Indigene Sprachen in Mexiko

Mexiko gehört zu den Ländern mit der größten Anzahl indigener Sprachen. Neben dem Spanischen, welches de facto die einzige Amtssprache ist, erkennt Mexiko seit 2003 gesetzlich 62 indigene Sprachen als „Nationalsprachen(lenguas nacionales) an. Nach Angaben der „Nationalen Kommission für die Entwicklung der indigenen Völker“ Mexikos (CDI) sind 13 % der Bevölkerung als indigen einzustufen, obwohl die Volkszählung im Jahr 2000 nur 7,1 % der Gesamtbevölkerung als Muttersprachler und weniger als 1 % einsprachige Sprecher indigener Sprachen auswies.

Indigene Sprachen in Mexiko
Sprache Anzahl Sprecher (2020)
Nahuatl (Aztekisch, Nahuatlahtolli) 1.651.958
Maya von Yucatán (Maaya t'aan) 774.755
Tzeltal (Bats'il K'op) 589.144
Tzotzil (Batsil k'op) 550.274
Mixtekisch (Tu'un savi) 526.593
Zapotekisch (Benezaa) 490.845
Otomí (Hñä hñü) 298.861
Totonakisch (Tachihuiin) 256.344
Chol (Lak t'an) 254.715
Mazatekisch (Ha shuta enima) 237.212
Huastekisch (Téenek) 168.729
Mazahua (Jñatio) 153.797
Tlapanekisch (Me'phaa) 147.432
Chinantekisch (Tsa jujmí) 144.394
Taraskisch (P'urhépecha) 142.459
Mixe (Ayüük) 139.760
Tarahumara (Rarámuri) 91.554
Zoque (O'de püt) 74.018
Tojolabal (Tojolab'al, Tojolwinik otik) 66.953
Chontal de Tabasco (Yokot t'an) 60.563
Huichol (Wixárika) 60.263
Amuzgo (Tzañcue) 59.884
Chatino (Cha'cña) 52.076
Tepehuano del sur (O'odham) 44.386
Mayo (Yoreme) 38.507
Popoluca (Tuncápxe) 36.113
Cora (Naáyarite) 33.226
Trique (Tinujéi) 29.545
Yaqui (Yoreme) 19.376
Huave (Ikoods) 18.827
Popoloca (Oto-Mangue) 17.274
Cuicatec (Nduudu yu) 12.961
Pame (Xigüe) 11.924
Mam (Qyool) 11.369
Kanjobal (Q'anjob'al) 10.851
Tepehuano del norte 9.855
Tepehua (Hamasipini) 8.884
Popoluca (unspezifiziert)[1] 8.427
Chontal de Oaxaca (Slijuala sihanuk) 5.613
Sayultekisch (Sayula Popoluca) 4.765
Chuj 3.516
Akatekisch (Acateco) 2.894
Chichimeca Jonaz (Uza) 2.364
Ocuilteco (Tlahuica) 2.238
Guarijío (Makurawe) 2.139
Chontal (unspezifiziert)[2] 1.704
Kekchí (Q'eqchi) 1.599
Ocuilteco 1.245
Pima (O'odham) 1.037
Chocho (Runixa ngiigua) 847
Lakandonisch (Hach t'an) 771
Seri (Concaac) 723
Quiché (K'iche') 589
Kumiai (Ti'pai) 495
Jakaltekisch (Abxubal) 481
Texistepequenisch (wää 'oot) 368
Tepehuano (unspezifiziert)[3] 317
Paipai (Akwa'ala) 231
Pápago (Tohono o'odam) 203
Ixcatekisch 195
Cucapá (Es péi) 176
Cakchiquel (Kaqchikel) 169
Mototzintleco oder Mocho (Qatok) 126
Ixil 117
Teko 78
Olutekisch (Oluta Popoluca) 77
Kiliwa (Ko'lew) 76
Ayapaneco (Nuumte Oote) 71
Kickapoo oder Kikapú (Kikapooa) 63
Aguacateco (Awakatek) 20
Andere indigene Sprachen1 2453
Nicht spezifizierte Sprachen 137.348
1 
einschließlich Ópata, Soltec und Papabucan
Quelle: mex. Statistikamt INEGI (2020)[4]

