Hypoallergene Babynahrung

Hypoallergene Babynahrung (HA-Nahrung) ist eine spezielle Säuglingsnahrung, die einem Baby mit potentiell erhöhtem Allergierisiko gefüttert wird. Sie kann als Säuglingsanfangsnahrung, wenn nicht, wie empfohlen, mindestens vier Monate ausschließlich mit Muttermilch gestillt wird,[1][2] und auch als Folgenahrung ab dem zweiten Lebenshalbjahr gegeben werden.

Besonderheiten der HA-Nahrung

Das Immunsystem erkennt ein Eiweiß an seiner Struktur und kann bei Fremdeiweiß eine allergische Reaktion auslösen. Bei den HA-Nahrungen ist deshalb das Kuhmilcheiweiß durch Hydrolyse in kleine Peptide gespalten, die vom Immunsystem des Säuglings nicht mehr als fremd erkannt werden. Das Hydrolysat wird zusätzlich gefiltert, um die Freiheit von größeren Bruchstücken sicherzustellen. Bei einer bereits bestehenden Kuhmilcheiweißallergie wird von der Fütterung von HA-Nahrung abgeraten. Besser geeignet seien Spezialnahrungen, die besonders stark gespaltene Hydrolysate oder eine Aminosäurenmischung enthalten.[3]

Qualität des Hydrolysats

Die Größenverteilung der Peptide im Hydrolysat wird durch einen Westernblot-Test untersucht. Besonders die Anteile der größeren Peptide (größer als 20 k) sollten möglichst gering sein, um eine allergische Reaktion zu vermeiden. Alle in Deutschland verwendeten HA-Nahrungen müssen – den gesetzlichen Vorgaben entsprechend – ihre Eignung in entsprechenden Studien unter Beweis gestellt haben.[4]

Die Präsenz möglicher Allergene in der Nahrung kann durch Testverfahren wie ELISA oder Immunoblot überprüft werden.

Bedeutung der Darmflora

Die allergiepräventive Wirkung der Muttermilch beruht nach neusten Studien nicht nur auf der arteigenen Proteinstruktur, sondern zusätzlich unter anderem auf dem Gehalt von präbiotischen Muttermilch-Oligosacchariden. Der Gehalt an Muttermilch-Oligosacchariden liegt mit etwa 1 g /100 ml fast so hoch wie der Proteingehalt in der Muttermilch.[5] Die Muttermilcholigosaccharide sorgen für eine gesunde bifidusdominante Darmflora, diese scheint einen protektiven Effekt auf das Auftreten von Allergien und Infektionen zu haben.[6]

So enthält etwa die Darmflora von atopischen Kindern eine höhere Anzahl an potenziell pathogenen Keimen wie Clostridien und eine geringere Anzahl gesundheitsfördernder Bakterien wie Bifidusbakterien als bei nicht atopischen Kindern.[7][8][9]

Um die Darmflora positiv zu beeinflussen, enthalten aktuell einige Säuglingsnahrungen Pro- oder Präbiotika. Die Studienlage hinsichtlich des Nutzens der probiotischen Bakterien zur Allergieprävention liefert allerdings ein uneinheitliches Bild und zeigt eher Effekte in der Therapie der atopischen Dermatitis.[10][11][12][13][14][15] Die Eigenschaften der Probiotika sind außerdem immer stammspezifisch zu betrachten und nicht übertragbar. Die allergiepräventive Wirkung bestimmter Präbiotika hingegen konnte in Studien[16][17][18] gezeigt werden.

Studien zeigen, dass Säuglinge eine bifidusdominante Darmflora wie bei gestillten Kindern[19][20][16] und Nichtatopikern[21] entwickeln, wenn sie eine Säuglingsnahrung mit einer bestimmten präbiotischen Mischung aus Galaktooligosacchariden (GOS) und Fructooligosacchariden (FOS) erhalten. In neusten Studien zeigen sie zudem einen sehr guten Effekt hinsichtlich der Allergieprävention und der Reduzierung von Infektionen. Insbesondere das Auftreten von atopischer Dermatitis konnte in den Studien durch die Verwendung einer Säuglingsnahrung mit Präbiotika signifikant reduziert werden.

In einer dieser Untersuchungen erhielten 206 allergiegefährdete Säuglinge bis zum Alter von sechs Monaten entweder eine HA-Nahrung mit Präbiotika oder die gleiche Nahrung mit einem Placebo. Im Alter von sechs Monaten war das Auftreten von atopischer Dermatits in der Präbiotikagruppe um 50 Prozent im Vergleich zur Kontrollgruppe gesunken.[22] Auch im Alter von zwei Jahren trat die atopische Dermatitis in der Präbiotikagruppe nur halb so häufig auf.[17]

Bei einer weiteren Studie mit 1187 Kindern ohne Allergieveranlagung, die mit einer neuen Präbiotikamischung durchgeführt wurde, litten nach einem Jahr 5,6 Prozent der Kinder in der Präbiotikagruppe an atopischer Dermatitis. Dieser Wert lag im Bereich der Vergleichsgruppe von gestillten Säuglingen. In der Gruppe ohne die Präbiotika in der Säuglingsnahrung waren es mit 9,4 Prozent deutlich mehr.[18]

Zweifelhafter Nutzen

Australische Forscher bezweifeln den Nutzen von HA-Babynahrung. In einer Studie mit 620 Säuglingen mit hohem Allergierisiko, verglichen sie den Effekt von Babynahrung aus Kuhmilch und hypoallergener Nahrung. Die Ergebnisse veröffentlichten sie im Journal of Allergy and Clinical Immunology.[23] [24] [25]

