Johann Wilhelm Ludwig von Luce

Johann Wilhelm Ludwig Luce, ab 1795 von Luce[1], estn.: Johann Willem Luddi Ludse (* 25. August 1756 in Hasselfelde, Herzogtum Braunschweig-Lüneburg; † 23. Mai 1842 in Arensburg auf Oesel, Livland, heute Estland)[2][3] war ein deutscher Geistlicher, Mediziner, Schriftsteller und Heimatforscher der Insel Oesel sowie Numismatiker. Er beschrieb auch verschiedene Pflanzen, sein botanisches Autorenkürzel ist Luce oder Lucé.

Johann Wilhelm Ludwig v. Luce

Leben

Luce kam 1769 auf die Domschule von Halberstadt, wo er sich nach dem Wunsch seiner Eltern, aber gegen eigene Neigungen, auf das spätere Studium der Theologie vorbereiten sollte. Seit 1774 studierte er Theologie an der Universität Göttingen, von 1776 bis 1777 dann an der Universität Helmstedt. Im Jahr 1781 trat er zunächst eine Hauslehrerstelle auf der estnischen Insel Oesel an, erhielt aber schon 1783 eine Pfarrstelle in Püha.[4]

Der Beruf des Geistlichen behagte Luce allerdings nicht sonderlich, und er litt unter Depressionen. Schon 1785 gab er deshalb die Pfarrstelle auf und zog sich auf sein Rittergut Lahhentagge (estn.: Lahetaguse) auf Oesel zurück, um es hauptberuflich zu bewirtschaften. Während dieser Jahre veröffentlichte er einige Gedichtbände. Bald nach dem Tod seiner ersten Ehefrau (1788) ging er 1789 wieder zurück nach Deutschland und studierte bis 1792 Medizin an den Universitäten Göttingen und Erfurt. Das Studium schloss er als Dr. med. ab. Anschließend kehrte auf dem Umweg über Sankt Petersburg, wo er eine spezielle Ärzteprüfung ablegen musste, nach Livland (Estland) zurück.

Dort übte er verschiedene Tätigkeiten aus, u. a. auch als Arzt. Er ist der Begründer des oeselschen Landhospitals. Am 8. März 1795 wurde er in Wien in den Reichsadelsstand erhoben und erhielt das Indigenat der Oeselschen Ritterschaft.[5] Schließlich war er von 1804 bis 1820 Schulinspektor (Schulrat) des Arensburger Schulkreises.

Als Estophile gründete Luce im Jahr 1817 in Arensburg die „Estnische Gesellschaft“[6] als erste Gesellschaft zur Förderung der estnischen Sprache (siehe hierzu auch Ehstländische Literärische Gesellschaft).[7][8] Er war außerdem 48. Stiftungsmitglied der Gesellschaft für Geschichte und Alterthumskunde der russischen Ostsee-Provinzen.[9] Luce war Münzsammler und schenkte im Jahr 1839 Teile seiner Sammlung der „Gelehrten Estnischen Gesellschaft“.[10] Er war Mitglied der „Kaiserlichen Pharmazeutischen Gesellschaft“ in St. Petersburg und der „Kaiserlichen Freien Ökonomischen Gesellschaft“ ebenda sowie korrespondierendes Mitglied der „Kaiserlichen Philanthropischen Gesellschaft“. Außerdem war er Vizepräsident der Arensburger Abteilung der russischen Bibelgesellschaft.

Luce war Autor zahlreicher ökonomischer, medizinischer und historischer Aufsätze in deutscher und estnischer Sprache, in denen er sich u. a. für die Abschaffung der Leibeigenschaft im Baltikum einsetzte. Er veröffentlichte seine Werke u. a. in der Monatsschrift für Geist und Herz. Von seinen Werken in estnischer Sprache gelten als wesentlichste die Geschichten, dem Volke zu Nutzen und Freude, bereitet vom Schulrat Johann Willem Ludse.[11]

Familie

Luce heiratete in erster Ehe am 17. August 1784 auf Gut Sandel Johanna Luise von Vietinghoff (* 11. Oktober 1765; † 27. August 1788), die Tochter des Gutsbesitzers Reinhold Johann von Vietinghoff († 1777), Gutsherr auf Sandel, und der Sophie Euphrosine von Aderkas (aus dem Hause Peude); aus dieser ersten Ehe stammte Sohn Johann Friedrich Wilhelm von Luce (1785–1866). In zweiter Ehe heiratete er am 10. Dezember 1793 auf Gut Peude Auguste Christine von Aderkas (* 18. Juni 1772 auf Gut Peude; † 31. Oktober 1817 in Arensburg), Tochter des Gutsbesitzers Gotthard Wilhelm von Aderkas († 1813), Gutsherr auf Peude, und der Charlotte Auguste von Güldenstubbe (aus dem Hause Murratz) sowie Schwester von Gotthard Emanuel von Aderkas; aus dieser Ehe stammte Sohn Friedrich Gotthard von Luce (1798–1881).[12][13]