Die wichtigsten indigenen Sprachen Mexikos

Die am meisten gesprochenen indigenen Sprachen sind Nahuatl mit über 1,7 Millionen (gesprochen in vielen Bundesstaaten, häufig auch als erlernte Zweit- oder Drittsprache) und Mayathan (Maya auf der Halbinsel Yucatán) mit fast 900.000 Sprechern. Es gibt in Mexiko insgesamt 11 indigene Sprachfamilien und 68 Sprachgruppen.[5] 16 indigene Sprachen haben mehr als 100.000 Sprecher, mehr als in jedem anderen Land Amerikas. Von den 8 Millionen Einwohnern der Hauptstadtmetropole Mexiko-Stadt sprechen 125.000 eine indigene Sprache, davon 21 % Nahuatl (Stand: 2020).[6]

Geschichte

Vor der Eroberung Mexikos durch die Spanier wurden weit über hundert Sprachen auf dem Gebiet des heutigen Mexiko gesprochen. Einige davon hatten als Handelssprachen überregionale Bedeutung. Das Nahuatl war durch mehrere Einwanderungswellen aus dem Norden nach Zentralmexiko gelangt und wurde durch die Hochkulturen der Tolteken, der Tepaneken und schließlich der Mexica (Azteken) zur Prestigesprache Mesoamerikas. Wichtigste Kultur- und vollwertige Schriftsprachen im Kulturraum der Maya (Yucatán, Zentralamerika) waren das Mayathan und das Chol. Im Gebiet des heutigen Oaxaca waren wiederum das Mixtekische und Zapotekische als Verkehrssprachen wichtig.

Nach der Conquista wurde zunächst noch das Nahuatl als Missionssprache bevorzugt und so – in begrenztem Maße – weiterverbreitet. Gestützt wurde dies durch einen Erlass Philipps II. von Spanien von 1570, Nahuatl zur offiziellen Sprache in Neuspanien für die Kommunikation zwischen Weißen und Indigenen zu machen. Über ein Jahrhundert später, 1696, erließ Karl II. von Spanien ein Dekret, dass allein Spanisch die Amtssprache im spanischen Kolonialreich zu sein habe.

Der beschleunigte Niedergang der indigenen Sprachen begann jedoch erst nach der Unabhängigkeit Mexikos 1821, als die herrschenden Kreolen ihre Sprache, das Spanische, als Amtssprache durchsetzten. So sollen 1820 noch etwa 60 % der Bevölkerung indigene Sprachen gesprochen haben, während 1889 der Anteil nach Angaben des Geografen Antonio García Cubas bereits auf 38 % gefallen war. Die Volkszählung von 2000 ergab einen Anteil von nurmehr 7,1 % und 2020 war der Anteil auf 6,1 % gesunken.[7] Die Daten aus dieser Zählung zeigen, dass viele indigene Sprachen Mexikos gefährdet sind, da sie nur noch von wenigen Kindern gelernt werden. Dies gilt – zumindest in wesentlichen Teilen ihres Sprachgebiets – selbst für die „großen“ indigenen Sprachen wie z. B. Nahuatl, Mayathan und Otomí.

Die Verwirklichung des Rechts auf Schulbildung für alle, aber eben nur in der Amtssprache Spanisch, nach der mexikanischen Revolution und der damit auch erleichterte soziale Aufstieg dürfte dabei zur Beschleunigung der Assimilierung beigetragen haben. Bis in die jüngste Vergangenheit war das erklärte Ziel der mexikanischen Regierung (wie auch anderer lateinamerikanischer Staaten) die Hispanisierung der indigenen Bevölkerung, die auch als „Befreiung von der Rückständigkeit“ verstanden wurde. Wichtig ist jedoch anzumerken, dass bei Volkszählungen regelmäßig die Kenntnis einer Sprache mit geringem Ansehen verleugnet wird und so zu niedrige Zahlen für indigene Sprachen ermittelt werden (underreporting).