Einzelnachweise

  1. aid Infodienst (2006): Allergie(-risiko) Was darf mein Baby essen? (Memento des Originals vom 23. März 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aid.de
  2. S3-Leitlinie: Allergieprävention. AWMF-Registernummer 061/016, Stand 31. Juli 2014.
  3. S. Koletzko, B. Niggemann, B. Koletzko: Vorgehen bei Säuglingen mit Verdacht auf Kuhmilchproteinallergie. In: Kinderheilkunde. 157, 2009, S. 687–691.
  4. Richtlinie 2006/141/EG der Kommission vom 22. Dezember 2006 über Säuglingsanfangsnahrung und Folgenahrung und zur Änderung der Richtlinie 1999/21/EG
  5. D. S. Newburg, S. H. Neubauer: Carbohydrates in milks: analysis, quantities and significance. In: R. G. Jensen: Handbook of milkcomposition. Academic Press, New York 1995.
  6. C. Kunz, S. Rudloff, W. Baier, N. Klein, S. Strobel: Oligosaccharides in human milk: structural, functional, and metabolic aspects. In: Ann Rev Nutr. 20, 2000, S. 699–722.
  7. B. Björksten, E. Sepp, K. Julge: Allergy development and the intestinal microflora during the first year of life. In: J Allergy Clin Immunol. 108, 2001, S. 516–520.
  8. M. Kalliomäki, P. Kirjavainen, E. Eerola: Distinct patterns of neonatal gut mircoflora in infants in whom atopy was and was not developing. In: J Allergy Clin Immunol. 108, 2001, S. 516–520.
  9. P. V. Kirjavainen, T. Arvola, S. J. Salminen: Aberrant composition of gut microbiota of allergic infants: a target of bifidobacterial therapy at weaning? In: Gut. 51, 2002, S. 51–55.
  10. M. Kalliomäki, S. Salminen, H. Arvitommi: Probiotics in primary prevention of atopic disease: a randomised placebo-controlled trial. In: The Lancet. 357, 2001, S. 1076–1079.
  11. M. Kalliomäki, S. Salminen, T. Poussa: Probiotics and prevention of atopic disease: 4 year follow-up of a randomised placebo-controlled trial. In: The Lancet. 31, 2003, S. 1869–1871.
  12. A. Taylor, J. A. Dunstan, S. L. Prescott: Probiotic supplementation for the first 6 month of life fails to reduce the risk of atopic dermatitis and increase the risk of allergen sensitization in high-risk children: A randomized controlled trial. In: J Allergy Clin Immunol. 119, 2007, S. 184–191.
  13. E. Isolauri, T. Arvola, Y. Sutas: Probiotics in the management of atopic eczema. In: Clin Exp Allergy. 30, 2000, S. 1604–1610.
  14. H. Majamaa, E. Isolauri: Probiotics: A novel approach in the management of food allergy. In: J Allergy Clin Immunol. 99, 1999, S. 179–186.
  15. V. Rosenfeldt, E. Benfledt, S. Dam Nielsen: Effect of probiotic Lactobacillus strains in children with atopic dermatitis. In: J Allergy Clin Immunol. 111, 2003, S. 389–395.
  16. G. Moro, S. Arslanoglu, B. Stahl: A mixture of prebiotic oligosaccharides reduces the incidence of atopic dermatitis during the first six month of life. In: Arch Dis Child. 91, 2006, S. 814–819.
  17. S. Arslanoglu, G. Moro, Schmitt J: Early dietary intervention with a mixture of prebiotic oligosaccharides reduce the incidence of allergy associated symptoms and infections during the first 2 years of life. In: JPGN. 44 (6), 2007, S. e217.
  18. G. Boehm: Multi-centre Immuno Programming (MIP) Study Group: Poster presentation WCPGHAN. Iguassu Falls, Brazil, 20 August 2008; P0874
  19. M. Haarman, J. Knol: Qualitative realtime PCR assays to identify and quantify fecal bifidobacterium species in infants receiving a prebiotic infant formula. In: App Environ Microbiol. 71 (5), 2005, S. 2318–2324.
  20. J. Knol, P. Scholtens, C. Kafka: Colon Mircoflora in infants fed formula with galacto- and fructo-oligosaccharides: more like breast-fed infants. In: JPGN. 40, 2005, S. 36–42.
  21. J. Knol, E. G. M. van der Linde, J. C. K. Wells: An infant formula containing prebiotics change the intestinal mirco flora of term infants. In: JPGN. 36, 2003, S. 566.
  22. G. Moro, S. Arslanoglu, B. Stahl: A mixture of prebiotic oligosaccharides reduces the incidence of atopic dermatitis during the first six month of life. In: Arch Dis Child. 91, 2006, S. 814–819.
  23. Hypoallergene Babynahrung: Studie bezweifelt den Nutzen (Memento des Originals vom 21. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.aponet.de – (apo.net vom 15. Juli 2011)
  24. Allergieprävention – Hypoallergene Babynahrung hilft nicht. (Memento des Originals vom 21. Juni 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutsche-apotheker-zeitung.de In: Deutsche Apothekerzeitung. 28. Juli 2011.
  25. Adrian J. Lowe: Effect of a partially hydrolyzed whey infant formula at weaning on risk of allergic disease in high-risk children: A randomized controlled trial. American Academy of Allergy, Asthma & Immunology. In: Journal of Allergy and Clinical Immunology. August 2011.

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