Johann Knopf
Johann Knopf, auch Johannes Knopf, (geboren 1866 in Wünschmichelbach bei Weinheim; gestorben 1910 in Wiesloch) war ein Art-Brut-Künstler und einer der „schizophrenen Meister“, die der Psychiater Hans Prinzhorn in seinem Werk Bildnerei der Geisteskranken porträtierte. Prinzhorn wies ihm das Pseudonym Johann Knüpfer zu.[1][2]
Leben
Knopf wuchs in einem kleinen Dorf im Odenwald auf und war der Jüngste von vier Brüdern. Der Vater lebte getrennt von der Familie und starb früh. Knopf erlernte das Bäckerhandwerk in Heiligkreuzsteinach und begann danach in einer Brotfabrik zu arbeiten. Wegen eines Leistenbruchs wurde er vom Militärdienst freigestellt. Er wechselte in eine Zementfabrik und arbeitete schließlich in einer Maschinenfabrik, wo er den Beruf des Schlossers erlernte. Er lebte mit einem Bruder bei seiner Mutter, bis diese 1895 starb. Danach wurde sein Leben unstet. Freunde überredeten ihn dazu, zu heiraten. Aber die Verbindung war von Anfang an unglücklich, er trank und wurde gewalttätig. Er misstraute nicht nur seiner Frau, sondern allen, die er kannte. Wegen Alkoholismus, Landstreicherei und einem Selbstmordversuch – er hatte sich mit einem Messer in die Brust gestochen – wurde er 1902 in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen. Nach Fertigstellung der neuen psychiatrischen Anstalt Wiesloch wurde er ab 1905 dorthin verlegt und lebte dort bis zu seinem Tod.
Bei der Aufnahme stellte sich heraus, dass Knopf seit Jahren unter paranoiden Wahnvorstellungen und Visionen litt, in denen Jesus Christus ihm begründete, warum er verfolgt werde. Er erklärte den Psychiatern in einer Art religiösem Größenwahn, „dass niemand so sehr gelitten habe wie er, nicht einmal Christus“. Knopf fühlte sich verfolgt und wähnte hinter allen körperlichen Problemen einen Vergiftungsanschlag. Er nahm selten an der sogenannten Arbeitstherapie teil, reagiert auf jegliche Anforderungen von außen gereizt. Auffällig war seine Beziehung zu Tieren, die er vorgab genau zu verstehen.[3]
Künstlerische Bewertung
In der Anstalt begann Knopf bald zu zeichnen. Prinzhorn interpretierte die künstlerische Ausdrucksform Knopfs als Mitteilungsdrang. Ausführlich beschrieb Prinzhorn einzelne Blätter. So interpretierte er das zentrale runde Element auf der Zeichnung Lamm Gottes gleichzeitig als Kopf einer Figur, als Strahlenkranz einer Monstranz, als Sonne oder als Zifferblatt einer Uhr. Knopf achtete auf Symmetrie, setzte eine Vielzahl von sich wiederholenden Symbolen ein und übersät Zeichnungen mit flächendeckenden orakelhaften Texten.[4]
Seine Werke lassen sich gemäß Prinzhorn in zwei Kategorien einteilen: die formalen religiösen Bilder, die mit orakelhaften Inschriften versehen sind, und die Zeichnungen mit Erinnerungen an seine Jugend. Beide Kategorien zeigen eine Vorliebe für Symmetrie und eine Faszination für Kreise.[2]
1950 besuchte der französische Künstler Jean Dubuffet, der die Kunstgattung Art brut prägte, die Sammlung Prinzhorn. Dabei ließ er sich alle Werke vorlegen, über die Prinzhorn geschrieben hatte und einige mehr. Er bewertete die Werke von Johann Knopf als „extrem gut“.[5]
2013 versuchte Gregor Wedekind nachzuweisen, dass strukturelle Analogien zu Knopfs Bild Lamm Gottes bei einigen Bildern von Paul Klee zu erkennen seien, so etwa bei Agnus Dei qui tollis peccata mundi (1918), Bauchredner und Rufer im Moor (1923), Prophetisches Weib (1923) oder Mystisch-Physiognomisch (1924). Der japanische Künstler Koga Harue erstellte ein Skizzenblatt auf dem Details verschiedener Künstler aus Bildnerei der Geisteskranken isoliert wurden.[6]
Johann Spooner nahm sich 2016 Knopfs Bild Die Herrlichkeiten das Schrot dem Jagdgewehr als Vorlage für seine mobile Installation Johann Knopf: A machine with whirling birds.[7]
Werke (Auswahl)
Die Werke von Knopf sind nicht datiert.