Einen Wendepunkt in der offiziellen Politik stellen die 1990er Jahre dar, in denen erstmals auch auf internationaler Ebene in Amerika die so genannte interkulturelle zweisprachige Erziehung (Educación Intercultural Bilingüe, EIB oder EBI) thematisiert wurde. Aus diesen Jahren stammt die Festlegung im zweiten Artikel der mexikanischen Verfassung, dass Mexiko eine multikulturelle Nation sei und das Recht der indigenen Völker anerkenne, „ihre Sprachen zu erhalten und zu bereichern…“ und der Staat die EIB fördere.

2003 beschloss das mexikanische Parlament das „Allgemeine Gesetz über die sprachlichen Rechte der indigenen Völker“, das Spanisch und die indigenen Sprachen Mexikos auf Grund ihres historischen Hintergrunds als „Nationalsprachen“ anerkannte und den indigenen Sprachen „dieselbe Gültigkeit in ihrem Territorium, Gebiet und Kontext“ zusprach. Auf Grund dieses Gesetzes dürfen Indigene amtliche Unterlagen in ihrer Sprache vorlegen und anfordern. Der Staat ist hiernach verpflichtet zum Erhalt und der Förderung des Gebrauchs der Nationalsprachen durch die Tätigkeit des Instituts für Indigene Sprachen.[8]

Mit über sieben Millionen Sprechern indigener Sprachen[7] hat Mexiko die zweitgrößte absolute Anzahl indigener Sprecher in Amerika nach Peru. In prozentualer Hinsicht liegt es jedoch hinter Paraguay (Guaraní über 90 %), Bolivien (ca. 60 %), Guatemala (42,8 %), Peru (35 %), Ecuador (9,4 %) und Panama (8,3 %) erst an siebter Stelle.

Vitalität der indigenen Sprachen Mexikos

Die Vitalität einer Sprache lässt sich daran messen, in welchem Maße sie von den Eltern (oder Großeltern) an die Kinder weitergegeben wird. In dieser Hinsicht gibt es starke Unterschiede zwischen den indigenen Sprachen in Mexiko. Insgesamt nimmt die absolute Zahl der Sprecher indigener Sprachen immer noch zu, doch nimmt ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung ab, da diese schneller wächst. Bei einigen Sprachen – darunter auch wichtige Sprachen wie Otomí und Mayathan – hat zwischen 2000 und 2010 auch die absolute Zahl der Sprecher abgenommen. Bei einigen anderen nimmt dagegen auf Grund sehr hoher Geburtenraten und der Weitergabe der Sprache an fast alle Kinder selbst der prozentuale Anteil an der Gesamtbevölkerung deutlich zu. Hierzu gehören die Maya-Sprachen Tzotzil und Tzeltal in Chiapas, aber auch kleinere Sprachen wie etwa die uto-aztekischen Sprachen der Huichol und Tarahumara in der Sierra Madre Occidental.

Von einem Sprecherrückgang sind insbesondere Sprachen betroffen, die in wirtschaftlich und verkehrsmäßig gut erschlossenen Gebieten gesprochen werden, so etwa in Teilen Zentralmexikos und auf der Halbinsel Yucatán, während Sprachen in abgelegenen Gebieten auch heute noch von vielen Kindern gesprochen werden. Diesem Muster folgt auch das über viele voneinander entfernte Gegenden verbreitete Nahuatl, das in Mexiko-Stadt nur noch von wenigen alten Menschen gesprochen wird, dessen Sprecherzahl in vielen Gegenden nahe der Hauptstadt zurückgeht, in abgelegeneren Gegenden wie etwa in Guerrero dagegen zu den indigenen Sprachen mit den höchsten Zuwachsraten zählt.

