Je suis Karl

Je suis Karl ist ein Filmdrama von Regisseur Christian Schwochow nach einem Drehbuch von Thomas Wendrich. Es handelt von einer jungen Frau, deren Familie in Berlin Opfer eines Terroranschlags wird und die sich in den charismatischen Anführer einer europaweiten rechtsgerichteten Revolution verliebt. Der Film feierte im Juni 2021 bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin seine Premiere und kam am 16. September 2021 in die deutschen Kinos. Die Hauptrollen spielen Luna Wedler, Jannis Niewöhner und Milan Peschel.

Handlung

Maxi Baier kehrt mit dem Bus aus Frankreich zurück nach Berlin. Gerne wäre sie länger dort bei ihrer Großmutter geblieben. Ihr Vater Alex holt sie vom ZOB ab. Zu Hause erwarten sie ihre Mutter Inès und ihre beiden Brüder, die Zwillinge Hans und Franz.

Als Alex später noch einmal das Haus verlässt, nimmt er bei seiner Rückkehr ein Paket für die Nachbarin Frau Papke an und stellt es in seine Wohnung. Als er dann nochmals nach unten geht, kommt es zu einer gewaltigen Explosion. Seine Frau und die beiden Jungen sind tot. Im Krankenhaus berichtet er zwei Beamtinnen von dem Paket. Alex dachte, auch Maxi sei zu Hause gewesen, als es zu der Explosion kam, doch seine Tochter kommt plötzlich ins Zimmer.

Zur Beerdigung ist auch die Großmutter aus Frankreich angereist. Die Presse vermutet, dass islamistische Terroristen hinter dem Anschlag stecken. Maxi beginnt, alle jungen, arabisch wirkenden Männer, denen sie begegnet, mit anderen Augen zu sehen. Als sich Maxi das zerstörte Haus anschauen will, wird sie von Reportern verfolgt und flüchtet in einen Klamottenladen. Dort erkennt ein junger Mann ihre missliche Lage und bietet ihr seine Jacke als Tarnung für den weiteren Weg und sich selbst als Deckung an. Ihr Retter stellt sich ihr als Karl vor. Sie trinken zusammen einen Kaffee und er zeigt sich im Gespräch sehr einfühlsam für ihre Situation. Karl erzählt ihr, am nächsten Tag nach Prag zu einem Treffen namens Summer Academy fahren zu wollen, bei dem Studenten aus ganz Europa zusammenkommen. Er lädt Maxi dazu ein, weil es gut für sie sei, unter Menschen zu kommen, die sie nicht kennen.

Weil Maxi ihren Vater kaum erträgt, der langsam droht durchzudrehen, will sie weg, nach Paris oder woanders hin. So meldet sie sich für die drei Tage im September bei der Summer Academy an und fährt wenige Tage später nach Prag. Während der Begrüßungsveranstaltung steht Karl oben auf der Bühne. Er ist für eine Gruppe namens re/Generation europe vor Ort. Karl lässt seine Rede mit einer Schweigeminute für die Opfer des Terroranschlags in Berlin beginnen und schwört die Masse auf eine sichere Gesellschaft in Europa ein, ohne Platz für solche Täter. In einem Flashback stellt sich allerdings heraus, dass Karl selber der Postbote war, der Alex das Paket überreichte und den Anschlag auslöste.

Freudig und überrascht wirkend, begrüßt er Maxi und stellt ihr seine Freunde vor, die Sängerin Jitka und Pankraz aus Wien. Maxi, die nichts davon ahnt, dass Karl höchstpersönlich für den Anschlag verantwortlich war, ist fasziniert von ihm und begleitet ihn auf weitere internationale Treffen von dessen re/Generation. Auf der Reise dorthin plant Karl mit seinen Freunden weitere Anschläge, diesmal aber mit mehr Opfern, um Eindruck zu hinterlassen. Die Bewegung hat auch Kontakt zu Odile Duval, einer rechten französischen Politikerin. Gemeinsam mit Karl und seinen Freunden fährt Maxi zu einem Referendum.

Ihr Vater Alex versucht unterdessen, sie zu erreichen, doch Maxi ignoriert seine Anrufe, lässt ihn aber wissen, er müsse sich keine Sorgen machen. Er nimmt Kontakt zu einem alten Bekannten auf, dem Maxis Eltern zur Flucht nach Deutschland verholfen hatten. Als der Maxis Vater besucht, gelingt es ihm, sie am Telefon zu erreichen. Dabei erzählt sie ihm von ihrem Aufenthalt in Straßburg.

