Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit

Die Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit eines Menschen (englisch information overload) ist in der Informetrie ein begrifflicher Ausdruck für die intellektuelle Überlastung einer Person, die zu viele Informationen in zu kurzer Zeit übermittelt bekommt, um diese zeitnah verarbeiten zu können.

Anstelle des vorgenannten Begriffs ist auch versucht worden, den Begriff „Informationsüberflutung“ zu gebrauchen, ein Begriff, der schwammig bleibt, da letzterer den Sachverhalt nicht richtig ausdrücken kann.

Allgemeines

Neben der Informationswissenschaft wird Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit auch in den Wirtschaftswissenschaften, der Informatik, der Psychologie und den Ingenieurwissenschaften untersucht. Konsequenz von Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit ist eine Verschlechterung der Entscheidungsfähigkeit eines Entscheidungsträgers.[1] Informationsflut am Arbeitsplatz beeinträchtigt darüber hinaus die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern.[2]

In der zweiten Bedeutung kann es auch eine Technik der Manipulation bezeichnen. Die englische Bezeichnung Information overload wurde 1970 von Alvin Toffler in seinem Buch Future Shock geprägt.

Große Mengen („Flut“) an alten Daten, an neu hinzugefügten Daten, Widersprüche in vorhandenen Daten und ein niedriges Signal-Rausch-Verhältnis, also ein hohes Rauschen (im übertragenen Sinne), machen es schwierig, Informationen zu filtern (= Wichtiges von Unwichtigem und Interessantes von Uninteressantem zu trennen). Unwissen über Methoden des Vergleichens und Aufarbeitens von Informationen kann diesen Effekt verstärken. Ein wichtiger Filter ist dabei die selektive Wahrnehmung.

Die These "Too much of anything can make you sick" ("Zu viel an irgendetwas kann dich krank machen") zeigt, welche Informationen zu Reizüberflutung führen können – anything meint nicht something, sondern etwas von Desinteresse, etwas Dissonanz, keine Harmonie. Eine geringe Dosis beeinträchtigt meistens nur wenig, während too much zu einem psychischen Abwehrmechanismus (Reaktanz) führt, zum Ablösen von der Quelle.

„Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit“ und Propaganda

Emma Briant charakterisiert diese Propagandatechnik wie folgt:[3][4]

  • "Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit kann die gleiche Wirkung haben wie die Geheimhaltung und sicherlich kurzfristig und für Demokratien heute als wirksamer angesehen werden."
  • "Wenn eine Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit auftritt, ist es wahrscheinlich, dass die Entscheidungsqualität beeinträchtigt wird."
  • "Die Informationsflut, die durch die moderne Technologie erzeugt wird, [...] droht, die Empfänger passiv zu machen. Überlastung führt zur Ablösung."

Diese Technik wird auch von Rainer Mausfeld dargestellt.[5] Der Zusammenhang zwischen Informationsflut und der schnelleren Verbreitung von fake news ist umstritten.[6]

Bei der propagandistischen Verwendung handelt es sich in einem weiteren Sinne auch um die Überschwemmung des Rezipienten mit einer Flut widersprüchlicher, vager und unbelegter oder erfundener Informationen, die Orientierung unmöglich macht und damit zur Verunsicherung und zum Unglauben führt.

Umgang

Ansatzpunkte, um einer Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit entgegenzuwirken, sind:

  • die eigenen Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit Informationen zu verbessern. Dazu gehört Bildung in den Bereichen Selbstmanagement, Informationsmanagement und Medienkompetenz mit dem Ziel, unter anderem systematisch Prioritäten zu setzen und Maßnahmen anzuwenden, damit die eingegangenen Informationen nicht überhandnehmen, sodass sie nicht mehr überschaubar werden.
  • die Qualität von Informationen im Arbeitsumfeld zu verbessern. Dies kann beispielsweise durch die Einführung von Qualitätsstandards und Regeln für Information und Kommunikation sowie durch bessere Strukturierung und Visualisierung von Information geschehen.
  • die Arbeitsorganisation zu verbessern. Dazu gehört, dass wichtige Arbeiten ohne Unterbrechung bearbeitet werden können. An Informationslieferanten sollte klar kommuniziert werden, welche Informationen benötigt werden und welche nicht. Zum Filtern und Organisieren von Informationen kann Technologie (z. B. E-Mail-Filter) eingesetzt werden.

