Jörg Hartung (Tiermediziner)
Jörg Hartung (* 5. November 1944 in Marienwerder)[1] ist ein deutscher Tierarzt und Professor im Ruhestand für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover.
Ausbildung und berufliche Laufbahn
An der FU Berlin absolvierte Jörg Hartung sein Studium der Tiermedizin. 1976 wechselte er an die Tierärztliche Hochschule Hannover.[2] Dort promovierte er 1977 mit einer Arbeit zur Analyse von Stallluft zum Dr. med. vet.[3] und habilitierte sich 1988;[2] die dazu eingereichte Schrift kam wieder aus dem Themenkreis Stallluft.
Ab 1991 arbeitete Hartung in der Leitung der Abteilung Umwelt des Silsoe Research Institute in England. 1993 wurde er C4-Professor für Tierhygiene, Tierschutz und Nutztierethologie an der Tierärztlichen Hochschule Hannover und Leiter des zugehörigen Instituts. Im August 2013 trat Jörg Hartung in den Ruhestand.[2]
An der Universidade de São Paulo hielt Jörg Hartung zu einem Teil des Jahres von 2014 bis 2017 Vorlesungen als Gastprofessor.[4]
Wissenschaftliche Arbeit
Im Zentrum von Hartungs Forschungsarbeit stehen die Umweltbedingungen, die in der Nutztierhaltung von Bedeutung sein können. Er untersuchte ihre Einflüsse auf die Tiergesundheit und das darüber hinausgehende Wohlbefinden der Tiere. Die Wirkungen, die von der Nutztierhaltung auf die in der Landwirtschaft tätigen Personen ausgehen, und ihre allgemeinen Wirkungen auf die Umwelt sind ein weiterer Themenkreis seiner Forschung.[4]
Besonderes Augenmerk legt Hartung auf die Luft in den Ställen, Mikrobenbelastung, die Bewegungsfreiheit der Tiere im Stall und auf dem Transport, die Bedingungen bei der Schlachtung und den Einfluss von Medikamenten.[4] Hartungs Forschung berücksichtigt dabei auch Fragen der Nutztierleistung.[5] Im Hinblick auf Probleme der artgemäßen und tierschutzgerechten Haltung heutiger Höchstleistungstiere plädiert er dafür, die Züchtung von Nutztieren weniger am Ertrag auszurichten, sondern mehr an Tiergesundheit und -wohlbefinden.[6] Auf methodischem Gebiet forscht Hartung zur Erprobung und Weiterentwicklung von Erfassungsinstrumenten für chemische[7], physikalische[8] und biologische[9] Parameter und von Instrumenten zur Tierbeobachtung.[5]
Hartung ist Mitinhaber von drei Patenten.[10]
Gremienarbeit
Jörg Hartung arbeitete in nationalen und internationalen Fachgesellschaften für das Tierwohl mit, beriet die Bundesregierung in Fragen des Tierschutzes und des Arbeitsschutzes, wirkte bei der Erstellung von Normungen mit und vertrat das Tierwohl auch in Kommissionen auf europäischer Ebene. Im Einzelnen hat er in folgenden Gremien mitgearbeitet:
- Vorsitzender der Internationalen Gesellschaft für Tierhygiene, ISAH, ab 2010,[11] seit 2022 Ehrenmitglied[12]
- Leiter der Fachgruppe „Hygiene“ der Deutschen Veterinärmedizinischen Gesellschaft, DVG
- Vorsitzender der Tierschutzkommission beim Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
- Wissenschaftliches Beiratsmitglied Ausschuss für biologische Arbeitsstoffe, ABAS, beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales[2]
- Vorsitzender der Arbeitsgruppe „Wirkungen von Luftverunreinigungen auf landwirtschaftliche Nutztiere und die von ihnen stammenden Lebensmittel“ der VDI/DIN-Kommission Reinhaltung der Luft[13]
- Gründer des Europäischen Forums der Tierschutzkommissionen der Europäischen Länder, EuroFawc[2]
- Mitglied im wissenschaftlichen Gremium für Tiergesundheit und Tierschutz, von 2006 bis 2012 stellvertretender Vorsitzender der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA)[14]
Zwölf Jahre lang war Hartung Schriftleiter der Deutschen Tierärztlichen Wochenschrift.[2]
Schriften
Researchgate verzeichnet 308 Publikationen unter Beteiligung Jörg Hartungs.[3]
Monografien
- Ergänzung und Anpassung eines Probenahmeverfahrens zur Erfassung von Fremdgasen aus Stalluft mit der Gaschromatographie. Tierärztliche Hochschule Hannover 1977 (Dissertation).
- Zur Einschätzung der biologischen Wirkung von Spurengasen der Stalluft mit Hilfe von zwei bakteriellen Kurzzeittests. VDI-Verlag, Düsseldorf 1988, ISBN 978-3-18-145615-6 (zugleich Habilitationsschrift Tierärztliche Hochschule Hannover 1987)..
