Hysteria (Def-Leppard-Album)

Hysteria (engl. für: „Hysterie“) ist das vierte Studioalbum der britischen Hard-Rock-Band Def Leppard. Es ist mit über 20 Millionen verkauften Exemplaren zum einen das weltweit erfolgreichste Album der Band und zum anderen unter den weltweit meistverkauften Musikalben. Es wurden insgesamt sieben Singles ausgekoppelt, die erfolgreichsten waren Pour Some Sugar on Me und Love Bites. Das Album war seinerzeit eines der längsten Einzelalben, die bis dato veröffentlicht wurden. Es definierte wie kein anderes Werk die Klangästhetik des Hardrock der 1980er Jahre.[1]

Einordnung in den musikalischen Hintergrund

Mit dem vorangegangenen Studioalbum Pyromania war der Band 1983 der kommerzielle Durchbruch gelungen. Im Februar 1984 beendete die Gruppe ihre Welttournee, und vor allem in den USA war sie zu diesem Zeitpunkt die gefragteste Hard-Rock-Band: Pro Woche wurden etliche tausend Exemplare von Pyromania verkauft.[2] Das Album hatte Platz 2 der US-amerikanischen Albumcharts erreicht und war nur durch Michael Jacksons Thriller übertrumpft worden. Aus steuerlichen Gründen beschlossen die Musiker, nach Irland umzusiedeln.[3]

“Mutt” Lange, seit ihrem Album High n’ Dry (1981) Produzent der Band, war der Ansicht, dass nun „wahrscheinlich so gut wie jede Band versuchen werde, Pyromania zu kopieren.“ Daher dürfe sich Def Leppard nicht wiederholen und einfach nur den zweiten Teil des Albums herausbringen, sondern müsse stattdessen „ein in der Popmusik maßstabsetzendes Edel-Werk“ liefern.[2]

Aufnahme und Produktion

Die Band begann im Frühjahr 1984 in den Wisseloord Studios im niederländischen Hilversum unter Anleitung Langes mit der Vorproduktion für das Album und arbeitete erste Stücke aus, als dieser plötzlich aussteigen musste: Er war ausgebrannt, nachdem er Jahr für Jahr mit der Produktion der Alben von The Cars (Heartbeat City), Foreigner (4) und AC/DC (Highway to Hell, Back in Black, For Those About to Rock (We Salute You)) Höchstleistungen in seinem Fach erbracht hatte. Da er „nicht an der Entstehung des Albums mitwirken wollte, wenn er nicht vollständig fit“ sei, zog er sich von den Aufnahmen zurück.[2]

Die Plattenfirma der Band, Mercury Records, drängte zur Fortführung der Arbeiten, und die Band stimmte der Zusammenarbeit mit einem anderen Produzenten zu. Dazu wurden verschiedene Kandidaten kontaktiert, unter anderem Ted Templeman, Mike Stone, Trevor Horn, Steve Lillywhite und Phil Collins.[2] Als eine Zusammenarbeit mit diesen Produzenten nicht zustande kam, schlug das Management der Band Jim Steinman vor. Sechs Wochen lang arbeitete die Band mit ihm, bevor sie sich von ihm trennte, weil „von Beginn an rein gar nichts gepasst“ hatte, wie Sänger Joe Elliott sagte.[2]

„Irgendwann werden wir einen Song, den wir mit ihm (Steinman) aufgenommen haben, in ein Box-Set packen, damit alle was zu lachen haben. Echt, die Aufnahmen sind derart mies...“

Joe Elliott: 400 Bier vor vier. In: Rocks – Das Magazin für Classic Rock, Heft 04/2008, S. 40

