Joseph Loewy

Joseph Loewy (* 5. August 1885 in Gleiwitz, Oberschlesien; † 25. April 1949 in Nahariya, Israel) war ein deutsch-israelischer Bauingenieur, zionistischer Politiker und Städteplaner in Palästina/Israel, wo er die deutsch-jüdische Immigrantensiedlung Nahariya mitgründete.

Joseph Loewy

Herkunft und Ausbildung

Joseph Loewy entstammte einer Kaufmannsfamilie aus Gleiwitz. Nach seinem Abitur (1903) studierte er an der TH Berlin-Charlottenburg nahezu alle Zweige der Ingenieurwissenschaften und war gleichzeitig in einer zionistischen Studentenverbindung, dem „Verein Jüdischer Studenten“, der sich auf das Basler Programm (1897) von Theodor Herzl berief, aktiv. Nach Erlangung seines Diploms (1909) und einer vierjährigen Berufserfahrung „im Eisenbetonbau, Eisenbau, städtischen Tiefbau, Städtebau, in der Herstellung von Baumaterialien“ und der Möglichkeit, seine „technischen Kenntnisse nach der wirtschaftlichen Seite hin auszugestalten“,[1] arbeitete er in den Jahren 1913 bis 1915 im Palästina-Amt in Jaffa, das seit 1908 unter der Leitung von Arthur Ruppin die jüdische Kolonisation in Palästina koordinierte.

Beruflicher und politischer Werdegang

Im Palästina-Amt baute Joseph Loewy die „Technische Abteilung“ auf und kümmerte sich auch inhaltlich um städteplanerische Konzepte nach europäischen Standards – wozu die Verbreiterung von Straßenzügen im neugegründeten Tel Aviv ebenso gehörte wie die Konstruktion von Schlichtwohnungen für jemenitische Einwanderer.[2] Hierbei geriet Joseph Loewy allerdings in konzeptionelle und politische Gegensätze zu seinem Vorgesetzten Ruppin. Während des Ersten Weltkrieges wurde Loewy als deutscher Staatsbürger zurückgerufen, um in Berlin als Ingenieur in kriegswichtiger Produktion – bei der Konstruktion von Flugzeughallen – zu arbeiten. In der Berliner Baufirma Adolf Sommerfeld lernte Loewy seine spätere Ehefrau Clara Sommerfeld (1889–1974) kennen, mit der er 1920 wieder nach Palästina übersiedelte, um in Tel Aviv die Baugesellschaft „Kedem“ zu betreiben und sich ab 1924 in Haifa mit der Vision von „Gartenstädten“ als Städteplaner und als privater Bodenkäufer für jüdische Siedlungen zu betätigen. Zentrales Anliegen war die Entwicklung des jüdischen Sektors in der Haifa-Bay. Als in den Dreißigerjahren in Deutschland die Verfolgung der Juden begann, konzipierte Joseph Loewy zusammen mit dem Agronomen Selig Eugen Soskin (1873–1959), dem Ingenieur Simon Reich (1883–1941) und dem Bankier Heinrich Cohn (1895–1976) die Agrarsiedlung Nahariya nördlich von Haifa. Sie bot während des Zweiten Weltkrieges 1000 jüdischen Flüchtlingen aus Deutschland eine neue wirtschaftliche Existenz als Landwirte, Handwerker und Arbeiter. Nach zahlreichen Krisen überlebte die Siedlung Nahariya als Bade- und Luftkurort und ist heute eine moderne israelische Stadt mit 65 000 Einwohnern.

Bedeutung

Joseph Loewy wird noch heute in Nahariya als einer der Mitgründer der Siedlung gefeiert, wobei ihm aber auch eine Mitverantwortung am finanziellen Scheitern des ersten landwirtschaftlichen Siedlungskonzeptes von Selig Eugen Soskin zugeschrieben wird.[3] Sein historisches Verdienst besteht in der Bereitstellung privater Siedlungen für europäische Einwanderer und deren wirtschaftlicher Eingliederung. Joseph Loewy gründete verschiedene private Kolonisationsgesellschaften, die von arabischen Grundbesitzern freie Flächen aufkauften und durch „Amelioration“ und Parzellierung für landwirtschaftliche Bearbeitung an Neusiedler mit Eigenkapital veräußerten. Joseph Loewy wurde so zu einem der bekanntesten Privatinvestoren Palästinas und des neuen Staates Israel.

