Johannes Mario Simmel

Johannes Mario Simmel (* 7. April 1924 in Wien; † 1. Jänner 2009 in Luzern[1]) war ein österreichischer Schriftsteller und Drehbuchautor. Mit seinen Bestsellerromanen, die sich oft mit zeitgeschichtlichen Themen auseinandersetzten, erreichte er ein Millionenpublikum.

Johannes Mario Simmel fotografiert von Oliver Mark, Zug 2007

Leben

Johannes Mario Simmel fotografiert von Oliver Mark in seiner Wohnung in der Stadt Zug, 2007

Simmels Eltern stammten aus Preußen: Sein jüdischer Vater Walter Simmel, in Schmiedeberg im Riesengebirge geboren, war Kaufmann. Seine Mutter Lisa, geb. Schneider, aus Halle an der Saale war Lektorin bei der Filmgesellschaft Wien-Film. Sein Vater floh vor den Nationalsozialisten nach London, während fast alle Verwandten väterlicherseits von den Nazis ermordet wurden. Simmel wuchs in Österreich und England auf und machte an der Höheren Bundeslehr- und Versuchsanstalt für chemische Industrie in Wien ein Diplom als Chemoingenieur.[2]

Während des Zweiten Weltkrieges wurde er in der elektrochemischen Forschungsabteilung des Elektrokonzerns Kapsch in Wien eingesetzt. Am 5. April 1945 erlebte er mit, wie Wissenschaftler ermordet wurden, die ein Elektronenmikroskop vor der befohlenen Zerstörung retten wollten.[3] In seinem Roman Wir heißen Euch hoffen ging er 1980 darauf ein.[4]

Nach dem Krieg arbeitete er zunächst als Journalist, Übersetzer und Dolmetscher für die US-Militärregierung, die für den amerikanischen Sektor in der Viermächtestadt Wien und für die amerikanische Besatzungszone Salzburg und Oberösterreich südlich der Donau zuständig war. 1947 veröffentlichte er unter dem Titel Begegnung im Nebel seine erste Novellensammlung. Bei der Ende Oktober 1948 eingestellten Wiener Tageszeitung Welt am Abend verfasste er in deren letztem Erscheinungsjahr als Kulturredakteur Filmkritiken und Feuilletons. 1950 übersiedelte er nach München und war dort für die Illustrierte Quick tätig. In ihrem Auftrag unternahm er Reporterreisen durch Europa und nach Übersee.[5]

Johannes M. Simmel schrieb unter verschiedenen Pseudonymen Tatsachenberichte und Serienromane. Von 1950 bis 1962 verfasste er allein oder gemeinsam mit anderen Autoren insgesamt 22 Drehbücher, u. a. für Filme wie Es geschehen noch Wunder (1951) mit Hildegard Knef, Tagebuch einer Verliebten (1953) mit Maria Schell, Hotel Adlon (1955) oder Robinson soll nicht sterben (1957) mit Romy Schneider und Horst Buchholz.

Nach seinem ersten großen Erfolg mit dem Roman Es muß nicht immer Kaviar sein 1960 widmete er sich vor allem dem Verfassen von Unterhaltungsromanen, die sich jeweils mit aktuellen gesellschaftspolitisch relevanten Themen auseinandersetzten wie etwa Gewalt gegen Ausländer, Drogenhandel oder Genmanipulation. Grundlage bildeten journalistische Recherchen an den Schauplätzen und im Milieu, in dem seine Romane spielten.

Leitmotive in vielen seiner Werke waren die Relativierung von Gut und Böse und ein leidenschaftlicher Pazifismus. Er gehörte zu den meistgelesenen Autoren im deutschsprachigen Raum. Seine 35 Romane erreichten eine Gesamtauflage von über 73 Millionen verkaufter Exemplare. Sie wurden in 30 Sprachen übersetzt[6] und von Regisseuren wie Alfred Vohrer und Roland Klick verfilmt. Marlene Dietrich bewunderte sein Werk und pflegte einen engen Telefonkontakt zu ihm.[7]

Simmel wurde von den Literaturkritikern lange Zeit als Trivialautor, „Bestseller-Mechaniker“ oder Fließbandschreiber bezeichnet. Erst mit dem Roman Doch mit den Clowns kamen die Tränen (1987) fand er allgemeine Anerkennung.

Dreimal verheiratet, lebte er zuletzt in der schweizerischen Stadt Zug. Simmel starb am 1. Januar 2009 in Luzern. Einen Roman hatte er nach seinen Angaben noch in Arbeit.

Auszeichnungen und Ehrungen

Werke

Romane

Erzählungen

  • Begegnung im Nebel. (7) Erzählungen. Zsolnay, Wien 1947.
  • Niemand ist eine Insel. (2) Erzählungen mit Zeichnungen von Eugen Ledebur, Wien 1948.
  • Zweiundzwanzig Zentimeter Zärtlichkeit und andere Geschichten aus dreiunddreißig Jahren. Knaur, München 1979.
  • Die Erde bleibt noch lange jung und andere Geschichten aus fünfunddreißig Jahren. Knaur, München 1981.