Maxi entscheidet sich währenddessen, auf dem Treffen mit Duval eine Rede zu halten und ihre Geschichte zu erzählen. Auf einer Party plant Karl mit seinen engsten Mitstreitern den letzten Coup: Ein hohes Mitglied von re/Generation soll in der Öffentlichkeit von einem anderen erschossen werden, um die Bewegung vollständig zu instrumentalisieren und eine Revolution zu starten.

Nach dem Referendum mit Duval geht die Gesellschaft zum Feiern des gelungenen Auftritts in ein Restaurant. Später am Abend erscheint Alex und re/Generation zeigt ihm Maxis Rede. Währenddessen gibt Karl einem seiner Freunde ein Zeichen und er geht nach draußen, um über einen Livestream eine Rede zu halten. Er wird erschossen und europaweit bricht die Revolution unter dem Namen ,Je suis Karl‘ aus.

Produktion

Filmstab und Förderung

Regie führte Christian Schwochow

Der Filmtitel Je suis Karl ist ein Anspielung auf den Schlachtruf und die Solidaritätsbekundung, mit der Mitarbeiter der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo (Je suis Charlie) auf den 2015 verübten islamistischen Anschlag reagierten.[2] Regie führte Christian Schwochow. Das Drehbuch schrieb Thomas Wendrich.

Der Film erhielt von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien eine Produktionsförderung von 500.000 Euro, vom Deutschen Filmförderfonds 880.000 Euro und vom Medienboard Berlin-Brandenburg 300.000 Euro.[3] Die Filmförderungsanstalt beteiligte sich mit insgesamt rund einer Million Euro, die Film- und Medienstiftung NRW mit rund 1,2 Millionen Euro.

Besetzung und Dreharbeiten

Jannis Niewöhner spielt in der Titelrolle den Karl. Schwochow hatte bei der Entwicklung der Figur absichtlich die Biografie weggelassen, um die Zuschauer dazu zu bringen, sich zu fragen, wie das alles mit dem Bild zusammenpasst, das sie von Radikalen haben. Er wollte so auch keine psychologische Erklärung für sein Verhalten liefern, die mit seinen Erfahrungen in seinem bisherigen Leben begründet wird.[4] Die Schweizerin Luna Wedler übernahm die Rolle von Maxi. Milan Peschel spielt ihren Vater Alex. In weiteren Rollen sind Marlon Boess, Aziz Dyab, Mélanie Fouché, Ruzica Hajdari, Therese Hämer, Johann-Christof Laubisch und Vanessa Loibl zu sehen.

Einer der Drehorte: Berlin-Friedrichshain, Frankfurter Allee Ecke Proskauer Straße

Über seine Rolle des Verführers aus der rechten Szene, der rhetorisch sehr begabt ist, Leute für sich zu gewinnen, und eine friedfertige Ausstrahlung hat, sagte Niewöhner: „Und das ist das Gefährliche. Man lässt sich von der äußeren Erscheinung dieses Menschen verführen. Darum geht’s im Film. […] Es ist schwer geworden, hinter dieser friedvollen Hülle die eigentlichen Absichten einer menschenfeindlichen Politik zu erkennen.“[5]

Gedreht wurde ab Herbstanfang 2019 in Köln.[6] Weitere Aufnahmen entstanden in Berlin-Friedrichshain in der Thaerstraße und ihrer Umgebung und auf der Frankfurter Allee, Ecke Proskauer Straße. Anfang Dezember 2019 wurden die Dreharbeiten beendet.[6] Als Kameramann fungierte Frank Lamm. Einige im Film zu sehende Aufnahmen stammen aus dem Archiv, zum Beispiel Bilder von Ausschreitungen in Madrid und einer Demonstration von Neonazis in Stockholm.

