Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost

Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost – EJJP Deutschland ist ein Verein mit Sitz in Berlin. Der Verein ist Mitglied und deutsche Sektion der Föderation European Jews for a Just Peace und will „über die Notwendigkeit und Möglichkeit eines gerechten Friedens zwischen Palästina und Israel informieren“.[1] Laut einem Bericht aus dem Jahr 2024 finden sich zahlreiche Belege, dass der Verein „insbesondere den israelischen Staat dämonisiert und delegitimiert“.[2]

Geschichte

Die Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost wurde am 9. November 2003 von Fanny-Michaela Reisin gegründet. Am 21. Oktober 2007 wurde die Organisation als Verein eingetragen.[3] Alle Mitglieder sind jüdischer Herkunft oder Religion.

Mitgliedschaften

Mitglieder des Vorstands sind im Jahr 2011 Iris Hefets, Wieland Hoban (Vorsitzender), Michal Kaiser-Livne, Hadas Leonov, Inna Michaeli, Udi Raz und Lili Sommerfeld.[4] Ehemalige Vorsitzende sind[5] Judith Bernstein, Ruth Fruchtman, Iris Hefets, Michal Kaiser-Livne, Fanny-Michaela Reisin und Rolf Verleger.

Positionen und Aktivitäten

In einer Stellungnahme im Jahr 2011 betonten die Mitglieder, sie hätten sich „entschieden, dem Ruf der palästinensischen Zivilgesellschaft nach ökonomischem Boykott zu folgen. (Palestinian Civil Society Call for BDS)“. Ökonomischer Druck sei die beste Methode, „diejenigen zu irritieren, die durch die Besatzung der palästinensischen Länder, durch die Diskriminierung gegen die Palästinenser und durch die Verweigerung deren Rückkehrrechte profitieren.“[6]

Die israelische Jüdin[7] und damalige (2019) Vorsitzende Iris Hefets beklagte 2009 in der taz, dass die „meisten Medien in Deutschland […] im Nahost-Konflikt die israelische Position“ verbreiten würden. Andere Stimmen würden ignoriert.[8] In einem Interview im Kölner Stadt-Anzeiger betont sie 2009, dass Israelis „in Augenhöhe“ mit den Palästinensern sprechen müssten. „Politik macht man leider auch mit Feinden, ich hätte auch lieber jemand anders als die Hamas.“[7]

Am 28. September 2010 organisierten die deutsche Gruppe Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost und die britische Gruppe Jews for Justice for Palestinians (JFJFP) die Fahrt eines Hilfsgüterschiffs zum Gazastreifen. Das Schiff wurde vom israelischen Militär in internationalen Gewässern gestoppt und in einen israelischen Hafen geschleppt.[9]

Die Gruppe forderte 2011 den Boykott von Produkten aus ganz Israel und die Rückkehr aller Palästinenser:

„Wir schließen uns dem palästinensischen Ruf an, israelische Produkte zu boykottieren und fordern Israel auf, das internationale Recht einzuhalten, die Besatzung zu beenden, die Gleichberechtigung all ihrer Bürger zu respektieren und das Recht der palästinensischen Flüchtlinge auf Rückkehr anzuerkennen.“

Jüdische Stimme, 25. November 2011

Zur Leipziger Buchmesse 2015 rief die deutsche Sektion zum „Boykott aller pro-israelischen Veranstaltungen“ der Leipziger Buchmesse auf. Israel war 2015 Gastland der Buchmesse.[10]

Aufsehen erregte 2016 die Kündigung des Bankkontos des Vereins durch die Bank für Sozialwirtschaft. Hintergrund war, dass der Verein die Boycott, Divestment and Sanctions-Kampagne, BDS, unterstützt. 2018 revidierte die Bank diese Entscheidung zunächst, nachdem die „Jüdische Stimme“ erklärte, dass sie „die BDS-Kampagne nur insoweit unterstützt, als sie gewaltfrei ist und das Existenzrecht Israels nicht in Frage stellt“. Im Juni 2019 kündigte die Bank für Sozialwirtschaft abermals das Konto, da für die Bank nach erneuten Gesprächen eine „ausreichend klare Abgrenzung zur BDS-Kampagne nicht möglich ist“ und die Kritik an der BDS-Bewegung zuletzt beispielsweise durch den Bundestagsbeschluss vom 17. Mai 2019 zur BDS-Kampagne stark zunahm.[11][12][13]

Am 27. März 2024 meldete die Jüdische Stimme auf ihrer Web-Seite, dass die Berliner Sparkasse ihr das Konto gesperrt habe.[14]

