlig neue Objekte zu zerfallen. Die Bilderfolgen sind im Wesentlichen rhythmisch angelegt – ähnlich einer Partitur. In dem Projekt Deviation One[1] beruht die Komposition des Videos auf dieser Vorgehensweise.
In vielen ihrer Videoinstallationen und Filmen wirkt Josephin Böttger selbst als eine oder sogar mehrere Protagonistinnen mit. Einige Projekte entstanden in Kooperation mit Performance-Künstlern. Wie zum Beispiel in dem Projekt Chains of Mania (2020),[2] in dem Carolin Jüngst als lebendige Dimension in den Projektionen agierte. Die Kamera bei den Video-Produktionen macht sie meistens selbst, ebenso wie das Licht und das Setting. Die Tonebene entsteht oft in Kooperation mit anderen Künstlern, wie zum Beispiel mit Felix Kubin, dem Nelly Boyd Ensemble oder Kassof. Der Projektentwicklung geht häufig eine Raum- und Klang-„Vermessung“ voraus. In dem Projekt Chains of Mania untersuchte Felix Kubin das Echo und den Nachhall in der ehemaligen Industriehalle des Kraftwerks Bille,[3] um eine den Raum durchkreuzende Klangkomposition zu entwickeln. Die Videosequenzen wurden für verschiedene dreidimensionale Projektionsflächen innerhalb der gigantischen Kesselhalle passgenau konzipiert. Mit einem fahrbaren Projektor ließ Josephin Böttger Bildelemente über Wände und Körper gleiten. Architektur, Bild, Klang und Performance verschmolzen zu einem großen mechanistischen Environment.
Im September 2021 wurde ihre Video- und Soundinstallation Deviation One[1] auf der Fassade der Galerie der Gegenwart gezeigt. Auch hierfür war eine genaue Vermessung der Fassade Grundlage der Bildkomposition und Feldaufnahmen der Geräusche im direkten Umfeld der Gebäude hatten Einfluss auf die Klangkomposition.
Der öffentliche Raum ist seit ihrer ersten mobilen Projektion 2007 in Manhattan[4] einer der favorisierten Aktionsfelder der Künstlerin. Die spezifischen Charakteristiken der urbanen Umgebungen werden Bestandteil der mobilen Projektionen und Video-Performances. Gebäudefassaden werden zu dynamischen Projektionsflächen und verändern temporär ihre visuelle Struktur. Die Bewegung der Bilder im Raum erzeugt dabei perspektivische Verzerrungen und durch die Interaktion der Projektionen mit den urbanen Oberflächen und Objekten findet eine Auflösung der Kadrierung statt.
Einzelausstellungen / Projektionen im öffentlichen Raum (Auswahl)
- 2021: Deviation One, Galerie der Gegenwart, Hamburg[1][5]
- 2020: Chains of Mania, Kesselhalle des Kraftwerk Bille, Hamburg[2]
- 2020: Passage, Videoinstallation für 3 Hallen, klubkatarakt/Kampnagel, Hamburg
- 2019: Topia II, Video- und Sound-Environment, Hamburger Architektur Sommer, Wandlerwerk im Kraftwerk Bille, Hamburg[6]
- 2019: Topia II, Part Two, Projektion im öffentlichen Raum, Hamburger Architektur Sommer, Buenos-Aires-Kai, Hamburg[7]
- 2017: Tour de Topia, mobile Projektion im öffentlichen Raum, Kulturhauptstadt Europas 2017, Aarhus, Dänemark[8]
- 2016: Topia, 3-Kanal-Videoinstallation, Halle 4 im Oberhafen, Hamburg[9]
- 2013: Dynamo Lines, 3-Kanal-Videoinstallation und Live-Sound-Performance mit Sergej Tolksdorf, Grunt Gallery, Vancouver, Kanada[10]
- 2013: Trapez, Projektion im öffentlichen Raum, Surrey Urban Screen, Surrey, Kanada[11]
- 2011: Rubato, 4-Kanal-Video- und Soundinstallation mit dem Ensemble Nelly Boyd, U.FO Kunstraum, Hamburg[12]
- 2007: Blackrocketbear, mobile Projektion im öffentlichen Raum, Scope Art Fair, Cinema-Scope, Lincoln Center/New York[5]
