Johann Lange (Orgelbauer)

Johann Lange (* 4. September 1543 in Wesselburen; begraben 17. November 1616 in Kamenz) war ein Orgelbauer in Kamenz in Sachsen. Er wirkte vor allem in der Oberlausitz und gilt als führender sächsischer Orgelbauer des 16. Jahrhunderts.

Leben

Lange stammte aus Wesselburen in Dithmarschen. In der Chronik von Bischofswerda wird er entsprechend als „Johann Largen von Camentz/Ditmariensem“ bezeichnet.[1] Belegt ist auch die Namensform „Hanß Lange“. Er erlernte den Orgelbau vermutlich bei Hans Scherer dem Älteren und siedelte sich 1576 in Kamenz an. Von 1576 bis 1577 wohnte er im Hotel Goldener Stern, später im Goldenen Hirsch in Kamenz und erneuerte dort die Orgel der Stadtkirche.[2] Seine Werkstatt fand er im 1565 säkularisierten Franziskanerkloster, wo er einen Schmelzofen errichten ließ.[3]

Am 8. Mai 1578 erwarb er das Bürgerrecht in Kamenz, kaufte ein eigenes Haus in oder bei der Tuchmachergasse (heute: Pulsnitzer Straße) und heiratete im Jahr 1581 Margaretha Bulling (begraben am 20. September 1632 in Kamenz), die Tochter eines Schneidermeisters der Stadt. Offenbar war Lange Schwager von Magister Justus Gebhardt, gegen dessen Nachfolger er im Wirtshaus üble Nachrede verbreitete und deshalb zu drei Wochen Kerkerhaft verurteilt wurde.[3]

Mutmaßlicher Schüler Langes in Kamenz war Gottfried Fritzsche.[4] Neben seinem Sohn Hans und Joachim Zschuck (Plauen) erlernte möglicherweise auch Martin Wanningk (Kamenz) den Orgelbau bei Lange. Am 6. September 1593 war Lange Taufpate von dessen Sohn Gabriel.[3] Bei der Überholung der beiden Orgeln in der Dresdner Kreuzkirche wirkte ein Sohn Langes mit.[5] Der jüngste Sohn Tobias (getauft am 15. Dezember 1612 in Kamenz; † um 1635 ebenda) war Gold- und Silberarbeiter und Ältester der Gemeinde in Kamenz. Er heiratete am 19. September 1622 in Kamenz Margaretha Schober (getauft am 14. Januar 1604 in Kamenz; † 1680).[6] Über ihn war Lange Vorfahr von Gotthold Ephraim Lessing mütterlicherseits.[7]

Werk

Von Lange sind mehr als 20 orgelbauliche Tätigkeiten (Neubauten, Umbauten und Reparaturen) nachgewiesen, die sich auf die Oberlausitz konzentrierten, aber im Einzelfall bis nach Sachsen und darüber hinausreichen.[3] Er schuf Orgeln im Stil der Spätrenaissance mit seitlichen Flügeltüren. Wahrscheinlich verwendete er ausschließlich die Schleiflade.[8] Seine großen Orgeln verfügten über einen ausgebauten Prinzipal- und Flötenchor im Oberwerk und meist zwei Regalregister im Brustwerk in Acht- und Vier-Fuß-Lage. Das Pedal war mit nur wenigen Registern schwach besetzt und vermutlich fest an das Oberwerk angekoppelt. Für einzelne 16-Fuß-Register im Pedal setzte Lange Transmissionen ein.[9] Reich ausgestattet und modern besetzt war hingegen das Rückpositiv mit zahlreichen Flöten- und Solostimmen sowie Zungenregistern. Lange vermittelte den hochentwickelten norddeutsch-niederländischen Orgelbau nach Mitteldeutschland.[10] Das Pedal der Orgel in Trachenberg war bis zu g1 ausgebaut, aber ähnlich wie bei den beiden Leipziger Orgeln mit wenigen Registern nur bis in Vier-Fuß-Lage besetzt. Zungenstimmen waren im Oberwerk nicht, im Brustwerk wie üblich nur mit kurzen Bechern vertreten, nahmen insgesamt aber ein Viertel des Registerbestandes ein. Die Flötenregister (Weitchor) waren stärker ausgebaut, aber nur bis in Vier-Fuß-Lage.[11]

Lange gilt als führender Orgelbauer Sachsens im 16. Jahrhundert.[12] Eine Inschrift aus dem Jahr 1576 am Rückpositiv der Orgel in Lützen, St. Viti, führte dazu, dass dieses Werk Lange zugeschrieben wurde. Der Orgelbauer Georg Lange ist aber nicht mit Johann Lange identisch.[13] Von seinen Orgeln ist nichts erhalten. Ein kleines Positiv von 1580 oder 1584, das im Stil der Renaissance reich verziert war, wurde 1945 in der Dresdner Rüstkammer durch Kriegseinwirkung zerstört.[14]

Werkliste

Die römische Zahl bezeichnet die Anzahl der Manuale, ein großes „P“ ein selbstständiges Pedal, ein kleines „p“ ein nur angehängtes Pedal und die arabische Zahl in der vorletzten Spalte die Anzahl der klingenden Register.