Religiös motiviert
- Der große Bumperton am Sabath, Feder, Bleistift, Farbstift auf Schreibpapier[8]
- Bumperton, Tinte auf Papier
- Ohne Titel (Zwei Figuren), Bleistift, Feder, Fettkreide auf Schreibpapier[9]
- Lamm Gottes, Tinte auf Papier
Erinnerungen
Ausstellungen
Knopfs Werke wurden posthum in diversen Gruppenausstellungen gezeigt:
- 1992: Parallel visions. Modern artists and outsider art, Wanderausstellung, Los Angeles
- 1997: Kunst und Wahn, Bank Austria Kunstforum Wien
- 2009: Prinzhornova Sbrirka, art brut z legendární kolekce německého psychiatra (Sammlung Prinzhorn, Art Brut aus der legendären Sammlung eines deutschen Psychiaters), Galerie der Stadt Prag, Tschechien[13]
- 2015: Dubuffets Liste, Sammlung Prinzhorn, Heidelberg, und Basel
- 2016/2017: Dubuffets Liste – Jean Dubuffets Kommentar zu Meisterwerken der Sammlung Prinzhorn, Museum im Lagerhaus, Sankt Gallen, Schweiz[5]
- 2019/2020: Die Sammlung Prinzhorn. Art Brut vor der Art Brut, Museum Gugging, Maria Gugging, Österreich[14]
Literatur
- Hans Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken. Ein Beitrag zur Psychologie und Psychopathologie der Gestaltung. Julius Springer, Berlin 1922, doi:10.11588/diglit.11460.
- Maurice Tuchman, C.S. Eliel: Parallel visions. Modern artists and outsider art. Katalog der Wanderausstellung. Los Angeles, Vereinigte Staaten von Amerika 1992, ISBN 0-87587-165-8.
- Ingried Brugger u. a. (Hrsg.): Kunst und Wahn. Die Wiederholung im Schaffen von Außenseiter-Künstlern. Ausstellungskatalog und Aufsatzsammlung anläßlich der Ausstellung „Kunst und Wahn“ im Kunstforum Wien, 5. September bis 8. Dezember 1997. DuMont, Köln 1997, ISBN 3-7701-4274-8.
- Silke Röckelein: Identität und Weltbild. Die Wiederholung im Schaffen von Außenseiter-Künstlern. Dissertation. Driesen, Taunusstein 2008, ISBN 978-3-86866-102-6.
- Knopf, Johannes. In: Andreas Beyer, Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon - Internationale Künstlerdatenbank - Online. K. G. Saur, Berlin / New York 2009.
- ungesehen und unerhört. Künstler reagieren auf die Sammlung Prinzhorn. Band 1: Bildende Kunst, Film, Video. Wunderhorn, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-88423-406-8.
- Ingrid von Beyme, Thomas Röske (Hrsg.): Dubuffets Liste. Ein Kommentar zur Sammlung Prinzhorn von 1950. Katalog zu den Ausstellungen in St. Gallen und Heidelberg 2015. Wunderhorn, Heidelberg 2015, ISBN 978-3-88423-523-2.
- Lucienne Peiry: Écrits d’Art Brut. Graphomanes extravagants. Le Seuil, Paris 2020, ISBN 978-2-02-144768-2 (französisch).
Weblinks
- Jean Dubuffet in Heidelberg und Basel: aspekte - zdf auf YouTube, 27. Dezember 2016, abgerufen am 15. Dezember 2022 (Laufzeit: 5:26).
Einzelnachweise
- Knopf, Johannes. In: Andreas Beyer, Bénédicte Savoy, Wolf Tegethoff (Hrsg.): Allgemeines Künstlerlexikon. K. G. Saur, Berlin / New York 2021.
- Jenifer P. Borum: Johann Knopf (Knüpfer). Outsider Art Fair, abgerufen am 20. Oktober 2022 (englisch).
- Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken. 1922, S. 220–222.
- Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken. 1922, S. 222–229 (uni-heidelberg.de).
- Dubuffets Liste. (PDF) Museum im Lagerhaus, Dezember 2016, abgerufen am 20. Oktober 2022.
- Gregor Wedekind: Paul Klee und die Bildnerei der Geisteskranken. In: ungesehen und unerhört. Künstler reagieren auf die Sammlung Prinzhorn. Band 1: Bildende Kunst, Film, Video. Wunderhorn, Heidelberg 2013, ISBN 978-3-88423-406-8, S. 49–50.
- Sarah: Johann Knopf: a Machine with Whirling Birds. In: Cabaret Mechanical Theatre. 24. November 2016, abgerufen am 20. Oktober 2022 (englisch).
- Dubuffets Liste, Tafelteil. S. 66.
- Dubuffets Liste. 2015, S. 67.
- Dubuffets Liste. 2015, S. 68.
- Dubuffets Liste. 2015, S. 69.
- Prinzhorn: Bildnerei der Geisteskranken. 1922, S. 228 (uni-heidelberg.de).
- Výstava: Prinzhornova sbírka (2009). Artbrut.cz, abgerufen am 20. Oktober 2022 (tschechisch).
- Die Sammlung Prinzhorn. kultur-online, 21. September 2019, abgerufen am 18. Oktober 2022.