Gruppenausstellungen / Projektionen im öffentlichen Raum (Auswahl)
- 2021: A Swimming Symphony, eine audiovisuelle Kooperation mit „The Heffels“, Westwerk, Hamburg[13]
- 2019: 10 Inch, Ausstellung im Rahmen des Projektes „Zeitgleich-Zeitzeichen“, bm Atelier, Hamburg
- 2018: Juxtalektrovision, audiovisuelle Performance, Erstaufführung, Felix Kubin (Elektronik/Effekte); Hubert Zemler (Percussion/Effekte), Josephin Böttger (Video), Future Soundscapes Festival im Silent Green, Berlin[14]
- 2017: Video Club 17, Videoinstallation, Performance, Konzert, Talk, kuratiert von Josephin Böttger und Dieter Söngen, Westwerk, Hamburg[15]
- 2015: Hinter der Fassade, Projektion auf die Fassade der HCU, „Von Zwei bis Zwei in der Shanghai“, Hafencity Universität und BDA, Hamburger Architektur Sommer[16]
- 2014: Zeichen 124, Videoloop in der Ausstellung Call „Stein In My Mind“, Hohenlockstedt
- 2011 T. Koller, Part Two, 3-Kanal-Videoinstallation, Digital Art & Sound Weekend / Transmediale, Walden Kunstausstellungen, Berlin
- 2007: Hibernation, Video und Installation[17]: GenArt Best of the Best, Cinema-Scope, Perpetual Art Machine at Scope Miami, Lentos Kunstmuseum Linz, Museum of Modern Art, Linz/Österreich
Kurzfilme
- Topiaskop, 2019
- Trapez II, 2010
- Trust and Try, 2007
- Hibernation, Hibertalk, 2006
Auszeichnungen
- Topiaskop, 2021, bester Kurzfilm, Festival du Film d’Architecture et des Adventures Constructives (FIFAAC), Bordeaux
- Carnivore, Mischwesen und andere Nomaden, 2016, Kunstbeutel #3, Behörde für Kultur und Medien, Hamburg
Weblinks
Einzelnachweise
- Deviation One. In: Josephin Böttger. 29. September 2021, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Chains of Mania. In: Josephin Böttger. 15. November 2020, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Josephin Böttger: Chains of Mania - Kraftwerk Bille. Abgerufen am 12. Januar 2022.
- BlackRocketBear. In: Josephin Böttger. 16. Dezember 2021, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Alexander Diehl: Künstlerin über Installation im Freien: „Menschen in Publikum verwandeln“. In: Die Tageszeitung: taz. 17. September 2021, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 12. Januar 2022]).
- Topia II. In: Josephin Böttger. 30. Juli 2019, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- TOPIA II mobile projection. In: Josephin Böttger. 27. Dezember 2019, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Tour de Topia. In: Josephin Böttger. 25. September 2017, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- TOPIA. In: Josephin Böttger. 1. Dezember 2016, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Dynamo Lines | grunt gallery. Abgerufen am 12. Januar 2022.
- Josephin Böttger: Trapez | City of Surrey. 10. Februar 2020, abgerufen am 12. Januar 2022 (englisch).
- MATT: Klangraum-Vermessung. In: Die Tageszeitung: taz. 15. Dezember 2011, ISSN 0931-9085, S. 26 (taz.de [abgerufen am 12. Januar 2022]).
- CoronaVision II. Ehemals im (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch). (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven)
- Josephin Böttger: Juxtalektrovision. 18. Dezember 2018, abgerufen am 12. Januar 2022.
- Video Club 17. Abgerufen am 12. Januar 2022.
- Hinter der Fassade. In: Josephin Böttger. 7. Oktober 2017, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).
- Hibernation. In: Josephin Böttger. 22. April 2018, abgerufen am 12. Januar 2022 (deutsch).