Dramen

Essays

  • Die Bienen sind verrückt geworden. Reden und Aufsätze über unsere wahnsinnige Welt. Beck, München 2001, ISBN 3-406-45959-5

Kinder- und Jugendbücher

  • Von Drachen, Königskindern und guten Geistern. Für die Jugend zusammengestellt von Johannes Simmel. Leuen (Sagen unserer Heimat), Wien 1950
  • Weinen ist streng verboten! Eine Geschichte für kleine und große Mädchen. Leuen, Wien 1950
    • Neuausgabe als: Weinen streng verboten. Droemer Knaur, München 1977
  • Ein Autobus, groß wie die Welt. Ein Reiseerlebnis voll Spannung für Buben und Mädel. Jungbrunnen, Wien 1951
  • Meine Mutter darf es nie erfahren. Ein aufregendes Abenteuer rund um ein schlechtes Zeugnis. Jungbrunnen, Wien 1952
  • Wenn das nur gut geht, Paul. Ein aufregendes Abenteuer. Weiß, München/Berlin 1953

Filmografie

Drehbücher

Filme nach Werken von Johannes Mario Simmel

Literatur

  • Richard Albrecht: Ein Bestsellerroman in den Medien. Literatursoziologische Fallstudie zur Verbreitung des Romanbestsellers „Die Antwort kennt nur der Wind“ (1973). In: „Sociologia Internationalis“, 23 (1985) 1, S. 49–77, ISSN 0038-0164
  • Wlodzimierz Bialik: Johannes Mario Simmel oder der unvermeidliche Erfolg. Erzähl- und Verkaufsstrategien des Unterhaltungsromans in der Bundesrepublik Deutschland. Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu im. Adama Mickiewicza w Poznaniu. Poznań 1987, ISBN 83-232-0020-3
  • Friedbert Aspetsberger (Hrsg.): Johannes Mario Simmel lächelt. Studien Verlag, Wien 1999, ISBN 3-7065-1314-5.
  • Gerhard Teuscher: Perry Rhodan, Jerry Cotton und Johannes Mario Simmel. Eine Darstellung zu Theorie, Geschichte und Vertretern der Trivialliteratur. Ibidem, Stuttgart 1999, ISBN 3-932602-76-5.
  • Jacek Rzeszotnik: Literarische Kommunikationsstrategien. Zum Bestsellerroman und dessen Autoren in der zweiten Hälfte des 19. und 20. Jahrhunderts am Beispiel von Karl May und Johannes Mario Simmel. Corian, Meitingen 2000, ISBN 3-89048-318-6.
  • Christian Heger: Der Stoff aus dem die Träume sind. Zum Journalistenbild bei Johannes Mario Simmel. In: Ders.: Im Schattenreich der Fiktionen: Studien zur phantastischen Motivgeschichte und zur unwirtlichen (Medien-)Moderne. AVM, München 2010, ISBN 978-3-86306-636-9, S. 204–226.
  • Andrea Hamburg: Zwischen Verriss und Bestsellertum. Die Rezeption von Johannes Mario Simmel. Lang, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-631-62503-3.
  • Claudia Graf-Grossmann: Johannes Mario Simmel – Die Biografie – Mich wundert, dass ich so fröhlich bin. Mit einem Vorwort in Form eines Abschiedsbriefes von Iris Berben. Droemer Knaur, München 2024, ISBN 978-3-426-27913-7.

Film

  • 1973: Johannes Mario Simmel. Eine Produktion des Südwestfunks/Fernsehen/Baden-Baden (12 Minuten). Buch und Regie: Klaus Peter Dencker
  • 2024: Im aufrechten Gang – 100 Jahre Johannes Mario Simmel (44 Minuten). Regie: Gustav W. Trampitsch[10]

Einzelnachweise

  1. Johannes Mario Simmel gestorben: Ein Moralist, nicht nur als Autor. In: Der Spiegel. 2. Januar 2009, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 26. Dezember 2021]).
  2. Lexikon. 11. September 2007, archiviert vom Original am 11. September 2007; abgerufen am 14. Januar 2021.
  3. Siehe Horeischygasse in Wien Hietzing
  4. Horeischy, Kurt. In: dasrotewien.at – Weblexikon der Wiener Sozialdemokratie. SPÖ Wien (Hrsg.)
  5. Johannes Mario Simmel gestorben. Ein Moralist, nicht nur als Autor. Der Spiegel vom 2. Jänner 2009.
    Johannes Mario Simmel: Unterhaltender Rausch der Verzweiflung. Süddeutsche Zeitung vom 17. Mai 2010.
  6. Johannes Mario Simmel ist tot Faz.net vom 3. Jänner 2009.
  7. Johannes Mario Simmel: Die Bienen sind verrückt geworden. In: deutschlandfunk.de. 10. Januar 2022, abgerufen am 10. Januar 2022.
  8. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  9. Daten nach rororo-Taschenbuchausgabe Mai 1964
  10. Im aufrechten Gang - 100 Jahre Johannes Mario Simmel. In: ORF.at. Abgerufen am 8. April 2024.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.