Hohenzollernsche Lande
Hohenzollernsche Lande (kurz Hohenzollern, seit dem 19. November 1928 amtlich Hohenzollerische Lande) bezeichnete den preußischen Regierungsbezirk Sigmaringen. Mit zahlreichen Exklaven bestand er von 1850 bis zur Auflösung des Freistaates Preußen nach dem Zweiten Weltkrieg. Dem Bezirk waren fast alle Rechte einer preußischen Provinz – auch die Vertretung im Preußischen Staatsrat – übertragen worden; der Regierungspräsident war einem Oberpräsidenten gleichgestellt. Zahlreiche Verwaltungsangelegenheiten oblagen aber der Rheinprovinz.[2]
Flagge | Wappen |
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Lage in Preußen | |
Bestehen | 1850–1947 |
Provinzhauptstadt | Sigmaringen |
Fläche | 1.142 km²[1] |
Einwohner | 73.706 (1939)[1] |
Bevölkerungsdichte | 65 Ew./km² (1939) |
Verwaltung | Oberämter |
Kfz-Kennzeichen | I L |
Entstanden aus | Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen |
Aufgegangen in | Württemberg-Hohenzollern |
Heute Teil von | Baden-Württemberg |
Karte | |
Im Jahr 1947 gingen die Hohenzollernschen Lande infolge der alliierten Besetzung im Land Württemberg-Hohenzollern auf. Dieses wurde 1952 mit den Ländern Württemberg-Baden und (Süd-)Baden zum Land Baden-Württemberg vereinigt. Somit bildet das Territorium der Hohenzollernschen Lande zusammen mit den historischen Ländern Baden und Württemberg das Territorium von Baden-Württemberg. Seit der Kreisreform Baden-Württemberg 1973 ist das vormals hohenzollernsche Territorium zwischen mehreren Landkreisen und drei der vier Regierungsbezirke Baden-Württembergs aufgeteilt.
Geschichte
Gebildet wurde der Regierungsbezirk Sigmaringen im Jahre 1850, als die beiden ehemaligen Fürstentümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen an Preußen fielen. Zuvor hatten die beiden Fürsten im Zuge der Revolution von 1848/49 in Deutschland und in ihren Ländern am 7. Dezember 1849 abgedankt. Beide Herrscherhäuser hatten bereits seit 1695 bzw. 1707 Erbverträge mit Preußen.
Der preußische König Friedrich Wilhelm IV. zögerte zunächst, die beiden Fürstentümer zu übernehmen. Sein Historiker Rudolf von Stillfried-Rattonitz machte daraufhin klar, dass im Ablehnungsfalle sich die schwäbischen Fürsten „dem 400-jährigen württembergischen … Erbfeinde unvermeidlich in die Arme werfen [müssten]“, eine Schmach, die der König nicht dulden könne.[3] Im Mai 1849 genehmigte der König einen Vertrag über den Anschluss, der am 7. Dezember 1849 unterzeichnet wurde. Die Besitzergreifung durch den preußischen Staat erfolgte am 6. April 1850 in Sigmaringen bzw. am 8. April in Hechingen. Danach wurden die beiden Fürstentümer zu einem Regierungsbezirk mit Verwaltungssitz in Sigmaringen zusammengefasst.
Während des Deutschen Krieges kam es vom 27. Juni bis 6. August 1866 im Namen des Deutschen Bundes zur Besetzung durch württembergische Truppen.[4]
Mit der Bildung von Provinzialverbänden bekamen auch die Hohenzollerischen Lande eine Selbstverwaltung, den Landeskommunalverband der Hohenzollerischen Lande, für den ein Kommunallandtag gewählt wurde. Beide bestanden bis 1973, als die hohenzollerischen Kreise Hechingen und Sigmaringen in ihrer bisherigen Form aufgelöst wurden. Das Appellationsgericht war zunächst bis 1879 das Gericht in Arnsberg. Danach war das Oberlandesgericht Frankfurt am Main zuständig. Das höhere Schulwesen und das Medizinalwesen unterstanden dem Oberpräsidium der Rheinprovinz.
Die Verwaltung des Regierungsbezirks Sigmaringen, der Aufgaben der Landesregierung wahrnahm, war zunächst in die sieben hohenzollerischen Oberämter Gammertingen, Haigerloch, Hechingen, Ostrach, Sigmaringen, Trochtelfingen und Wald untergliedert. 1925 wurden die zu dieser Zeit noch bestehenden Oberamtsbezirke Gammertingen, Haigerloch, Hechingen und Sigmaringen zu den beiden neuen Oberämtern Hechingen und Sigmaringen zusammengefasst. Zur Zeit des Nationalsozialismus gehörte das Gebiet zum NSDAP-Gau Württemberg-Hohenzollern unter Gauleiter und Reichsstatthalter in Württemberg Wilhelm Murr, dem auch immer mehr staatliche Aufgaben zufielen (Reichsverteidigungskommissar im Wehrkreis V 1939; Führer des Volkssturms 1944), blieb aber formal ein preußischer Regierungsbezirk. Ein Reichsgau Württemberg-Hohenzollern kam nicht mehr zustande.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Gebiet Bestandteil der französischen Besatzungszone. Die Militärregierung vereinigte es 1946 mit dem südlichen Teil des ehemaligen Landes Württemberg zum Land Württemberg-Hohenzollern mit Tübingen als Hauptstadt. Die Landkreise Hechingen und Sigmaringen wurden dabei erhalten, auch als Württemberg-Hohenzollern 1952 in Baden-Württemberg aufging.