Ehrungen

Im Jahr 2019 wurde der Verein mit dem Göttinger Friedenspreis geehrt.[15] Die Verleihung war von öffentlichen Kontroversen in Bezug auf das Verhältnis der Gruppe zur Boycott, Divestment and Sanctions-Kampagne begleitet.[16] Die Universität Göttingen, die Stadt Göttingen und die Sparkasse Göttingen hatten deshalb ihre Unterstützung zurückgezogen.[17] Die Preisverleihung wurde von Protesten begleitet;[18] auch der Zentralrat der Juden in Deutschland protestierte gegen die Preisverleihung.[19]

Rezeption

Das Internationale Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung (IIBSA) mit Sitz in Berlin veröffentlichte im März 2024 den Bericht „Der Verein „Jüdische Stimme für gerechten Frieden““. Das IIBSA bemerkt darin über den Verein:

„Der Verein ‚Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost – EJJP Deutschland e. V.‘ (im Folgenden Verein ‚Jüdische Stimme‘ oder ‚Jüdische Stimme‘) versucht, sich medial als Stimme zahlreicher Juden und Jüdinnen zu inszenieren, denen vorgeblich nur an Frieden zwischen Israel und den Palästinensern gelegen sei. Doch schaut man auf ihre Demonstrationen, ihre Statements und ihre Social-Media-Auftritte, zeigt sich ein anderes Bild. Es finden sich zahlreiche Belege, dass dieser Verein insbesondere den israelischen Staat dämonisiert und delegitimiert.“

Internationales Institut für Bildung, Sozial- und Antisemitismusforschung (IIBSA)[2]

Einzelnachweise

  1. www.juedische-stimme.de, „ÜBER UNS“, abgerufen am 4. April 2024
  2. ibsa.org, „Neuerscheinung: Der Verein ‚Jüdische Stimme für gerechten Frieden‘“, 6. März 2024, abgerufen am 28. März 2024
  3. Verein als Gegengewicht zum Zentralrat gegründet. FAZ Archiv, 9. November 2007.
  4. Über uns; Webauftritt der Jüdischen Stimme, abgerufen am 28. März 2024
  5. Rede der Vereinsvorsitzenden Iris Hefets anlässlich der Verleihung des Göttinger Friedenspreises 2019, abgerufen am 11. März 2019
  6. Stellungnahme der Jüdischen Stimme für den 26. November, der Aktiontag [sic] gegen den Import israelischer Produkte; Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, 25. November 2011, abgerufen am 16. März 2019
  7. Ein Prozess freiwilliger Gleichschaltung. Kölner Stadt-Anzeiger, 9. Februar 2009
  8. Die innere Spaltung. In: taz, 30. Januar 2009.
  9. Vor Gaza-Streifen. Israel stoppt jüdisches Hilfsschiff für Palästinenser. In: Der Spiegel, 28. September 2010
  10. Aufruf zum Boykott aller pro-israelischen Veranstaltungen der Leipziger Buchmesse 2015; Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost, 6. März 2015, abgerufen am 11. März 2019
  11. Statement der Bank für Sozialwirtschaft AG zu ihrer Rolle als politisch neutrales Kreditinstitut für die Sozialwirtschaft. Abgerufen am 22. Juni 2019.
  12. Stefan Reinecke: BDS und Antisemitismus: „Jüdische Stimme“ verliert Konto. In: Die Tageszeitung: taz. 20. Juni 2019, ISSN 0931-9085 (taz.de [abgerufen am 22. Juni 2019]).
  13. Bundestag verurteilt Boykottaufrufe gegen Israel. Deutscher Bundestag, 17. Mai 2019.
  14. Web-Seite Jüdische Stimme 27. März 2024: „Berliner Sparkasse Sperrt Konto Der Jüdischen Stimme“, abgerufen am 27. März 2024
  15. «Jüdische Stimme» mit Göttinger Friedenspreis ausgezeichnet. In: welt.de. 9. März 2019, abgerufen am 16. Mai 2019.
  16. Zentralrat der Juden in Deutschland K.d.ö.R.: Zentralrat der Juden protestiert gegen Ehrung. In: juedische-allgemeine.de. 14. Februar 2019, abgerufen am 16. Mai 2019.
  17. Göttinger Friedenspreis: Uni, Stadt und Sparkasse ziehen Unterstützung für 2019 zurück, Göttinger Tageblatt 20. Februar 2019
  18. Göttinger Friedenspreis verliehen – begleitet von Protesten, Göttinger Tageblatt 10. März 2019
  19. Göttingen. Zentralrat der Juden protestiert gegen Ehrung. Stiftung hält trotz Vorwürfen gegen die „Jüdische Stimme für gerechten Frieden in Nahost“ an Vergabe fest. In: juedische-allgemeine.de 14. Februar 2019.
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