- Mit Jens Seedorf: Stäube und Mikroorganismen in der Tierhaltung. Landwirtschaftsverlag, Münster 2002, ISBN 3-7843-2145-3 (=KTBL-Schrift Nummer 393, Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL), Darmstadt).
- Als Herausgeber mit Thomas Banhazi und Andres Aland: Air Quality and Livestock Farming. CRC Press, Boca Raton, Florida 2018, ISBN 978-1-138-02703-9.
Ehrungen und Auszeichnungen
- Wilma von Düring-Forschungspreis der Freunde und Förderer der Veterinärmedizin an der Freien Universität Berlin[2]
- Ehrenplakette des Vereins Deutscher Ingenieure, 2011[13]
- Ehrendoktorwürde der Schwedischen Universität für Agrarwissenschaften, SLU; In Uppsala, 2010[15]
- Ehrendoktorwürde der Wrocław University of Environmental and Life Sciences, 2019[16]
- Professor-Niklas-Medaille des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft, 2020[14]
- Bundesverdienstkreuz am Bande, 2024[17]
Literatur
Weblinks
- Literatur von und über Jörg Hartung im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Anmerkungen und Einzelnachweise
- Hartung, Jörg. In: Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender, 22. Ausgabe. K.G. Saur, München 2009, ISBN 978-3-598-23629-7, S. 1451.
- Jochen Schulz: Editorial. In: Berliner und Münchener Tierärztliche Wochenschrift, Band 126, Nummer 3/4, ISSN 0005-9366, S. 89.
- Joerg Hartung. In: Researchgate. Abgerufen am 1. Februar 2024.
- Jörg Hartung - Invited Speaker. In: ISAH 2019. Abgerufen am 1. Februar 2024 (englisch).
- Fabian Spieß, Bernd Reckels, Amr Wahab, Marwa Ahmed, Christian Sürie, Monika Auerbach, Silke Rautenschlein, Ottmar Distl, Jörg Hartung und Christian Visscher: The Influence of Different Types of Environmental Enrichment on the Performance and Welfare of Broiler Chickens and the Possibilities of Real-Time Monitoring via a Farmer-Assistant System. In: Sustainability, Band 14, Nummer 9, 2022, ISSN 2071-1050, Artikel 5727, doi:10.3390/su14095727 (englisch).
- Niedersächsischer Landtag: Stenografischer Bericht über die 85. Plenarsitzung in der 16. Wahlperiode am 7. Oktober 2010, S. 10797. Abgerufen am 1. Februar 2024 (Digitalisat, PDF)
- Jörg Hartung: Ergänzung und Anpassung eines Probenahmeverfahrens zur Erfassung von Fremdgasen aus Stalluft mit der Gaschromatographie. Tierärztliche Hochschule Hannover 1977.
- Heidi Arndt, Nina Volkmann, Birgit Spindler, Jörg Hartung und Nicole Kemper: Do Pigs Have Adequate Space in Animal Transportation Vehicles?—Planimetric Measurement of the Floor Area Covered by Finishing Pigs in Various Body Positions. In: Frontiers in Veterinary Science, Band 5, 2019, ISSN 2297-1769, Artikel 330, doi:10.3389/fvets.2018.00330 (englisch).
- Meiqing Wang, Ali Youssef, Mona Lilian Vestbjerg Larsen, Jean-Loup Rault, Daniel Berckmans, Jeremy Marchant, Jörg Hartung, André Bleich, Lu Ming-zhou, und Tomas Norton: Contactless Video-Based Heart Rate Monitoring of a Resting and an Anesthetized Pig. In: Animals, Band 11, Nummer 2, 2021, ISSN 2076-2615, Artikel 442, doi:10.3390/ani11020442 (englisch).
- Patents by Inventor Jorg Hartung. In: Justia Patents. Abgerufen am 1. Februar 2024 (englisch).
- History in brief. In: ISAH. Abgerufen am 1. Februar 2024 (englisch).
- Honorary Members. In: ISAH. Abgerufen am 1. Februar 2024 (englisch).
- Sabine Walter: Engagierte VDI-Mitglieder geehrt. In: VDI Bezirksverein Hannover (Hrsg.): Technik und Leben, Ausgabe 1, März 2012, ISSN 1433-9897, S. 9. Digitalisat, PDF
- Professor Hartung mit Professor-Niklas-Medaille geehrt. Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, 21. Oktober 2020, abgerufen am 1. Februar 2024.
- Sonja von Brethorst: Professor Dr. Jörg Hartung zum Ehrendoktor ernannt. Informationsdienst Wissenschaft, 14. Oktober 2010, abgerufen am 1. Februar 2024.
- Bert Strebe: Jörg Hartung erhält Ehrendoktorwürde in Breslau. In: Hannoversche Allgemeine Zeitung, haz,de, 27. Januar 2020, abgerufen am 1. Februar 2024.
- Pressemitteilung des Nds. Ministeriums für Wissenschaft und Kultur: Bundesverdienstkreuz für Tiermediziner Prof. Hartung: Verdienstorden würdigt Forschungsleistung und internationales Engagement, vom 28.03.2024