Die Band beschloss, das Album selber zu produzieren. Sie erhielt dabei Unterstützung durch den Toningenieur Nigel Green, der ihnen von Lange empfohlen worden war. Die Arbeiten wurden ab November 1984 gemeinsam mit Green fortgesetzt. Die Stücke des Albums schrieb die Band gemeinsam. Die Aufnahmen wurden erneut unterbrochen, nachdem Schlagzeuger Rick Allen am 31. Dezember 1984 einen Autounfall hatte: Er hatte eine Kurve übersehen und die Kontrolle über seinen Wagen verloren, der gegen eine Mauer prallte, abhob und in einem dahinterliegende Feld landete. Allen war durch das geöffnete Targa-Dach seiner Chevrolet Corvette geschleudert worden, wobei sein linker Arm abriss. In einer zehnstündigen Operation versuchten die Ärzte des Royal Hallamshire Hospital in Sheffield, den Arm wieder anzunähen, mussten ihn jedoch kurz darauf wieder amputieren, als eine Infektion eingetreten war.[2] Mit Hilfe der NASA wurde eigens für Allen ein teilweise elektronisches Schlagzeug entwickelt, bei dem er die wichtigsten Funktionen mit den Füßen bedienen konnte.[3] Er bedient es über vier Fußpedale, die es ihm ermöglichen, die Klänge abzurufen, die er zuvor mit seinem linken Arm gespielt hatte.[2]

Im Frühjahr 1985 hatte die Gruppe einige Demos fertiggestellt, unter anderem für die Songs Animal, Gods of War, Run Riot und Women. Im Juli 1985 kehrte Lange wieder zurück und fällte ein vernichtendes Urteil über das bisher aufgenommene Material. Er forderte neue Lieder und bestand darauf, dass viele der bereits vorhandenen Titel umgeschrieben und massiv optimiert werden müssten.[2] In der Folgezeit entstanden zahlreiche ausgefeilte und facettenreiche Kompositionen.

Die Gitarristen Steve Clark und Phil Collen verwendeten für die Aufnahmen allerdings nicht die sonst üblichen Gitarrenverstärker, sondern nutzten den von Tom Scholz (Boston) entwickelten Rockman. Phil Collen erklärte dazu:

„Große Verstärker sind cool, solange du nicht Unmengen von Overdubs zu erledigen hast. Aber bei uns gibt es so viele übereinandergestapelte Gitarrenschichten, dass es mit einem fetten Marshall-Sound wohl nur einen einzigen Soundbrei gegeben hätte. Außerdem haben Steve und ich nur selten kräftige Powerakkorde gespielt, sondern sehr filigrane Sachen. Die wären anders nicht zur Geltung gekommen.“

Phil Collen: Unternehmen Weltherrschaft. In: Rocks – Das Magazin für Classic Rock, Heft 06/2016, S. 27

In diesem und weiteren Beispielen zeigt sich Langes Perfektionismus. Um für die Bridge des Titels Hysteria auf Keyboards verzichten zu können, mussten Clark und Collen ihre jeweiligen Akkorde in einzelne Noten zerlegen. Jede einzelne Saite wurde anschließend separat aufgenommen. Lange vermied so die typischen leichten Arpeggio-Effekte, die beim Spielen von Akkorden auf der Gitarre entstehen. Für Gods of War wiederum kopierte Lange so viele Harmoniegesänge, dass am Ende über 100 Chor-Spuren entstanden.[2]

Im Sommer 1986 unterbrach die Band die Arbeiten am Album, um bei einigen Club-Shows in Irland und anschließend bei den Monsters-of-Rock-Festivals in Castle Donington, Stockholm, Nürnberg und Mannheim aufzutreten. Rick Allen sollte bei den Auftritten in Irland von Jeff Rich (Status Quo) unterstützt werden; zum vierten Auftritt Def Leppards in Ballybunion kam Rich jedoch zu spät, und Allen meisterte die komplette Show alleine.[2]

Nach den Festivalauftritten arbeitete die Band weiter an den Aufnahmen. Joe Elliott probierte dabei etwas auf einer akustischen Gitarre aus, Phil Collen entwickelt dazu ein Riff, das an White Lines von Grandmaster Flash angelehnt war, und in knapp zehn Tagen entstand Pour Some Sugar on Me.[2] Im November 1986 erkrankte Sänger Joe Elliott an Mumps, Produzent Lange wurde in einen Verkehrsunfall verwickelt und zog sich dabei schwere Verbrennungen an den Beinen zu, arbeitete aber selbst im Krankenhaus noch an Ideen für das Album. Es gelang der Band schließlich, die Aufnahmen im Januar 1987 fertigzustellen.[2]

