Johannes von Lübeck

Johannes von Lübeck, auch Libek, tschechisch Jan z Lübecku, veraltet Jan z Lubeku (* um 1430 in Lübeck; † 16. Januar 1502 in Prag) war ein deutscher hussitischer Theologe.

Leben

Johannes von Lübeck soll an der Universität Rostock studiert und dort Magister geworden sein, konnte aber bisher nicht mit einem in der Universitätsmatrikel dokumentierten Studenten identifiziert werden.[1] 1467 ging er nach Prag, wo er sich den Hussiten anschloss. Er lehrte Theologie an der Universität Prag; 1497 ist er zuletzt als Dozent nachgewiesen.

Von ihm sind mehrere Prager Vorlesungen auf Latein von 1470/71 erhalten, außerdem ein unvollendeter Psalmenkommentar und Traktate über die Sakramente, darunter über die hussitische Lehre der Eucharistie. Andere lateinische Predigten und Kommentare sind durch Erwähnungen und Zitate in anderen Texten nachweisbar.

In der neueren Forschung gilt Johannes von Lübeck als derjenige, der zwei Schriften von Johannes Hus in die Mittelniederdeutsche Sprache übersetzte, die damals führende Schriftsprache im Norden Mitteleuropas und Lingua franca in der Nordhälfte Europas. Vermutlich durch Vermittlung von Nicolaus Rutze wurden sie zusammen um 1480 in Lübeck vom Drucker des Calderinus, der entweder mit Johann Snell oder Lucas Brandis gleichzusetzen ist, gedruckt. Das Werk mit dem Titel Dat Bôkeken van deme Rêpe, original von Hus 1412 verfasst, ist als Inkunabel in der Universitätsbibliothek Rostock erhalten.[2] Neben dem gleichnamigen Traktat, einer durchaus kirchenkonformen Darstellung eines heiligen Lebens anhand des Bildes vom Reep der Erlösung mit seinen drei Strängen Glaube, Liebe und Hoffnung[3] enthält das Buch eine deutlich ausführlichere Auslegung der Zehn Gebote, des Vaterunsers und des Apostolischen Glaubensbekenntnisses mit dem Titel De uthlegghinge ouer den louen (Auslegung über den Glauben), anhand dessen Hus scharfe Kritik an der hierarchisch organisierten Papstkirche, dem Opfer- und dem Heiligenkult übte. Gegenüber Hus’ Original ist die mittelniederdeutsche Fassung aber deutlich abgeschwächt. Beide Texte gelten als erste Hus-Drucke überhaupt. Ihre Wirkung war aber begrenzt.[4]

Werke

Beginn der uthlegghinge ouer den louen.
Ausgabe: Karl Nerger: Dat Bôkeken van deme Rêpe des Nicolaus Rutze van Rostock. Schulprogramm Gymnasium und Realgymnasium Rostock 1886 (Digitalisat)
Faksimile-Druck mit Einleitung von Amedeo Molnár. Hildesheim: Olms 1971 (= N.L. v. Zinzendorf. Materialien und Dokumente. Reihe 1, Bd. 2)

Literatur

  • Conrad Borchling und Bruno Claussen: Niederdeutsche Biographie. Gesamtverzeichnis der niederdeutschen Drucke bis zum Jahre 1800. Band 1: 1473–1600, Neumünster 1931–1936, Nr. 51
  • Siegfried Hoyer: Die Spuren der Hussitenbewegung in der frühbürgerlichen Revolution in Deutschland. In: Weltwirkung der Reformation. Berlin 1969, S. 194–204
  • Mike Malm: Johannes von Lübeck, in: Wolfgang Achnitz (Hrg.): Deutsches Literatur-Lexikon: Das Mittelalter., Band 2: Das Geistliche Schrifttum des Spätmittelalters. Berlin: De Gruyter 2011 ISBN 978-3-598-24994-5, Sp. 1005 f.
  • Vaclav Bok: Johannes von Lübeck, in: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Auflage, Band 11: Nachträge und Korrekturen, Berlin/New York: de Gruyter 2011 ISBN 978-3-11-090829-9, Sp. 781–784

Einzelnachweise

  1. VL (Lit.), vgl. die Einträge im Rostocker Matrikelportal
  2. Signatur inc. Fm-64. Das Buch war einer Predigtsammlung des Superintendenten Johann Draconites beigebunden und wurde 1846 von Julius Wiggers wieder aufgefunden (Julius Wiggers: Nachricht über das Buch von den drei Strängen von Nicolaus Ruß. In: Jahrbücher des Vereins für Mecklenburgische Geschichte und Altertumskunde, Band 12 (1847), S. 501–516).
  3. Entsprechend einer allegorischen Auslegung der dreifachen Schnur aus Kohelet 4,12 
  4. Hans-Gert Roloff: Die Funktion von Hus-Texten in der Reformations-Polemik. In: Wolfgang Milde und Werner Schuder: De captu lectoris. Wirkungen des Buches im 15. und 16. Jahrhundert, dargestellt an ausgewählten Handschriften und Drucken. Hrsg. von . Berlin/New York: de Gruyter 1988, S. 219–256, hier S. 227 mit Anm. 7
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