Veröffentlichungen

  • Joseph Loewy: Vergangenheit und Zukunft der „Haifa Bay“. Haifa 1928. (Broschüre in deutscher Sprache. Privatarchiv Mazursky, Nahariya).
  • Joseph Loewy: Die Entwicklungsmöglichkeiten des Karmel im Zusammenhang mit der Entwicklung der Stadt Haifa. In: Palästina. Monatsschrift für den Aufbau Palästinas. XIII. Jg. Nr. 1./2. Wien 1930, S. 9–18.
  • Joseph Loewy: Die Aufgaben der Privatinitiative in der Haifa-Bay. In: Palästina. Monatsschrift für den Aufbau Palästinas. XV. Jg. Nr. 8./9. Wien 1932, S. 233–240.
  • Joseph Loewy: Die Zukunft des jüdischen Haifa. In: Palästina. Monatsschrift für den Aufbau Palästinas. XVI. Jg. Nr. 5./6. Wien 1933, S. 145–156.
  • Joseph Loewy: Industrie- und Stadtrandsiedlungen statt Mietskasernen in Haifa und Tel Aviv. Vorschläge für den ökonomischen Umbau der jüdischen Siedlung in Palästina. Haifa/Nahariah 1940. (Broschüre in deutscher Sprache. Privatarchiv Mazursky, Nahariya).
  • Joseph Loewy: Die Haifa-Bay. Nahariya 1945. (Broschüre in deutscher Sprache. Privatarchiv Mazursky, Nahariya).

Quellen

  • Akte „Joseph Loewy, C.E. – Palästina 1913-1915“. Privatarchiv Mazursky, Nahariya/Israel.
  • Joseph Loewy: Bericht über meine Tätigkeit im Dienste des Jüdischen Nationalfonds (1913-1915). MS Berlin 1915. Zionistisches Archiv, Jerusalem. CZA File 280.
  • Personal Papers of Joseph Loewy, Zionistisches Archiv, Jerusalem. CZA File J 104.
  • Minutes of Nahariah Small Holdings. Zionistisches Archiv, Jerusalem. CZA File J 72.

Literatur

  • Klaus Kreppel: Wege nach Israel. Gespräche mit deutschsprachigen Einwanderern in Nahariya. Westfalen-Verlag, Bielefeld 1999, ISBN 3-88918-097-3.
  • Klaus Kreppel: Israels fleißige Jeckes. Zwölf Unternehmerportraits deutschsprachiger Juden in Nahariya. Westfalen-Verlag, Bielefeld 2002, ISBN 3-88918-101-5.
  • Klaus Kreppel: Nahariyya – das Dorf der „Jeckes“. Die Gründung der Mittelstandssiedlung für deutsche Einwanderer in Eretz Israel 1934/35. The Open Museum, Tefen 2005, ISBN 965-7301-01-7.
  • Klaus Kreppel: Nahariya’s Early Years 1934–1949 The historical introduction and the prefaces to the 15 categories were written by the historian Dr. Klaus Kreppel from Bielefeld. (rutkin.info).
  • Klaus Kreppel: Nahariyya und die deutsche Einwanderung nach Eretz Israel. Die Geschichte seiner Einwohner von 1935 bis 1941. The Open Museum, Tefen 2010, ISBN 978-965-7301-26-5.
  • Klaus Kreppel: Nahariyya Moshewet haYekkim. Sippur Dor HaMeyassdim 1935–1941. The Open Museum, Tefen 2011, ISBN 978-965-7301-32-6.
  • Arthur Ruppin: Tagebücher, Briefe, Erinnerungen. Eine Veröffentlichung des Leo Baeck Institutes. Hrsg. von Shlomo Krolik. Mit einem Nachwort von Alex Bein. Jüdischer Verlag Athenäum., Königstein/Taunus 1985, ISBN 3-7610-0368-4.

Einzelnachweise

  1. Joseph Loewy (Jaffa) an Jakobus Kann (Den Haag) am 15. April 1915. Privatarchiv Mazursky, Nahariya.
  2. Arthur Ruppin: Tagebücher, Briefe, Erinnerungen. Hrsg. von Shlomo Krolik. Mit einem Nachwort von Alex Bein. Jüdischer Verlag Athenäum. Königstein/Taunus 1985, S. 219–222.
  3. Klaus Kreppel: Nahariya und die deutsche Einwanderung nach Eretz Israel. Die Geschichte seiner Einwohner 1935 bis 1941. Tefen 2010, S. 95–107.
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