Lange arbeitete anschließend noch drei Monate am Mix des Albums, das am 3. August 1987 als LP, CD und MC veröffentlicht wurde, fast vier Jahre nach dem Vorgängeralbum.[2]

Coverdesign

Das Cover des Albums wurde vom britischen Künstler Andie Airfix geschaffen, der auch die Hüllen der veröffentlichten Singles gestaltete. Er erhielt den Auftrag der Band ohne konkrete Informationen darüber, was von ihm erwartet würde. Zu diesem Zeitpunkt plante die Gruppe noch, das Album Animal Instinct zu nennen. Airfix’ Idee war es, etwas abzubilden, das sich zum Betrachter umdreht oder sich ihm zuwendet und ansieht, und der erste Entwurf zeigte einen Adler, einen Hai und einen Löwen, die ineinander übergingen.[4]

Cover des Albums
1987

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(Bitte Urheberrechte beachten)

Als der Albumtitel zu Hysteria geändert wurde, musste Airfix seine Idee wieder verwerfen und von vorn beginnen. Der neue Entwurf zeigte innerhalb eines Dreiecks ein verzerrtes Gesicht, das mit dem komplexen Hintergrund zu verschmelzen schien. Das Dreieck war nach Airfix Ansicht ein wiedererkennbares Element für Def Leppard Fans, weil es auch Teil des Bandlogos war.[4] Von diesem Punkt aus wollte der Künstler dann etwas Beängstigendes schaffen.[4] Dies gelang ihm, indem er das Gesicht mit weit aufgerissenem Mund einmal von vorn zeigte, aber auch seine Seitenansicht einarbeitete, sodass man einen Kopf mit zwei schreienden Gesichtern betrachtete.

Die Band, deren Popularität gesunken war, begann eine Tournee mit insgesamt 227 Shows, um das Album zu promoten.[5] Es erhielt dauerhaft Airplay beim Musiksender MTV. Joe Elliott bezeichnete das Album als das am meisten überproduzierte Album der Band und äußerte sich überrascht vom Erfolg von Hysteria.[6]

Titelliste

Hysteria
Nr.TitelAutor(en)AnmerkungenLänge
1.WomenSteve Clark, Phil Collen, Joe Elliott, Robert John Lange, Rick Savage 5:41
2.RocketClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 6:34
3.AnimalClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 4:02
4.Love BitesClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 5:46
5.Pour Some Sugar on MeClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 4:45
6.Armageddon ItClark, Collen, Elliott, Lange, SavageBacking Vocal: Debbi Blackwell-Cook5:21
7.Gods of WarClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 6:33
8.Don’t Shoot ShotgunClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 4:19
9.Run RiotClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 4:39
10.HysteriaClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 5:49
11.ExcitableClark, Collen, Elliott, Lange, Savage 4:10
12.Love and AffectionClark, Collen, Elliott, Lange, SavageBouzouki: Ronan McHugh4:35
Gesamtlänge:61:52

Rezeption

Das Musikmagazin Rolling Stone führt das Album auf Platz 464 seiner Liste der 500 besten Alben aller Zeiten,[7] weltweit verkaufte das Album sich bislang über 20 Millionen Mal.[8][9] Das Album erreichte Platz 1 der Albumcharts in den USA, Großbritannien, Norwegen, Australien und Neuseeland.

Hysteria erhielt überwiegend sehr gute Kritiken. In einem zeitgenössischen Review des Rock Hard wird dem Album ein „erstklassiges Niveau“ bescheinigt, wenngleich die Band „gegenüber dem Vorgänger etwas softer“ geworden sei, sei es ein „großer Wurf“.[10] Das Rolling Stone bezeichnete es als den „schmackhaftesten Pop-Metal-Bonbon der 1980er“.[11] Für Steve Huey von Allmusic setzte die Band ihrem eingängigen Pop-Metal mit dem Album die Krone auf. Er hält es für das beste Album dieses Genres, das je aufgenommen wurde.