Bei der Kreisreform Baden-Württemberg 1973 wurden die Grenzen Hohenzollerns verwischt. Das Gebiet teilt sich heute auf neun Landkreise in drei Regierungsbezirken auf, die allesamt auch nicht-hohenzollernsche Gebiete umfassen. Der Großteil liegt im Landkreis Sigmaringen und im Zollernalbkreis, deren Grenzen zum Teil (vor allem im Norden) noch mit jenen von Hohenzollern übereinstimmen. Kleinere Anteile liegen östlich davon in den Landkreisen Reutlingen, Biberach und Ravensburg (im letzteren die südlichste Exklave von Hohenzollern, Achberg), die wie der Landkreis Sigmaringen und der Zollernalbkreis zum Regierungsbezirk Tübingen gehören. Westlich angrenzend liegen kleinere Gebiete in den Landkreisen Rottweil, Tuttlingen und Konstanz (Regierungsbezirk Freiburg) sowie Freudenstadt (Regierungsbezirk Karlsruhe).
Politik
Regierungspräsidenten
(mit den Befugnissen eines Oberpräsidenten)
- 1850: Adolph von Spiegel-Borlinghausen
- 1850–1851: Anton von Sallwürk
- 1851–1852: Ludwig Viktor von Villers
- 1853–1859: Rudolf von Sydow
- 1859–1862: Karl Theodor Seydel
- 1862–1864: Hermann von Graaf (vertretungsweise)
- 1864–1874: Robert von Blumenthal
- 1874–1887: Hermann von Graaf
- 1887–1893: Adolf Frank von Fürstenwerth
- 1894–1898: Franz von Schwartz
- 1898–1899: Karl Friedrich von Oertzen
- 1899–1919: Franz von Brühl
- 1919–1926: Emil Belzer
- 1926–1931: Alfons Scherer
- 1931–1933: Heinrich Brand
- 1933–1940: Carl Simons
- 1940–1941: Hermann Darsen
- 1941–1942: Hans Piesbergen[5]
- 1942–1945: Wilhelm Dreher
Kommunallandtag
1925: Zentrum 68,4 % – 17 Sitze | Bürgerpartei/Bauernbund 16,7 % – 4 Sitze | DDP 9,3 % – 3 Sitze
1929: Zentrum 61,3 % – 15 Sitze | Hohenzollernscher Bauernbund 15,4 % – 4 Sitze | FWV 10,7 % – 3 Sitze | SPD 8,3 % – 2 Sitze
1933: Zentrum 50,2 % – 12 Sitze | NSDAP 38,1 % – 9 Sitze | DNVP 6,0 % – 2 Sitze
An 100 % fehlende Sitze = Nicht im Kommunallandtag vertretene Wahlvorschläge.
Einwohnerentwicklung
Im Jahr 1852 lag die Einwohnerzahl der Hohenzollernsche Lande bei 65.634. Bis 1905 hat sie sich lediglich um vier Prozent auf 68.282 erhöht.[6] 1939 war die Bevölkerungszahl auf 73.706 Einwohner gestiegen.[1]
Jahr | Einwohner[7] |
---|---|
1852 | 65.634 |
1880 | 67.624 |
1890 | 66.085 |
1900 | 66.780 |
1905 | 68.282 |
1910 | 71.011 |
1925 | 71.840 |
1933 | 72.991 |
1939 | 73.706 |
Literatur
- Walter Bernhardt, Rudolf Seigel: Bibliographie der Hohenzollerischen Geschichte (= Arbeiten zur Landeskunde Hohenzollerns; Bd. 12). Thorbecke, Sigmaringen 1975, ISBN 3-7995-6212-5.
- Walther Genzmer: Hohenzollern (Deutsche Lande – Deutsche Kunst). München/Berlin 1955.
- Karl Theodor Zingeler, Wilhelm Friedrich Laur: Die Bau- und Kunst-Denkmäler in den Hohenzollern’schen Landen. Paul Neff Verlag, Stuttgart 1896, Google-Digitalisat (PDF).
Weblinks
- Die administrativen Beziehungen der Hohenzollernschen (Hohenzollerischen) Lande zur Rheinprovinz (LVR)
- Hohenzollernsche Lande (Oberämter und Gemeinden) 1910
- Eintrag auf territorial.de
- Eintrag auf gonschior.de
- Eintrag auf hgisg
Einzelnachweise
- Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich 1939/40 (Digitalisat).
- Horst Romeyk: Verwaltungs- und Behördengeschichte der Rheinprovinz 1914–1945. Droste Verlag, Düsseldorf 1985, S. 23 ff.
- Eberhard Gönner: Die Revolution 1848/49 in den hohenzollerischen Fürstentümern und deren Anschluß an Preußen. Hechingen 1952, S. 181; zitiert nach: Otto H. Becker: Fortwirken einer Tradition … S. 193.
- Christoph von Lindeiner-Wildau: Burg Hohenzollern als preußisch-deutsche Garnison und befestigter Platz. In: Zeitschrift für Hohenzollerische Geschichte 3(90), 1967, S. 81–82 (Digitalisat der UB Freiburg).
- Wegen seiner „Einsätze im Reichsprotektorat und in den besetzten Niederlanden“ trat Piesbergen die Regierungspräsidentenstelle wohl gar nicht an. Siehe Michael Ruck: Korpsgeist und Staatsbewußtsein – Beamte im deutschen Südwesten 1928 bis 1972. O. O. 1995, S. 116 (Online-Version).
- hgisg.geoinform.fh-mainz.de FH Mainz
- Michael Rademacher: P_hohenzollern. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.