Online Communitys

Der Ausdruck „Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit“ wird gewöhnlich verwendet im Zusammenhang mit verschiedenen Formen der netzbasierten Kommunikation wie beispielsweise

Durch die je nach Person begrenzte Möglichkeit, Informationen zu verarbeiten, werden Online-Communitys in ihrer Aktivität eingeschränkt. Mit steigender Anzahl der Beiträge reagieren Community-Mitglieder mit dem Ignorieren von Informationen, dem Verringern ihrer Beiträge oder dem gänzlichen Verlassen der Community; in solchen mit hohem Wachstum an Mitgliedern wurde zugleich eine steigende Abwanderung und sinkende Beitragszahlen von bisherigen Mitgliedern beobachtet, was neben dem sogenannten sozialen Faulenzen der Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit als Gegenpart zum Netzwerkeffekt zugeschrieben wird.

Die Wirksamkeit einer Überforderung der Informationsverarbeitungsfähigkeit hängt stark von der jeweiligen Software ab. Sie wird etwa in Communitys, in denen asynchrone Kommunikation vorherrscht, für geringer angesehen als bei solchen mit synchroner Kommunikation.[7][8]

Zitate

„Die durch moderne Technologien erzeugte Informationsflut droht deren Adressaten in Passivität versinken zu lassen. Seely Brown trifft hier eine hilfreiche Unterscheidung zwischen Information und Kommunikation. Eine Überfülle an Information ist kein nebensächliches Problem. Große Mengen an Rohdaten bilden eine politische Tatsache. Die wachsenden Datenmengen führen zu einer Zentralisierung der Kontrolle. In der Kommunikation verringert sich dagegen die Informationsmenge durch die Interaktion der Menschen und ihre Interpretationen. Bearbeiten und Weglassen sind Verfahren, die eine Dezentralisierung der Kommunikation bewirken.“

„Wir ertrinken in Informationen und hungern nach Wissen.“

Siehe auch

Literatur

Einzelnachweise

  1. Peter Gordon Roetzel: Information overload in the information age: a review of the literature from business administration, business psychology, and related disciplines with a bibliometric approach and framework development. In: Business Research. Band 12, Nr. 2, Dezember 2019, ISSN 2198-3402, S. 479–522, doi:10.1007/s40685-018-0069-z.
  2. Annika Piecha, Winfried Hacker: Informationsflut am Arbeitsplatz – Umgang mit großen Informationsmengen vermittelt durch elektronische Medien. Projekt F 2373. Hrsg.: Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin. Dortmund 2020, doi:10.21934/BAUA:BERICHT20201019 (baua.de [abgerufen am 9. März 2021]).
  3. Briant, Emma. Propaganda and counter-terrorism: Strategies for global change. Oxford University Press. "Information overload can have the same effect as secrecy and certainly in the short term and for democracies today it might be considered more effective." "When information overload occurs, it is likely that a reduction in decision quality will occur." "The glut of information generated by modern technology [...] threatens to make its receivers passive. Overload prompts disengagement."
  4. Briant Emma: Propaganda and counter-terrorism: Strategies for global change. Oxford University Press, 2015, ISBN 978-1-84779-962-3 (com.ph [abgerufen am 7. April 2019]).
  5. Rainer Mausfeld: Warum schweigen die Lämmer? Wie Elitendemokratie und Neoliberalismus unsere Gesellschaft und unsere Lebensgrundlagen zerstören, Westend, Frankfurt am Main 2018, S. 32 ff., 39–42.
  6. Oft zitierte Studie über Ausbreitung von "Fake News" war selbst falsch - derStandard.de. Abgerufen am 7. April 2019 (österreichisches Deutsch).
  7. Sandra Schaffert, Diana Wieden-Bischof: Erfolgreicher Aufbau von Online-Communitys. Konzepte, Szenarien und Handlungsempfehlungen. Salzburg Research Forschungsgesellschaft, Saltzburg 2009, ISBN 978-3-902448-13-2, S. 38. als Vorschau verfügbar bei Google bücher, abgerufen am 14. April 2011
  8. Timo Beck: Web 2.0: User-Generated Contend in Online Communities. A theoretical and empirical investigation of its Determinatns. Diplomica Verlag, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8366-5492-0, S. 24–27. als Vorschau verfügbar bei Google bücher (englisch), abgerufen am 14. April 2011.
  9. Richard Sennett: Die Kultur des neuen Kapitalismus. Berlin Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-8270-0600-7, S. 136.
  10. Zitate | John Naisbitt | Interpretationen. Abgerufen am 3. Juli 2022 (deutsch).
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