Insoweit erfahrene Fachkraft (Kinderschutz)

Insoweit erfahrene Fachkraft ist in Deutschland die gesetzlich gem. § 8a und § 8b SGB VIII festgelegte Bezeichnung für die beratende Person zur Einschätzung des Gefährdungsrisikos bei einer vermuteten Kindeswohlgefährdung. Inoffizielle Bezeichnungen sind Kinderschutzfachkraft, IeF, Isef, InsoFa[1] oder Isofak. Diese muss laut § 8a (4) Satz 2 „Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung“ im SGB VIII durch Träger der Jugendhilfe bei der Gefährdungseinschätzung für ein Kind immer beratend hinzugezogen werden. Die insoweit erfahrene Fachkraft zeichnet sich durch eine Zusatzausbildung aus und darf nicht mit den „(mehreren) Fachkräften“ im Satz 1 § 8a verwechselt werden. Des Weiteren ist die Bezeichnung gesetzlich fundiert im § 4 (2) KKG (Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz).

Geschichte

Am 1. Oktober 2005 wurde der § 8a ins SGB VIII eingefügt; Zuträger war das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK), ein Artikelgesetz. Der neue Paragraph soll klarstellen, dass das Jugendamt auf eine elterliche Mitwirkung bei der Risikoabschätzung über dieses Informationsbeschaffungsrecht im Konfliktfall drängen kann, so die damalige Gesetzesbegründung. Gleichzeitig wurde der § 43 (Herausnahme) gestrichen. In Folge wurde Herausnahme definiert als Inobhutnahme gem. § 42 SGB VIII nach Vor-Regelungen des § 8a gegen den Willen der Sorgeberechtigten und per Entscheidung des Familiengerichts.

Es folgte ein zusätzliches Bundeskinderschutzgesetz,[2] ein Artikelgesetz vom 1. Januar 2012, das u. a. den § 8a erweiterte und die §§ 8b sowie 79a neu einfügte. Es greift die Erfahrungen aus der Arbeit von den Runden Tischen 'Heimkinder' und 'Sexueller Missbrauch' auf und basiert auf Erkenntnissen des Aktionsprogramms „Frühe Hilfen“. Ebenfalls neu wurde das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG) verabschiedet, ein kleines, eigenständiges Gesetz, das Kinderschutznetzwerke vorsieht, Frühe Hilfen verlangt und für Personen wie Ärzte, Hebammen, Psychologen, Lehrer und alle Sozialarbeitern (namentlich in Suchtfragen und in der Schwangerschaftskonfliktberatung) den Rechtsanspruch auf Beratung durch insoweit erfahrene Fachkräfte fixiert.

Die neu aufgenommene Position § 79a soll die Qualitätsentwicklung auch für Gefährdungseinschätzungen nach § 8a gewährleisten.

Vorgehen

Die insoweit erfahrene Fachkraft hilft der zuständigen Fachkraft, z. B. einer Kindertagesstätten-Erzieherin, als nicht in den Fall involvierte Instanz das individuelle Risiko für ein Kind einzuschätzen, damit es keine Gefährdung seines Wohls erleiden muss. Sie unterstützt, berät und begleitet – ggf. auch in der Folgezeit noch – dabei, gemeinsam ein qualifiziertes Hilfs- und Schutzkonzept für das betreffende Kind zu erstellen. Dadurch sollen Fehlentscheidungen zum Nachteil von Kind und Familie verhindert werden. Die Kinderschutzfachkraft nimmt nicht unbedingt Kontakt zu den Eltern oder Erziehungsberechtigten auf, ist aber beteiligt bei der Prüfung der Problemakzeptanz bzw. der Mitwirkungsbereitschaft von Sorgeberechtigten. Wird von ihr ein Kinderschutzeingriff empfohlen, wird die zuständige Basis-Fachkraft den von vielen Bundesländern bereitgestellten Kinderschutz-Meldebogen (Vordrucke für Schulen, Vordrucke für Jugendhilfeeinrichtungen) ausfüllen und dem örtlich zuständigen Jugendamt zeitnah übermitteln. Ist z. B. an einem Wochenende oder Feiertag „Gefahr im Verzug“, wird die Polizei einbezogen und tätig; überörtliche Kinder- und Jugendnotdienste sind „rund um die Uhr“ aufnahmebereit.