JahrOrtGebäudeBildManualeRegisterBemerkungen
1562 Torgau Stadtkirche II/P 26 Umbau, nicht erhalten
1576–1577 Kamenz Stadtkirche II/P 19 umfangreiche Erneuerungsarbeiten, nicht erhalten
1579–1580 Bolesławiec Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt
1580 Meißen Meißner Dom Neubau?
1580 oder 1584 Dresden Schloss, heute: Rüstkammer I 4 Orgelpositiv mit Schreibpult und dreigeschossigem Aufbau, ursprünglich in der kurfürstlichen Hauskapelle, dann in der Kunstkammer und seit 1892 im Historischen Museum; 1945 zerstört. Unterteil, Gehäuse und künstlerische Gestaltung von Christoph Walther II, siehe oder .
1580–1581 Cottbus St. Nikolai
1584 Leisnig Stadtkirche St. Matthäi II/P 24 Neubau, 1637 verbrannt
1586 Grimma Nikolaikirche Neubau, Zuschreibung, nicht erhalten
1587 Wurzen Dom St. Marien zu Wurzen
1590, 1602 Bischofswerda Stadtkirche II/P 20 1590 Erneuerung und Erweiterung der Orgel von Jacob Weinreb (1565) und Stephan Koch (1571); nach dem Stadtbrand von 1596 folgte 1602 eine weitere Renovierung oder ein Neubau; 1690 ersetzt
1591–1592 Torgau Stadtkirche II/P 26 Neubau; 1872 ersetzt
1593–1594, 1605–1607 Rochlitz St. Kunigunde III/p 22 Neubau unter Einbeziehung älterer Gehäuseteile in zwei Bauphasen; 1862 ersetzt[15]
1594 Treben Dorfkirche I
1596 Finsterwalde St. Trinitatis II/P 26
1595–1598 Altenburg St. Bartholomäi II/P 23 Umbau
1597–1598 Leipzig Nikolaikirche
II/P 27 Gehäuse von Valentin Silbermann und Seitenflügel von Thomas Lichtenstein und Gesellen Heinrich Eckersen; bereits 1575/1576 Reparatur durch Lange; Neubau für 2900 Gulden, Disposition bei Michael Praetorius, Syntagma musicum;[16] mehrfach umgebaut und 1787 ersetzt (Aquarell von Carl Benjamin Schwarz 1785)
1598–1599 Altenburg Schlosskirche (Große Orgel) II/P 16 Reparatur der Orgel (um 1500); 1640 ersetzt
1600 Trachenberg Ev. Kirche II/P 28 Neubau
1598–1601 Leipzig Thomaskirche III/P 25 Umbau für 1700 Gulden, der einem Neubau gleichkam, mehrfach umgebaut und 1885 ersetzt; Disposition bei Michael Praetorius, Syntagma musicum;[17]
1601 Oschatz St. Aegidien Neubau; 1616 verbrannt
1603 Eilenburg Marienkirche Neubau; ersetzt durch einen Neubau von Conrad Geißler (1864)
1603–1604 Döbeln St. Nikolaikirche Neubau im Turm, Rückpositiv ragt ins Kirchenschiff; 1765 beim Deckeneinsturz schwer beschädigt; nicht erhalten
1605 Dresden Kreuzkirche II/P Überholung der Haupt- und Chororgel von Blasius Lehmann (1512–1514); nicht erhalten
1606 Dresden Dreikönigskirche I Erneuerung der Orgel von Caspar Koler (1489); nicht erhalten
1608 Göda St. Peter und Paul I 10 Neubau
1615 Löbau St. Nikolai Neubau