Filmmusik und Veröffentlichung

Die Filmmusik komponierten Tom Hodge und Tomáš Dvořák. Der Film verwendet zudem Musik von Floex und Songs von Max Rieger, so All diese Gewalt, auch Karl’s Song genannt. Des Weiteren zu hören sind Everything must Change von The Command und À la guerre und nouveux Flux von Rapper Yung H4T3, von Johann-Christof Laubisch gespielt, im Film während einer Party zu hören. Zudem singt Anna Fialová in ihrer Rolle von Jitka Never too late und Samota. Yusuf singt im Film auf Arabisch Für die Nachbarskinder von Aziz Dyab. Das Soundtrack-Album mit 14 Musikstücken von Hodge und Floex wurde im September 2021 von Minority Records als Download veröffentlicht.[7]

Die Premiere erfolgte am 19. Juni 2021 beim Open Air stattfindenden Berlinale Summer Special.[8][9] Die Premiere fand in Anwesenheit von Thomas Wendrich, Christian Schwochow, Jannis Niewöhner, Luna Wedler und Milan Peschel statt.[10] Im August 2021 feierte der Film beim Filmfestival Kitzbühel seine Österreich-Premiere.[11] Der Kinostart in Deutschland erfolgte am 16. September 2021 im Verleih von Pandora.[12] Schwochow wollte den deutschen Kinostart rund um den Jahrestag der Terroranschläge von 11. September und im Vorfeld der Bundestagswahl platzieren.[4] Je suis Karl wurde im Jahr 2023 im Rahmen der SchulKinoWochen in Bayern vorgestellt.[13]

Rezeption

Einsatz im Unterricht

Das Onlineportal kinofenster.de empfiehlt Je suis Karl ab der 9. Klasse für die Unterrichtsfächer Deutsch, Politik, Sozialkunde, Geschichte und Ethik und bietet Materialien zum Film für den Unterricht. Dort heißt es, re/Generation gebe sich als paneuropäisches Netzwerk einen jugendaffinen Anstrich, indem es geschickt moderne Kommunikationsmittel und Formate der Event-Kultur und Influencer-Szene nutzt, um seine wahren Ziele zu kaschieren. Hier könnten Schülerinnen und Schüler eine Analyse der Methoden der Organisation mit einem Austausch eigener Erfahrungen in den Sozialen Medien verknüpfen. Zugleich liege es nahe, im Geschichtsunterricht Vergleiche zu den Erscheinungsbildern früherer Rechtsparteien zu ziehen. Ausgehend vom Filmtitel könnten die Schülerinnen und Schüler im Fach Politik erörtern, wie politische Aktivisten Symbole und Parolen erfinden oder für ihre Zwecke umdeuten.[14]

Der fluter – Magazin der Bundeszentrale für politische Bildung schreibt zu dem Thema, in vielen europäischen Ländern würden rechtsextreme Gruppierungen an Popularität gewinnen, auch bei jungen Menschen. Federführend sei dabei die „Identitäre Bewegung“, die sich gerne hip und modern präsentiert. Genau daran erinnere auch die „Summer Academy“ in Je suis Karl. Der Film zeige, wie schnell Trauer, Wut oder Angst Menschen dazu bringen können, sich gänzlich von ihren eigentlichen Idealen abzuwenden, und die potenzielle Gefahr, die für demokratische Gesellschaften von einer europaweit vernetzten, strategisch klugen und manipulativen rechtsextremen Bewegung ausgeht. Auch wenn das im Film an manchen Stellen etwas zu dick aufgetragen wirke, brauche es andererseits vielleicht gerade diese Überzeichnung, damit die Botschaft ankommt, was sie auch tue: „Je suis Karl ist ein Film, der einen sprachlos und mit dem unguten Gefühl zurücklässt, dass das alles nicht so weit weg ist von der Realität.“[2]

Auf der vom österreichischen Filmverleih Filmladen initiierten Website „Kino macht Schule“, die sich an Lehrerinnen und Lehrer richtet, die mit dem Medium Film im Unterricht vertiefend arbeiten wollen, werden Materialien und Bilder für Schulzwecke als Download angeboten.[15]

Im Herbst 2021 wird der Film im Rahmen der SchulKinoWochen gezeigt, unter anderem in Berlin.[16]

Auszeichnungen

Von den Produzenten wurde Je suis Karl für die Auswahl des deutschen Beitrags für die Oscarverleihung 2022 eingereicht.[17] Im Folgenden weitere Nominierungen und Auszeichnungen.

