Joseph Paul-Boncour
Augustin Alfred Joseph Paul-Boncour (* 4. August 1873 in Saint-Aignan, Département Loir-et-Cher; † 28. März 1972 in Paris) war ein französischer sozialistischer Politiker.[1]
Leben
Paul-Boncour besuchte zunächst die Saint-Charles-Schule in Saint-Brieuc und studierte danach Rechtswissenschaften. In die Politik führte ihn seine Tätigkeit als Privatsekretär des Präsidenten des Ministerrats Pierre Waldeck-Rousseau.
Er vertrat zunächst als unabhängiger sozialistischer Abgeordneter von 1909 bis 1914 einen Wahlkreis seines Heimatdepartements Loir-et-Cher in der französischen Abgeordnetenkammer. Ab 1916 gehörte er der Partei der Section française de l’Internationale ouvrière (SFIO) an. Von 1919 bis 1924 vertrat er einen Wahlkreis im Département Seine, danach bis 1931 einen Wahlkreis im Département Tarn in der Abgeordnetenkammer. Ab 1931 gehörte er der Parti républicain-socialiste (PRS) an. Er war vom 18. Dezember 1932 bis zum 31. Januar 1933 Premierminister von Frankreich. 1911 amtierte er als Minister für Arbeit und Fürsorge, 1932 und 1934 als Verteidigungsminister, 1936 als Staatsminister und von 1932 bis 1934 sowie 1938 als Außenminister. Von 1931 bis 1940 vertrat er seinen Wahlkreis im Senat seines Landes. 1940 widersprach er als einer von 80 Abgeordneten der Übertragung weitgehender Machtbefugnisse an Marschall Pétain.[1]
Boncour brachte 1927 als Kriegsminister einen Gesetzentwurf ein, der die Mobilisierung „aller Franzosen ohne Unterschied des Alters und Geschlechts“ in Kriegszeiten vorsah. Nach heftigem Widerstand einer Koalition aus feministischen, pazifistischen, antimilitaristischen und christlichen Organisationen zog Boncour den Gesetzentwurf 1928 vorläufig zurück. „Man verweigert den Frauen das Wahlrecht und verfügt ohne ihre Zustimmung über ihr Leben und ihr Gewissen“, schrieb die Aktivistin Gabrielle Duchêne in einem offenen Brief an Boncour.[2] Am 11. Juli 1938 wurde der Vorschlag in der loi Paul-Boncour (Paul-Boncour-Gesetz) wieder aufgegriffen und umgesetzt.[3]
Als Vertreter seines Landes bei der Fédération Internationale des Ligues des Droits de l’Homme – deren Präsident er von 1948 bis 1972 war – wirkte er 1948 an der Formulierung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte mit. 1961 wurde er als Großoffizier der Ehrenlegion ausgezeichnet.
Literatur
- Jean Jolly (Hrsg.): Dictionnaire des parlementaires français (1889–1940), Presses universitaires de France, 1968 (S. 2618–2622, PDF; 4,64 MB) (französisch)
- Jasper Wieck: Weg in die »Décadence«. Frankreich und die mandschurische Krise 1931–1933. (Pariser Historische Studien; 40). Bouvier, Bonn 1995, ISBN 3-416-02554-7 (Digitalisat)
Weblinks
- Biographie auf charles-de-gaulle.org (französisch)
- Zeitungsartikel über Joseph Paul-Boncour in den Historischen Pressearchiven der ZBW
- PAUL-BONCOUR Joseph Ancien sénateur élu(e) par l'Assemblée Nationale. In: Sénat.fr. (französisch).
- PAUL-BONCOUR (Joseph). 424AP. In: Archives nationale. (französisch).
- Angaben zu Joseph Paul-Boncour in der Datenbank der Bibliothèque nationale de France.
Einzelnachweise
- Joseph Paul-Boncour 1873 - 1972. In: Assemblée nationale. Abgerufen am 3. April 2023 (französisch).
- Marie-Michèle Doucet: Paix, sociétés civiles et parlements : fin XIXe-1939 vol. 26. Presses universitaires de Rennes, Rennes 2017, ISBN 978-2-7535-5493-1, S. 107–123 (worldcat.org).
- Les femmes dans les armées : une longue histoire ! In: Ministère des Armées. 8. März 2023, abgerufen am 3. April 2023 (französisch).
Vorgänger | Amt | Nachfolger |
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Édouard Herriot | Premierminister von Frankreich 18.12. 1932 – 28.01. 1933 | Édouard Daladier |
Louis Lafferre | Minister für Arbeit und Sozialfürsorge 02.03. 1911 – 23.06. 1911 | René Renoult |
François Piétri Jean Fabry | Kriegs-/Verteidigungsminister 03.06. 1932 – 14.12 1932 04.02. 1934 – 09.02. 1934 | Édouard Daladier Philippe Pétain |
Édouard Herriot selbst selbst selbst Yvon Delbos | Außenminister 18.12. 1932 – 28.01. 1933 31.01. 1933 – 26.10. 1933 26.10. 1933 – 24.11. 1933 26.11. 1933 – 27.01. 1934 13.03. 1938 – 08.04. 1938 | selbst selbst selbst Édouard Daladier Georges Bonnet |
Staatsminister 24.01. 1936 – 04.06. 1936 | ||
Präsident der Fédération internationale des ligues des droits de l’Homme 1948–1972 | André Boissarie |