Schriften

Literatur

Einzelnachweise

  1. Stammbuch des blühenden und abgestorbenen Adels in Deutschland. Band 2: G – L. Manz, Regensburg 1863, S. 384.
  2. Genealogisches Handbuch der Oeselschen Ritterschaft (1935), Seite 541. Die in der Literatur alternativ angegebenen Daten 5. September 1756 und 4. Juni 1842 entsprechen dem russischen Kalender (Julianischer Kalender).
  3. Biografie, Literaturhinweise und Werkverzeichnis, erstellt von der Universität Potsdam (Memento vom 15. Januar 2016 im Internet Archive). – In unterschiedlicher Literatur wird auch 1750 als Geburtsjahr angegeben. Da daraus folgen würde, dass Luce sein Studium in Göttingen nicht bereits als 18-Jähriger, sondern erst als 24-Jähriger aufgenommen hätte – was als eher unwahrscheinlich anzunehmen ist –, handelt es sich bei dieser Angabe des Geburtsjahrs jedoch höchstwahrscheinlich um eine Fehlinterpretation eines handschriftlich niedergeschriebenen Geburtsjahrs. Siehe grundsätzlich dazu den Aufsatz von Indrek Jürjo unter Literatur.
  4. Cornelius Hasselblatt: Geschichte der estnischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. de Gruyter, Berlin u. a. 2006, ISBN 3-11-018025-1, S. 166, (Digitalisat).
  5. Adelslexikon. Band 8: Loe – Mes (= Genealogisches Handbuch des Adels. Bd. 113). C. A. Starke, Limburg (Lahn) 1997, ISBN 3-7980-0813-2, S. 79. – Wappen: Innerhalb des goldenen Schildrandes in Blau eine strahlende goldene Sonne, die sich im gewellten silbernen Schildfuß spiegelt. Auf dem Helm mit blau-goldenen Decken ein offener, rechts goldener, links blauer Flug, je belegt mit einem schwarzen Schrägbalken, darin eine silberne Pilgermuschel.
  6. Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Estnische Gesellschaft in Arensburg. In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital
  7. Jörg Hackmann: Von der „Gelehrten Estnischen Gesellschaft“ zu „Õpetatud Eesti Selts“. Verein und Nation in Estland. In: Norbert Angermann, Michael Garleff, Wilhelm Lenz (Hrsg.): Ostseeprovinzen, Baltische Staaten und das Nationale. Festschrift für Gert von Pistohlkors zum 70. Geburtstag (= Schriften der Baltischen Historischen Kommission. 14). LIT, Münster 2005, ISBN 3-8258-9086-4, S. 185–211, hier S. 188, (Digitalisat).
  8. Jaan Undusk: Adressat und Sprache im deutschbaltischen Literaturraum. In: Ulrich Obst, Gerhard Ressel (Hrsg.): Balten – Slaven – Deutsche. Aspekte und Perspektiven kultureller Kontakte. Festschrift für Friedrich Scholz zum 70. Geburtstag (= Veröffentlichungen des Slavisch-Baltischen Seminars der Universität Münster. 1). LIT, Münster u. a. 1999, ISBN 3-89473-726-3, S. 347–361, hier S. 353, (Digitalisat).
  9. Mittheilungen aus dem Gebiete der Geschichte Liv-, Ehst- und Kurland’s. Bd. 1, Heft 1, 1837 (1840), ZDB-ID 515533-2, S. 21, Nr. 48, (Digitalisat).
  10. Ivar Leimus: Einige Beiträge zur Bildungsgeschichte des Münzfundes von Vaida. In: Bernd Kluge, Bernhard Weisser (Hrsg.): XII. Internationaler Numismatischer Kongress. Berlin 1997. Akten – Proceedings – Actes. Band 2. Mann, Berlin 2000, ISBN 3-7861-2373-X, S. 923–928, hier S. 926.
  11. Henno Jänes: Geschichte der estnischen Literatur (= Stockholm Studies in History of Literature. 8, ISSN 0491-0869). Almqvist & Wiksell, Stockholm 1965, S. 26.
  12. Genealogisches Handbuch der Oeselschen Ritterschaft (1935), Seite 541.
  13. Biografie (estn.)
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