Insolvenzstraftaten
Unter Insolvenzstraftaten (§ 297 InsO), Insolvenzdelikten oder Bankrottstraftaten (§ 283 StGB) versteht man Straftaten, welche mit der Eröffnung oder der Durchführung eines Insolvenzverfahrens eines Unternehmens oder einer natürlichen Person in Verbindung stehen. Ist jemand nicht in der Lage, seine Verbindlichkeiten zu bezahlen, oder droht, in diese Lage zu geraten, dann liegt Zahlungsunfähigkeit vor und damit Insolvenz. Kapitalgesellschaften und juristische Personen können zusätzlich auch durch Überschuldung insolvent werden, also dadurch, dass das eingetragene Stammkapital nicht mehr vorhanden ist oder die Verbindlichkeiten das Vermögen übersteigen.[1]
Deutschland
Aufgrund der Anordnung über Mitteilungen in Zivilsachen (MiZi) wird die Staatsanwaltschaft über jedes Insolvenzverfahren in Deutschland unterrichtet (also auch über Verbraucherinsolvenzen). Jede Staatsanwaltschaft hat zu überprüfen, ob folgende Merkmale vorliegen:
- Betrug (§ 263 StGB),
- Vorenthaltung von Sozialversicherungsbeiträgen (§ 266a StGB),
- Urkundenfälschung (§ 267 StGB),
- Unterschlagung (§ 246 StGB),
- Untreue (§ 266 StGB),
- Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB),
- Insolvenzverschleppung (§ 15a InsO[2], früher auch § 64, § 84 GmbHG),
- Steuerhinterziehung (§ 370 AO) und
- Bankrott (§ 283 StGB),[3]
Bei juristischen Personen kann der Tatbestand der Insolvenzverschleppung gemäß § 15a InsO zur Anwendung kommen. Voraussetzung ist das Vorliegen einer wirtschaftlichen Krise. Diese ist gegeben bei Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit. Bereits bei drohender Überschuldung haben die persönlich haftenden Gesellschafter, Geschäftsführer und Vorstände klare Pflichten. Sobald einer der Gründe zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorliegt, hat das betroffene Unternehmen ohne schuldhaftes Zögern (unverzüglich), maximal aber nach 21 Tagen (§ 64), beim zuständigen Insolvenzgericht Insolvenz anzumelden. Wird innerhalb von 21 Tagen keine Insolvenz angemeldet und auch der Insolvenzgrund nicht beseitigt (z. B. durch Kapitalzugabe), ist von einer Straftat der Insolvenzverschleppung (§ 15a, früher § 84 in Verbindung mit § 64 GmbHG) auszugehen.
Wird der Firma in dieser Situation (innerhalb eines Insolvenzverfahrens) unter Umständen sogar Vermögen entnommen, werden riskante Spekulationsgeschäfte durchgeführt oder noch vorhandenes Vermögen verbraucht oder etwa verschleudert, entstehen daraus ebenfalls strafrechtliche Insolvenzdelikte.
Andere Länder
- In Österreich und Liechtenstein spricht man in diesem Zusammenhang vom Straftatbestand Krida[4][5] oder Bankrott.
Siehe auch
Literatur (Auswahl)
- Thomas Müller: Betrügerischer Konkurs und Pfändungsbetrug (Art. 163/164 StGB) (= Zürcher Studien zum Strafrecht. Nr. 10). Schulthess Polygraphischer Verlag, Zürich 1982, ISBN 3-7255-2230-8.
- Stergios Spyropoulos: Bankrottstraftaten nach deutschem und griechischem Recht. Zugleich ein Beitrag zur Ergänzung der bankrottstrafrechtlichen Generalklauseln und zur Reform des griechischen Bankrottstrafrechts. Lang, Frankfurt am Main / New York 2001, ISBN 3-631-38002-X.
- Reinhard Reck: Insolvenzstraftaten und deren Vermeidung. Verlag für die Rechts- und Anwaltspraxis, Herne / Berlin 1999, ISBN 3-89655-014-4.
- Konstantin Dittmann: Feststellung der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung als Voraussetzungen für Insolvenzstraftaten nach [Paragraf] 283 STGB. GRIN Verlag, München 2010, ISBN 978-3-640-49971-7, urn:nbn:de:101:1-201009136338 (Universitätsdissertation 2009).
- Raimund Weyand, Judith Diversy: Insolvenzdelikte. Unternehmenszusammenbruch und Strafrecht. 10., neu bearbeitete Auflage. Erich Schmidt Verlag, Berlin 2016, ISBN 978-3-503-16612-1 (Erstausgabe: 1990).
Weblinks
- Insolvenz und Insolvenzstraftaten. Diese 8 Straftaten betreffen Schuldner während des Insolvenzverfarens am meisten. Anwalt-KG, abgerufen am 16. November 2016.
- Welche Insolvenzstraftaten gibt es und wann ist man Bankrott? Minilex.de, abgerufen am 16. November 2016.
Einzelnachweise
- Überschuldung § 19 der Insolvenzordnung.
- § 15a Abs. 4: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer […] einen Eröffnungsantrag nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig stellt.“
- Raimund Weyand: Insolvenzdelikte. Unternehmenszusammenbruch und Strafrecht. 6., überarbeitete und erweiterte Auflage. Erich Schmidt Verlag, Bielefeld 2003, ISBN 3-503-06346-3.
- Betrügerische Krida § 156 StGB.
- Entscheidungen der liechtensteinischen Gerichte – Leitsatz 1f. gerichtsentscheidungen.li, 2008, abgerufen am 16. November 2016.
- StGB – Schweizerisches Strafgesetzbuch vom 21. Dezember 1937 – Art. 163–171. Erstes Buch: Allgemeine Bestimmungen, Erster Teil: Verbrechen und Vergehen, 2016, S. 73–77 (admin.ch [PDF] Stand 1. Oktober 2016).