Literatur

  • Ulrich Dähnert: Historische Orgeln in Sachsen. Ein Orgelinventar. VEB Deutscher Verlag für Musik, Frankfurt 1980, ISBN 3-920112-76-8, S. 305.
  • Frank-Harald Greß: Die Orgellandschaft Sachsen. In: Badisches Landesmuseum Karlsruhe (Hrsg.): Silbermann. Geschichte und Legende einer Orgelbauerfamilie. 2006, S. 81 f.
  • Erich Kuhlmann: Johann Lange. Ein Orgelbauer aus Dithmarschen. In: Nordelbingen. Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte. Nr. 50, 1981, S. 197–201.
  • Erich Kuhlmann: Lange, Johann (Hans). In: Biographisches Lexikon für Schleswig-Holstein und Lübeck. Bd. 7. Wachholtz, Neumünster 1985, ISBN 3-529-02647-6, S. 119–120.
  • Martin Kühne: Auf den Spuren eines Kamenzer Orgelbauers. Zum 400. Todestag von Johann Lange. In: Dresdner Neueste Nachrichten. Nr. 277 vom 28. November 2016, S. 14.
  • Konrad Küster: Leipzig und die norddeutsche Orgelkultur des 17. Jahrhunderts. Zu Werner Fabricius, Jacob Weckmann und ihrem Umkreis. In: Ständige Konferenz Mitteldeutsche Barockmusik. Jahrbuch. 2000, S. 22–41.
  • Uwe Pape, Wolfram Hackel (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Bd. 2: Sachsen und Umgebung. Pape, Berlin 2012, ISBN 978-3-921140-92-5, S. 221.
  • Paul Rubardt: Kamenzer Orgelbuch. Oberlausitzer Druckwerkstätten, Kamenz 1952, S. 1–55.
  • Rudolf Wustmann: Musikgeschichte Leipzigs. Bd. 1: Bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Zentralantiquariat der DDR, Leipzig 1974, S. 144–145 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1926) eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.

Einzelnachweise

  1. Wolfram Hackel: Die Orgeln in der Stadtkirche Bischofswerda – eine Chronik. (PDF; 80 kB) In: Christusbote. Evangelisch-Lutherisches Pfarramt Bischofswerda der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirchgemeinde Bischofswerda, Großdrebnitz, Goldbach/Weickersdorf, abgerufen am 4. März 2022 (Längere Fassung in: „Dulce melos organorum“ – Festschrift Alfred Reichling. Mettlach 2006, S. 217–242).
  2. Hans Scheller: Kamenz als Sechsstadt von der Gründung bis 1815. (= Kamenzer Heimathefte 14.) Rat der Stadt Kamenz, Kamenz 1969.
  3. Martin Kühne: Auf den Spuren eines Kamenzer Orgelbauers. Zum 400. Todestag von Johann Lange. In: Dresdner Neueste Nachrichten. Nr. 277 vom 28. November 2016, S. 14.
  4. Dorothea Schröder: Orgeln und Orgelbau im Herzogtum Wolfenbüttel 1580–1650. Abgerufen am 4. März 2022. S. 13.
  5. Orgelbau vom Mittelalter bis heute in der Kreuzkirche Dresden, abgerufen am 8. Dezember 2016.
  6. Erich Kuhlmann: Lange, Johann (Hans). 1985, S. 119.
  7. Pape: Lexikon norddeutscher Orgelbauer. 2012, S. 221.
  8. Dähnert: Historische Orgeln in Sachsen. 1980, S. 12–13.
  9. Hans Klotz: Über die Orgelkunst der Gotik, der Renaissance und des Barock. Musik, Disposition, Mixturen, Mensuren, Registrierung, Gebrauch der Klaviere. 3. Auflage. Bärenreiter, Kassel 1986, ISBN 3-7618-0775-9, S. 237.
  10. Konrad Küster: Musik am Deich. 500 Jahre Orgelkultur in den Marschen, S. 16, abgerufen am 20. März 2015 (PDF-Datei; 368 kB).
  11. Rubardt: Kamenzer Orgelbuch. 1952, S. 15.
  12. Christoph Wolff, Markus Zepf: Die Orgeln J. S. Bachs. Ein Handbuch. Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 2006, ISBN 3-374-02407-6, S. 167.
  13. Inschrift in Lützen, St. Viti, abgerufen am 20. März 2015.
  14. Dähnert: Historische Orgeln in Sachsen. 1980, S. 71–72.
  15. Orgel in Rochlitz, S. 2–23, abgerufen am 20. März 2015 (PDF-Datei; 1,9 MB).
  16. Praetorius: Syntagma musicum (online), abgerufen am 20. März 2015.
  17. Praetorius: Syntagma musicum (online), abgerufen am 20. März 2015.
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