Die Arbeit richtet sich nicht selten auf eine Umsetzung von in diesem Fall Maßnahmen gem. § 42 SGB VIII – Inobhutnahme, denn im Vorfeld haben diese Sorgeberechtigten offenbar ihren Rechtsanspruch auf Erzieherische Hilfen (Leistungen, Angebote) nicht mit Erfolg genutzt. Wird eine Fachkraft beim öffentlichen Träger als „insoweit erfahrene Fachkraft“ (z. B. kommunale Beratungsstelle ...) von Einrichtungen oder Diensten nach Absatz 2 hinzugezogen, wird der Schutzauftrag nach Abs. 1 nicht aktiviert, sondern besteht die Pflicht zur Vertraulichkeit in der Fachberatung.

Voraussetzungen für die Zusatzausbildung

Um in die etwa 80–160 Stunden dauernde Fortbildung zur IeF zu gelangen, muss der Bewerber qualifiziert sein und einen der folgenden Grundberufe besitzen:

  • pädagogische oder psychologische Ausbildung (Dipl.-Pädagogik, Dipl.-Sozialpädagogik, Dipl.-Sozialarbeit, Dipl.-Heilpädagogik, Dipl.-Psychologie) oder Ausbildung zur Erzieherin oder zum Lehrer mit einschlägigen Zusatzausbildungen; auch eine andere Jugendhilfefachkraft in Leitungsfunktion mit qualifiziertem Berufsabschluss käme in Frage
  • mehrjährige Praxiserfahrung und Erfahrungen mit Praxisfällen im Kinderschutz
  • Zusatzqualifikation im Bereich der Wahrnehmung, Beurteilung und des Handelns im Kinderschutz sowie
  • ausgewiesene Handlungskompetenz im Sinn eines in der Praxis anerkannten Aufgabenprofils

Literatur

  • Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V. (DKSB LV NRW e.V.), Bildungsakademie BiS, Institut für soziale Arbeit e.V. (ISA): Überlegungen zur Ausgestaltung der Rolle der Kinderschutzfachkraft, ZkJ 2009, S. 109.
  • Discher, Britta, Schimke, Hans-Jürgen: Die Rolle der insoweit erfahrenen Fachkraft nach § 8a Abs. 2 SGB VIII in einem kooperativen Kinderschutz. In: Zeitschrift für Kindschaftsrecht und Jugendhilfe 1, 2011.
  • Kunkel, Peter-Christian (Hrsg.): „Sozialgesetzbuch VIII, Kinder- und Jugendhilfe: Lehr- und Praxiskommentar“, Baden-Baden 2014
  • Matthias Moch, Manuela Junker-Moch: Kinderschutz als Prozessberatung, ZKJ 4/ 2009.
  • Der Schutzauftrag. Überlegungen des Instituts für soziale Arbeit e.V., des DKSB Landesverbandes NRW/ Bildungsakademie BiS zur Ausgestaltung der Rolle der Kinderschutzfachkraft, in: Sozialmagazin Heft 2, 2010, S. 52–57.
  • Schlegel/Voelske (Hrsg.): „Juris Praxis-Kommentar SGB VIII“ (S. 196–194), Saarbrücken 2014

Einzelnachweise

  1. Vgl. Fachliche Empfehlungen der Verwaltung des Landesjugendamtes SH für die Träger der Kinder- und Jugendhilfe zu Qualitätskriterien der Insoweit erfahrenen Fachkraft Website des Landes Schleswig-Holstein, 9. Februar 2015, abgerufen am 23. Januar 2021.
  2. das BKiSchG, gesehen am 23. April 2013
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