Album

Jahr Titel Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[12]
(Jahr, Titel, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 DE  AT  CH  UK  US
1987 Hysteria DE10
(19 Wo.)DE
AT71
(1 Wo.)AT
CH2
(17 Wo.)CH
UK1
(108 Wo.)UK
US1
(134 Wo.)US

Singles

Jahr Titel
Album
Höchstplatzierung, Gesamtwochen, AuszeichnungChartplatzierungenChartplatzierungen[13]
(Jahr, Titel, Album, Plat­zie­rungen, Wo­chen, Aus­zeich­nungen, Anmer­kungen)
Anmerkungen
 DE  AT  CH  UK  US
1987 Women US80
(5 Wo.)US
Erstveröffentlichung: 11. August 1987
Animal CH17
(7 Wo.)CH
UK6
(9 Wo.)UK
US19
(19 Wo.)US
Erstveröffentlichung: 17. Juli 1987
Pour Some Sugar on Me DE50
(7 Wo.)DE
UK18
(6 Wo.)UK
US2
(24 Wo.)US
Erstveröffentlichung: 5. September 1987
Hysteria UK26
(7 Wo.)UK
US10
(16 Wo.)US
Erstveröffentlichung: 14. November 1987
1988 Armageddon It UK20
(5 Wo.)UK
US3
(18 Wo.)US
Erstveröffentlichung: 26. März 1988
Love Bites UK11
(8 Wo.)UK
US1
(23 Wo.)US
Erstveröffentlichung: 2. Juli 1988
1989 Rocket UK15
(7 Wo.)UK
US12
(13 Wo.)US
Erstveröffentlichung: 28. Januar 1989

Auszeichnungen für Musikverkäufe

Land/Region Aus­zeich­nung­en für Mu­sik­ver­käu­fe
(Land/Region, Auszeichnung, Verkäufe)
Ver­käu­fe
 Australien (ARIA)   Platin 280.000
 Kanada (MC)  Diamant 1.000.000
 Mexiko (AMPROFON)  Gold 100.000
 Neuseeland (RMNZ)   Platin 160.000
 Norwegen (IFPI)  Gold 50.000
 Schweden (IFPI)  Gold 50.000
 Schweiz (IFPI)  Platin 50.000
 Vereinigte Staaten (RIAA)  12× Platin 12.000.000
 Vereinigtes Königreich (BPI)   Platin 600.000
Insgesamt 3× Gold
17× Platin
2× Diamant
14.290.000

Hauptartikel: Def Leppard/Auszeichnungen für Musikverkäufe

Einzelnachweise

  1. Rocks – Das Magazin für Classic Rock, Heft 06/2016, S. 28.
  2. Alexander Kolbe: Unternehmen Weltherrschaft. In: Rocks – Das Magazin für Classic Rock, Heft 06/2016, S. 24–33.
  3. Holger Stratmann (Hrsg.): Rock Hard Enzyklopädie. 700 der interessantesten Rockbands aus den letzten 30 Jahren. Rock Hard GmbH, Dortmund 1998, ISBN 978-3-9805171-0-2, S. 87 f.
  4. The story behind Def Leppard's Hysteria album artwork (englisch), louder.com, abgerufen am 9. Oktober 2019.
  5. Bob Batchelor, Scott Stoddart: The 1980s. Greenwood Publishing Group, 2007, ISBN 978-0-313-33000-1, S. 121.
  6. Phil Anderson: Interview with Joe Elliott. KAOS2000 Magazine, abgerufen am 10. Februar 2010 (englisch).
  7. 500 Greatest Albums of all Time: Def Leppard, 'Hysteria'. Rolling Stone Magazine, abgerufen am 2. April 2014 (englisch).
  8. Götz Kühnemund: Def Leppard: Hysteria. In: Rock Hard (Hrsg.): Best of Rock & Metal. Die 500 stärksten Scheiben aller Zeiten. Heel Verlag, Königswinter 2007, ISBN 978-3-89880-517-9, S. 23 f.
  9. Def Leppard setting off 'Hysteria' with Las Vegas run. Abgerufen am 8. Juli 2021 (amerikanisches Englisch).
  10. Holger Stratmann: Review zu Hysteria. In: Rock Hard. Nr. 23, Oktober 1987.
  11. Gavin Edwards: Hysteria : Def Leppard : Review. Rolling Stone Magazine, 1. November 1996, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 13. Februar 2010; abgerufen am 10. Februar 2010 (englisch).  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rollingstone.com
  12. Chartquellen Album:
  13. Chartquellen Singles:
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