Identitätskrise

Eine Identitätskrise ist eine Krise, die durch ein unsicheres Selbstbild verursacht wird und dazu führt, dass die Wahrnehmung der Identität hinterfragt wird. Betroffene hinterfragen hierbei ihre eigene Identität und die Identifikation mit dieser, welche sich meist auf die eigenen Handlungen, Charaktereigenschaften, Meinungen und das gewählte soziale Umfeld bezieht. Einer Identitätskrise kann ein (befürchteter) Identitätsverlust zu Grunde liegen, welcher zum Beispiel durch ein traumatisches Ereignis, eine seelische Erschütterung oder (psychische) Krankheiten ausgelöst wird. Eine Identitätskrise kann zum Beispiel durch persönliche, berufliche, religiöse, politische bzw. weltanschauliche Veränderungen oder Umorientierung auftreten.[1] Neben Einzelpersonen wird der Begriff auch für einzelne Organisationen oder Gruppen verwendet (zum Beispiel religiöse oder politische Gruppierungen oder Länder).

Erklärungsansätze

Ursachen sind zum Beispiel Selbstzweifel, allgemeine Unzufriedenheit, das Nicht-Finden eines möglichen Sinnes, Ängste vor der Zukunft, traumatische Erschütterungen und nostalgische Sehnsucht.[2] Auch tiefgreifende Umbrüche im Leben, der Beginn eines neuen Lebensabschnitts, einer veränderten Lebenssituation, Verlusterfahrungen, schwere Krankheiten, berufliche oder private Krisen und der Glaube, eine Entwicklungsaufgabe nicht meistern zu können, können zu einer Identitätskrise führen[3] (siehe auch Stufenmodell der psychosozialen Entwicklung).[4][5] Können die eigenen Erwartungen und die Erwartungen der Umwelt nicht in Einklang gebracht werden und somit seiner Rolle nicht nachgegangen werden, kann es ebenfalls zu einer Identitätskrise kommen. Ein weiterer Grund können kulturelle, religiöse, weltanschauliche, politische, soziale, berufliche, sprachliche oder familiäre Differenzen sein. So können beispielsweise Migranten oder Patchwork Familien in eine Identitätskrise geraten, wenn sie sich nicht zwischen mehreren Kulturen einig werden können.[6] Auch (lange) Isolation von einem Teil der Gesellschaft bzw. einer Kultur oder eine Trennung dieser kann zu einer Identitätskrise führen. Ein Beispiel sind ostdeutsche Jugendliche, die nach der Wiedervereinigung mit der westdeutschen Kultur in Verbindung gerieten.[7] Auch das Fühlen im falschen Geschlecht (Geschlechtsidentitätsstörung) oder die fehlende Identifikation mit Gleichaltrigen kann eine Identitätskrise zur Folge haben.[8]

Folgen

Eine Identitätskrise kann zu Erscheinungen von Müdigkeit, Lustlosigkeit, Kreislaufstörungen und Magenschmerzen, Schlafstörungen, Stress, Depressionen und Stimmungsschwankungen führen.[2]

Identitätskrise in der Literatur

Auch in der Literatur ist die Identitätskrise ein häufiges Thema.[9] So stellt Franz Kafka in seinem Buch Die Verwandlung den Identitätsverlust von Gregor Samsa durch die Verwandlung in einen Käfer dar.[10][11][12][13] Auch in Johann Wolfgang von Goethes Verarbeitung des Fauststoffes befindet sich Faust in einer Identitätskrise, da er nicht alles wissen kann und an seinem eigenen Leben zweifelt.

Literatur

  • Bernhard Mann (1987): Altenheimeintritt und soziale Strategien. Ein sozialgerontologischer Beitrag zur Interventionsgerontologie auf explorativer, heuristischer und synoptischer Grundlage. In: Bernhard Claußen, Karlheinz Filipp, Klaus Wasmund (Hrsg.): Materialien zur sozialwissenschaftlichen Forschung (MaSoFo) – Bd. 3. Frankfurt am Main.
  • Hans Wysling, Andrea Fischbacher-Bosshardt (1991): Identität und Identitätskrise, University of Michigan
Wiktionary: Identitätskrise – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Identitätskrise - Lexikon der Psychologie. (spektrum.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  2. Claus Buddeberg: Sexualberatung: eine Einführung für Ärzte, Psychotherapeuten und Familienberater ; 14 Tabellen. Georg Thieme Verlag, 2005, ISBN 978-3-13-136574-3 (Google Books [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  3. Françoise D. Alsaker: Identitätskrise. DORSCH Lexikon der Psychologie (Archiv).
  4. Uwe Henrik Peters: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, medizinische Psychologie: mit einem englisch-deutschen Wörterbuch im Anhang. Elsevier,Urban&FischerVerlag, 2007, ISBN 978-3-437-15061-6 (Google Books [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  5. Meinolf Peters: Klinische Entwicklungspsychologie des Alters: Grundlagen für psychosoziale Beratung und Psychotherapie. Vandenhoeck & Ruprecht, 2004, ISBN 978-3-525-46219-5 (Google Books [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  6. Claudia Baumgartner: Identität und deren Krise im Migrationsprozess: die Identitätskrise am Beispiel von Migrantinnen und die daraus ergebenden Konsequenzen für die Beratung in de Sozialen Arbeit. Hochschule Luzern - Soziale Arbeit, 2012 (google.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  7. Michael Grosse: Identitätskrise ostdeutscher Jugendlicher?: politische und gesellschaftliche Einstellungen von ost- und westdeutschen Jugendlichen im Vereinigungsprozess. Universität der Bundeswehr Hamburg, 1994 (google.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  8. Christel Köhle-Hezinger, Martin Scharfe, Rolf Wilhelm Brednich: Männlich. Weiblich. Zur Bedeutung der Kategorie Geschlecht in der Kultur. Waxmann Verlag, ISBN 978-3-8309-5799-7 (google.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  9. Ulrike R. LaPorte: Studien zur identitätskrise im zeitgenössischen Roman: Das Thema von Leben und Literatur im Zeitalter technischer Reproduzierbarkeit in Max Frischs Roman Stiller. 1980 (google.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  10. Monika Wolting: Identitätskonstruktionen in der deutschen Gegenwartsliteratur. Vandenhoeck & Ruprecht, 2017, ISBN 978-3-8470-0741-8 (google.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  11. Kafka-Rezeption in der Literatur der DDR. (google.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  12. Andreas Dawidowicz: Die metaphorische Krankheit als Gesellschaftskritik in den Werken von Franz Kafka, Friedrich Dürrenmatt und Thomas Bernhard. LIT Verlag Münster, 2013, ISBN 978-3-643-12179-0 (google.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
  13. Vanessa Werner: Die Identitätskrise Franz Kafkas. Ausgewählte Aphorismen. GRIN Verlag, 2014, ISBN 978-3-656-70500-0 (google.de [abgerufen am 30. Oktober 2017]).
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.