Indigene Sprachen in Mexiko: Sprecheranzahl und Anteil der Kinder (Volkszählung 2010)
Indigene SpracheSprecher ab 3 JahrenSprecher von 3–14 JahrenAnteil der Sprecher von 3–14 an allen SprechernAnteil der Sprecher an allen Mexikanern ab 3 JahrenAnteil der Sprecher an allen Mexikanern von 3–14 Jahren
Alle Mexikaner1047812652635792925,16 %100,00 %100,00 %
Alle indigenen Sprachen6913362154936522,41 %6,60 %5,88 %
Nahuatl158688433145620,89 %1,51 %1,26 %
Mayathan7964058999411,30 %0,76 %0,34 %
Mixtekisch48963012307925,14 %0,47 %0,47 %
Tzeltal (Tseltal)47429817184036,23 %0,45 %0,65 %
Zapotekisch4342017011816,15 %0,41 %0,27 %
Tzotzil (Tsotsil)42916814954334,84 %0,41 %0,57 %
Otomí2880523256211,30 %0,27 %0,12 %
Totonakisch2502524927719,69 %0,24 %0,19 %
Mazatekisch2301245366023,32 %0,22 %0,20 %
Chol (Ch’ol)2220516696730,16 %0,21 %0,25 %
Huastekisch1669524320425,88 %0,16 %0,16 %
Mixe1367362933321,45 %0,13 %0,11 %
Mazahua136717114078,34 %0,13 %0,04 %
Chinantekisch1353533055522,57 %0,13 %0,12 %
Taraskisch (Purépecha)1283442685520,92 %0,12 %0,10 %
Tlapanekisch1272444526635,57 %0,12 %0,17 %
Tarahumara895032648829,59 %0,09 %0,10 %
Zoque653721699025,99 %0,06 %0,06 %
Tojolabal542011636730,20 %0,05 %0,06 %
Huichol476251706935,84 %0,05 %0,06 %
Chatino473271566533,10 %0,05 %0,06 %
Amuzgo de Guerrero458891491532,50 %0,04 %0,06 %
Popoluca424731152427,13 %0,04 %0,04 %
Mayo3975918804,73 %0,04 %0,01 %
Chontal de Tabasco37091397610,72 %0,04 %0,02 %
Triqui27137834230,74 %0,03 %0,03 %
Tepehuano de Durango (Tepehuano del sur)26804993937,08 %0,03 %0,04 %
Zapoteco sureño24089779132,34 %0,02 %0,03 %
Cora21445776236,19 %0,02 %0,03 %
Popoloca18485401721,73 %0,02 %0,02 %
Huave18264457925,07 %0,02 %0,02 %
Yaqui17592340819,37 %0,02 %0,01 %
Cuicateco13037192814,79 %0,01 %0,01 %
Pame11627392733,77 %0,01 %0,01 %
Mame (Mam)10467115511,03 %0,01 %0,00 %
Kanjobal (Q’anjob’al)9625261627,18 %0,01 %0,01 %
Tepehua8968109412,20 %0,01 %0,00 %
Tepehuano de Chihuahua (Tepehuano del norte)8399299135,61 %0,01 %0,01 %
Amuzgo de Oaxaca5203141727,23 %0,00 %0,01 %

Karten

Karten der indigenen Sprachen in Mexiko (Stand: 2000)
Sprachen mit mehr als
100.000 Sprechern
Sprachen mit 20.000 bis
100.000 Sprechern
Sprachen mit weniger als
20.000 Sprechern

Quellen

  1. Zwei miteinander nicht näher verwandte Sprachen tragen den Namen Popoloca/Popoluca. Hier wurde nicht angegeben, welche Sprache gemeint war.
  2. Zwei nicht näher miteinander verwandte Sprachen tragen beide den Namen Chontal. Hier ist unklar, welche der beiden Sprachen gemeint war.
  3. Zwei verschiedene Sprachen tragen beide den Namen Tepehuano. Hier ist unklar, welche der beiden Sprachen gemeint war.
  4. Lenguas indígenas en México y hablantes (de 3 años y más) al 2020. INEGI, abgerufen im April 2021 (spanisch).
  5. Catálogo de las lenguas indígenas nacionales. Gobierno de México, abgerufen im September 2020 (spanisch).
  6. Lenguas CENSO 2020: Hablantes de Lenguas Indígenas Nacionales en la CDMX. Sekretariat für Urvölker, Ureinwohnerquartiere und indigene Gemeinschaften in der Wohnbevölkerung des Hauptstadtdistrikts (SEPI-CDMX), abgerufen im September 2020 (spanisch).
  7. Presenta INEGI primera etapa del Censo de Población y Vivienda 2020
  8. Ley general de derechos linguísticos de los pueblos indígenas, https://www.inali.gob.mx/pdf/LGDLPI.pdf
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