Jannis Niewöhner und Luna Wedler, hier kurz nach Ende der Dreharbeiten, spielen Karl und Maxi
Jannis Niewöhner und Luna Wedler, hier kurz nach Ende der Dreharbeiten, spielen Karl und Maxi
Jannis Niewöhner und Luna Wedler, hier kurz nach Ende der Dreharbeiten, spielen Karl und Maxi

Deutscher Filmpreis 2021

  • Nominierung als Bester Spielfilm
  • Nominierung für die Beste weibliche Hauptrolle (Luna Wedler)
  • Nominierung für die Beste männliche Hauptrolle (Jannis Niewöhner)
  • Nominierung für die Beste männliche Nebenrolle (Milan Peschel)

Festival des deutschen Films 2021

  • Nominierung für den Filmkunstpreis
  • Nominierung für den Rheingold-Publikumspreis[18]

Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2021

  • Auszeichnung mit dem Nachwuchspreis für die Beste darstellerische Leistung (Luna Wedler)
  • Auszeichnung mit dem Preis für die Beste Musik und Tongestaltung[19]

Fünf Seen Filmfestival 2021

Günter-Rohrbach-Filmpreis 2021

  • Auszeichnung mit dem Preis des Saarländischen Rundfunks (Jannis Niewöhner)
  • Aufnahme in die Finalisten[21]

Presse

Hannah Pilarczyk veröffentlichte im Spiegel eine vernichtende Kritik, die den Film als „ins Lächerliche überzeichnet“ bezeichnet und in Bezug auf die Ein-Dimensionalität des Charakters Karl die Frage aufwirft, ob man den Zuschauern wirklich so dumm kommen müsse.[22]

Commons: Je suis Karl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Freigabebescheinigung für Je suis Karl. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüf­nummer: 206283/K).Vorlage:FSK/Wartung/typ nicht gesetzt und Par. 1 länger als 4 Zeichen
  2. Mirjam Ratmann: Zwischen Ginverkostung und Bombenbasteln. In: fluter:, 16. Juni 2021.
  3. Medienboard Förderzusagen April 2019. In: medienboard.de. Abgerufen am 14. Februar 2021. (PDF; 142 KB)
  4. Emily Thomey und Johannes Nichelmann: „Je suis Karl“: Schrecken in Bildern: Wie erzählt man vom Terror? In: Deutschlandfunk Kultur, 9. September 2021. (Audio)
  5. Markus Tschiedert: Jannis Niewöhner: 'Vielleicht bewege ich mich in einer Bubble'. In: quotenmeter.de, 22. Juni 2021.
  6. Jochen Müller: Foto des Tages: Dreharbeiten für Christian Schwochows „Je suis Karl“ in NRW beendet. In: Blickpunkt:Film, 9. Dezember 2019.
  7. https://filmmusicreporter.com/2021/09/22/je-suis-karl-soundtrack-released/
  8. Tom Grater: Berlinale Unveils Competition Line-Up: New Pics From Daniel Bruhl, Celine Sciamma, Radu Jude, Xavier Beauvois & Hong Sang-soo. In: deadline.com, 11. Februar 2021.
  9. Je suis Karl. In: berlinale.de. Abgerufen am 29. September 2023.
  10. https://www.filmstiftung.de/news/nrwberlinale-je-suis-karl-2/
  11. Jochen Müller: "Hannes" eröffnet Filmfestival Kitzbühel. In: Blickpunkt:Film, 7. Juli 2021.
  12. Starttermine Deutschland. In: insidekino.com. Abgerufen am 16. September 2021.
  13. SchulKinoWoche Bayern. In: bayern.de. Abgerufen am 2. Dezember 2023. (PDF; 4,29 MB)
  14. https://www.kinofenster.de/filme/neuimkino/je-suis-karl-film/
  15. Je suis Karl. In: kinomachtschule.at. Abgerufen am 9. April 2022.
  16. SchulKinoWochen: Programmheft für Grundschulen und Oberschulen in Berlin. In: schulkinowochen-berlin.de. Abgerufen am 8. November 2021. (PDF; 5,3 MB)
  17. Barbara Schuster: Zehn deutsche Filme stehen für die Oscar-Einreichung bereit. In: Blickpunkt:Film, 2. September 2021.
  18. Programm des Festivals des deutschen Films 2021. In: filesusr.com. Abgerufen am 3. August 2021. (PDF; 10,1 MB)
  19. Pressemitteilung vom 4. September 2021. In: filmland-mv.de. Abgerufen am 6. September 2021. (PDF; 258 KB)
  20. Je suis Karl. In: fsff.de. Abgerufen am 25. Oktober 2021.
  21. Jochen Müller: Deutsche Oscarhoffnung im Rennen um Günter Rohrbach Filmpreis. In: Blickpunkt:Film, 13. Oktober 2021.
  22. Hannah Pilarczyk: Politthriller »Je suis Karl«: Keinohrnazis. In: Spiegel Online. Abgerufen am 17. September 2021.
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